Die bisher längste Überfahrt beginnt 🌊⛵️🌊

27. April 2023 * 7:26 Uhr * 0 Seemeilen
Wir verlassen Gan, wir verlassen das Addu Atoll, wir verlassen die Malediven.
Hätte gar nicht gedacht, dass mich eine gewisse Wehmut packt und mir etwas schwer ums Herz ist. Aber Wind und Welle stehen gut, und wir segeln mal wieder, nur mit unserem geliebten Screecher, flott davon. Doch lang halten diese Wetterverhältnisse nicht, der Wind nimmt stark ab und wir nehmen das Groß, auf dem zweiten Reff, mit dazu. Doch auch das hilft nicht viel, wir krebsen mit 1 bis 2 Knoten so vor uns hin. Dafür gibt es einen wundervollen Sonnenuntergang!

Wir wollen nicht gleich am ersten Tag schon den Motor dazu nehmen, denn wir wissen nicht, was noch kommen mag. Wettervorhersage und Realität klafften schon so manches Mal weit auseinander. Und ab geht es in die erste Nacht. Wir müssen vielen Gewittern ausweichen und fahren komische Schlangenlinien. Sturmvögel begleiten uns.

Ein Squall erwischt uns voll, schnell legt der zuvor eingeschlafene Wind, bis auf 38 Knoten zu. Das Jib, welches gerade draußen ist, muss rein, sofort! Ich werde dabei pitsche patsche nass. Es schüttet, blitzt und donnert. Nicht gerade schön! Wir wollen dem entkommen und geben Diesel. Irgendwann beruhigt sich das Ganze etwas. Eine schwierige Nacht, schwierig zu segeln und für Klaus fast unmöglich, Schlaf zu bekommen.

🌊🌊🌊

28. April 2023 * 7:00 Uhr * 54 Seemeilen
Die zweite Nachthälfte beginnt, wie die erste endete. Gewitter, Blitz, Donner und Regenergüsse.

Der Wind schiebt uns zwar in die richtige Richtung, aber schnell sind wir nicht. Schlappe 54 SM haben wir in den letzten 24 Stunden geschafft, von ca. 1.500 Seemeilen. 🫢
Ein Keilriemen des linken Motors gibt immer grauenvollere Geräusche von sich. Lautes Zischen und Quietschen ist angesagt. Da muss uns was einfallen! Tagsüber ist es komplett bewölkt, ein Squall reiht sich an den anderen. Und immer kommen sie aus dem Süden, dort wo wir eigentlich hin wollen… So eiern wir von links nach rechts, immer auf der Suche nach dem besten Weg, Richtung Chagos, Richtung Süden. Mal gibt’s zu viel, dann zu wenig Wind. Mal ist das Groß mit dem Jib draußen, dann wieder mit dem Screecher. Das wiederum wird eben links heraus gerollt, dann wieder eingerollt und rechts heraus gezogen. Mehrfach hin und her. Anstrengend! Eine Stunde läuft’s gut, dann muss das Screecher wieder rein und das Jib raus. Gegen 23:00 Uhr kommt ein Motor kontinuierlich dazu und wird bis weit in den nächsten Tag laufen.

🌊🌊🌊

29. April 2023 * 7:00 Uhr * 57 Seemeilen Das ist wieder nicht viel, was wir da an Stecke gemacht haben. Und von den 57 Seemeilen gehen bei weitem nicht alle in die richtige Richtung, sondern krickelkrakelig, hin und her und im Kreis und zurück. Die Sonne geht auf, das ist ja schon mal was! Ich vergaß zu erzählen, dass in der Nacht bis zu 5, fünf, five Sturmvögel bei uns rasteten. Erst versuchte ich sie noch zu vertreiben, chancenlos!

Der auf der dicken Relingstange hat seinen Platz sehr vehement verteidigt.

Das junge Tageslicht offenbart jetzt aber das volle Malheure. Da, wo die saßen, ist alles vollgeschissen und stinkt fürchterlich. Überhaupt, stinkt der ganze Vogel. Auch kleinste Daunenfedern stinken nach verdautem Fisch. Ähhhh 🤧. Sie flogen aber auch erst dann weg, als Klaus den Außenwasserhahn anschließt. Und nun heißt es für mich putzen, schrubben, wienern.

Auch die Außenpolster müssen dringend getrocknet werden. Sie sind durch die vielen Regengüssen, völlig durchnässt. Und die Angel kommt mal wieder raus. Bisher haben wir nichts gefangen.
Jetzt bekommen wir guten Wind und düsen gen Süden, dem Chagos Archipel entgegen. Wäre ja zu schön, wenn das jetzt mal ne Weile so bliebe. Nein, bleibt natürlich nicht so. Wir müssen mehreren Squalls ausweichen, einer erwischt uns jedoch mit seinen Ausläufern. Schnell muss jetzt das Screecher wieder rein, beide Motoren an und ab durch die Mitte. Geschafft, wir lassen das Regengebiet hinter uns und drehen das Screecher wieder heraus. Weiter geht’s, doch der Wind nimmt zunehmend ab. Einen Motor wird dazu geschaltet und der Wassermacher gestartet. Wir hören Hörbücher, lesen normale Bücher und Klaus studiert das Wetter. Alle 12 Stunden wird die Prognose von Predict Wind aktualisiert. Plötzlich meckert unser B&G Plotter. No Autopilot, no GPS. Oh Gott, was ist das denn? 😱 Aber der Autopilot geht doch noch? Hm?
Beide Motoren haben nach wie vor im unteren Drehzahlenbereich Schwankungen und der linke zusätzlich Keilriemenprobleme. Der Wassermacher piepst und zeigt eine Störung an. Klaus drückt auf ein paar Tasten herum, und der Wassermacher macht weiter Wasser. Auch nicht gerade sehr beruhigend!
Dazu kommt, wir schippern gerade in der innertropischen Konvergenzzone. Hier stoßen Südostpassat und Nordostpassat aufeinander. Das hat Gewitter und Wolkenbrüche zur Folge. Und genau da sind wir jetzt gerade. 😖 Mensch, hatte ich da nicht mal was von Barfußroute gehört? Angenehm zu segeln, immer warm und auch für Familien mit Kindern geeignet? Ja, warm ist es. Aber irgendwie stimmt das alles so nicht! Daraufhin haben wir jedoch eine ruhige, entspannte Nacht mit Motor. Bloß ein Sturmtaucher plagt uns wieder. Diesmal versuche ich ihn vehement mit Handtuch und Stange zu vertreiben. Doch auch, wenn ich ihn richtig wegfege und er dadurch ins Wasser klatscht, kommt er sofort wieder angeflogen. Ich kämpfe bestimmt ne Dreiviertelstunde und beschließe dann das Boot komplett zu verdunkeln. Auch die Navigationsbeleuchtung kommt aus. Wir sehen ihn dann nicht mehr.

🌊🌊🌊

30. April 2023 * 7:00 Uhr * 88 Seemeilen Das gesamte Vordeck ist total zugekackt. 🫢 Unglaublich, was ein so’n Vogel kacken kann. Das war bestimmt seine Rache für meine Vertreibungsversuche… Ich versuche mit Reinigern und viel Wasser, der Situation Herr zu werden. Klappt aber nur mäßig, Kackschatten bleiben. Ich müsste mit härteren Mittel drangehen, aber jeden Tag jetzt? Echt nicht! Da rutsche ich aus, mein linkes Bein geht unnatürlich nach außen weg, mein Knie verdreht sich, es knackt, ich lande auf dem Po. War’s das jetzt? Ist was gebrochen, sind Bänder gerissen??? 😵 Ich glaube eher, es ist was gerissen. Auf allen Vieren krabble ich zurück zur Helmstation. Noch kann ich mich ohne Probleme in den Salon retten. Erstmal müssen meine nassen Klamotten aus, dann leg ich mich nur mit einem Handtuch bedeckt aufs Sofa, das Bein etwas erhöht. Wir hören unser Hörbuch weiter, echt gut! und segeln ganz anständig mit dem Screecher, welches eine doppelt so große Segelfläche hat, im Vergleich zum Jib.
Zwei Stunden später, kann ich mein Knie nicht mehr beugen, ist wohl echt was kaputt gegangen. Auftreten geht aber noch.
Unser Funkgerät hat keinen GPS Kontakt mehr. Weiß der Geier warum nicht??? Zum Glück hat der Plotter einen unabhängigen Empfänger, sonst wäre der Autopilot jetzt futsch. Probleme, Probleme… Klaus liest Bedienungsanleitungen und zieht den Stecker vom Vesper Cortex. Piep, piep, piep… und es geht wieder! 👏 Auf mein Knie deutend meint er, schade, dass man bei dir nicht auch einfach den Stecker ziehen kann und das Knie ist wieder fein… Stattdessen nehmen die Schmerzen zu und die Beweglichkeit ab.
Die Nacht ist trotzdem wieder recht entspannt. Wir haben teils genug Wind fürs Screecher, teils motoren wir etwas dazu. Ich kann 4 Stunden schlafen, wir haben keinen Vogelbesuch, das Knie ist eh schon kaputt.

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