Der Hexenkessel ruuuft 👹

Oder der Höllensturm? Nun ja, es soll wohl recht schlimm sein. Viele Segler meiden die Strecke und fahren über Tansania rüber nach Südafrika. Aber dann kommste halt schon ziemlich nahe an Somalia heran, mit ihren Piraten 🏴‍☠️. Das wollen wir halt auch nicht. Einige Segler haben es einfach nicht geschafft aus dem Höllensturm wieder herauszusegeln, um die Biege nach Madagaskar zu bekommen. Die sind dann ungewollt in Tansania gelandet… Seufz, wir bleiben halt noch einen Tag an der Küste der Nordinsel. Das teilt Klaus dann auch Des Cason mit und er antwortet, dass wir das so machen können. Wir bekämen es halt mit der Natur zu tun und müssten das Biest nun reiten. Toll 😱! Können wir das überhaupt, wir zwei Beiden ? Diese Frage ist jetzt wohl irrelevant, uns bleibt nichts anderes übrig.
Wir können das Groß nur bis Reff drei hochziehen, was aber gar nicht so schlecht ist, dann haben wir das Segel immer mit der kleinsten Fläche draußen und bieten den Winden nicht so viel Angriffsfläche. Das Problem am Kap von Madagaskar, dem Cap d’Ambre, dem Bernstein Kap, ist die Unberechenbarkeit. Winde legen zu, Strömungen zwingen dich in falsche Richtungen und von den hohen Wellen ganz zu schweigen. Des sagt, beim Kap Horn siehst du was kommt, beim Cap d’Ambre nicht. Prost Mahlzeit…
Wie soll ich das Groß bei Bedarf überhaupt wieder runter bekommen? Dafür muss ich aufs Dach, um das Segel ganz runter zu ziehen und windsicher verpacken zu können. Bei den angesagten Bedingungen, unmöglich! Ich habe zwar mal in grauer Vorzeit voltigiert und stand freihändig auf einem galoppierenden Pferd, aber das ist wohl wirklich nicht damit zu vergleichen was nun kommt! Klaus hat mal wieder DIE Idee. Er befestigt die gerissene Leine von Reff zwei am letzten Schlitten vom Groß, und damit ziehe ich es dann wieder runter. Genial! Wir üben mal. Ja, klappt ganz gut, aber ein letztes Stückchen Segel bleibt dennoch stehen und bläht sich im Wind auf. Mist!!! Dann muss ich ja doch hoch aufs Dach. Mal sehen was geht… 🫣.
Wir sind hier übrigens mutterseelenallein. Hier ist weit und breit niemand. Auch der Fischer hat sich verkrümelt. Was habe ich mir doch in die Hose gemacht vor Sorge, es könnte sofort jemand kommen, meckern oder viel Geld von uns verlangen…?! Aber keine Sau ist da, die Insel sieht mit ihren vielen toten Bäumen sehr verlassen aus. Hier sagen sich wohl Seevogel und Tunfisch gute Nacht, 700 km von Mahé entfernt. 🥱

Der Mann mit der Superspucke. 😂
Unsere Mitteltür quietscht. Gestern schmierten wir verschiedenste Stellen mit Vaseline ein, wohl nur mit kurzem Erfolg. Klaus untersucht den Fall und macht schließlich etwas Spucke an eine Stelle. Das Quietschen hat ein Ende! 🥳 So können wir auch diese, letzte Nacht vor Anker ruhig schlafen. Soweit es die Nerven erlauben. Um 8:00 Uhr morgen früh soll’s losgehen. 150 Seemeilen bis zum Cap der Hexen 🧙🧙‍♂️🧙‍♀️und ihrer brodelnden Suppe, liegen vor uns.
Gute Nacht Drahtseilnerven Klaus, gute Nacht Angsthäschen Andrea.
Ich kann noch nicht gleich schlafen und mache noch ein paar Nachtaufnahmen.

Wir haben Vollmond 🌕, sehr schön ! Und die Milchstraße ist wieder toll zu sehen. Ungefähr so: 😉

Und so hell leuchtet der Strand bei Vollmond, fast taghell. Jetzt aber ab in die Koje! Viel Schlafenszeit bleibt nicht mehr…

Freitag, 01.09.2023, es geht los !
Um 7:41 Uhr sitze ich am Tisch und bin bereit.
Um 7:55 Uhr heben wir den Anker.
Um Punkt 8:00 Uhr dieseln wir los.
Wir haben ca. 25 Knoten Wind und ich möchte, dass wir die Rettungswesten anlegen. Beim Fummeln mit den Westen schaukelt es mich nach hinten und es schießt mir in den Rücken. Auaaa… Mit Hexenschuss durch den Hexenkessel, na toll! 😠
Kurze Zeit haben wir noch etwas Schutz durch die Insel, dann schlägt das Biest auch schon zu. Jetzt schon? Ich dachte erst am Kap??? Ein Squall nach dem anderen saust über uns hinweg. Wir haben Windgeschwindigkeiten von bis zu 39 Knoten und 3 bis 4 Meter hohe Wellen. Immer wieder rauschen die höchsten komplett über unser Boot. Einige von ihnen sind so steil, dass Yuti volle Kanne mit dem Bug in die nächste hinein knallt. Was für unglaubliche Belastungen für Mensch und Material. Es knirscht, es knallt, es spritzt, es rauscht, ohrenbetäubend, ohne Unterlass.
Die Ankerluke ist offen. Zig Liter Salzwasser rauschen rein. Elektrik und Sicherung der Ankerwinsch sind in Gefahr! Wie bekommen wir die Luke je wieder zu??? Klaus, der geniale Kapitän, dreht Yuti einfach um, entschärft damit die rauf rauschenden Wellen und schließt todesmutig die Luke.

Geschafft! Zum Glück war es nicht die Ankerluke, sondern die kleinere Luke davor, mit dem Ersatzanker drinnen. Der Verschlusshaken ist verbogen, Klaus muss die Luke zusätzlich mit einer Leine sichern. Dann dreht er Yuti wieder in den Wind, die Höllenfahrt geht weiter. Wenn ich ehrlich bin, ist das schon Hexenkessel für mich. Wenn das dann noch schlimmer werden soll….??? Heilige Scheiße!!! Es geht in die Nacht. Es wird etwas ruhiger. Nicht mehr gaaanz so hohe Wellen und keine Squalls malträtieren uns mehr. Beide liegen wir auf den Sofas, ich bewege mich nur noch minimal, mein Rücken…
Hier mal ein paar Bilder von PredictWind, unserem Tracker:

Da verlassen wir gerade die Île du Nord und haben schon ganz schön viel Wind von der Seite. Je röter und dunkler die Farbe wird, desto stärker ist der Wind.

Der rote Punkt ist Yuti. Der blaue Pfeil zeigt den geplanten Weg rund um die Spitze des Cap d’Ambre/Madagaskar. Der Bogen ist wichtig, um am Cap den starken Wind im Rücken zu haben. Des hat uns genau gesagt, wie wir segeln sollen. Immer hart am Wind in südwestlicher Richtung, um genügend Puffer für die Umrundung zu haben. So wollen wir es versuchen und fahren kontinuierlich hart am Wind.
Ich schlafe immer mal kurz ein, Klaus schaut zu. Aber nicht immer. Einmal erwische auch ich ihn beim Nickerchen. Zum Glück bin ich just aufgewacht. Ja, es ist auch noch ein Kampf gegen die Müdigkeit und Erschöpfung! 🥱

Samstag, 02.09.2023, 8:00 Uhr. 140 herausfordernde Seemeilen liegen hinter uns, noch 12 Seemeilen bis zum Cap vor uns. Wo bleibt der Hexenkessel, wo die angekündigte starke Strömung??? Ist nun alles umgekehrt? Waren die Hexen auf unserem zurückliegenden Weg unterwegs und hier vor dem Kap ist es ruhig? Auf jeden Fall scheint um 9:59 Uhr die Sonne und Wind und Welle halten sich zurück. Eine halbe Stunde später wird’s dann doch ungemütlicher. Wir haben wieder Schwibbel-Schwabbel-Wellen, garniert mit einzelnen Brechern von der Seite. Wir werden hin- und hergeworfen. Upsi … Aber verglichen mit dem Weg hierher, ist es weniger schlimm. Des Cason lobt den Skipper, welle done, gut gemacht!

Ja, da sieht man schön, wie Klaus (nahezu perfekt 🤩)vorgehalten hat, um dann mit Wind und Strömung um das Kap herum zu kommen. Auch ist er nahe genug dran, um nicht weiter fortgeweht zu werden, Richtung Tansania. Aber, aber, wir sind doch noch gar nicht ganz da, geschweige denn rum… 😳. Doch Land ist in Sicht und Des hätte gern ein Foto vom Leuchtturm.

Da, Bitteschön. Des ist begeistert und meint, Cap d’Ambre gibt’s also auch mal friedlich. Da geht die Diskussion schon über unseren ersten Ankerstopp los. Klaus hat an Nosy Roa gedacht. Des ist dagegen und gibt zu bedenken, dass dort vor kurzem ein Kat spurlos verschwunden ist. Er meint, Saint Sébastien sei geeignet. Hm,… das ist aber zu weit. Das schaffen wir nicht bis es dunkel wird. Weitersegeln, durch die Nacht bis Nosy Be? Im Meer beilegen und bei Tageslicht weiter? Wir brauchen eine Pause! Im Moment geht hier aber die Post ab. Wir surfen die Wellen herunter und haben die Strömung jetzt doch noch dazu. Yuti saust mit 11 Knoten, nein 11,3…. 11,4…. 11,7…. 12,2…. 13,3 Knoten Spitzengeschwindigkeit übers Wasser. Wir sausen ums Kap. 10 Seemeilen nach dem Leuchtturm sollen wir die Biege machen. Aye, aye Des! 🫡 Des ist begeistert und meint, nearly perfect, Klaus ! Wir nehmen die Biege und der Wind kommt mit. 💨 Die Strömung bleibt zwar zurück, doch mit 33 Knoten fetzen wir an der Westküste Madagaskars entlang. Ob das nochmal ruhiger wird? Normalerweise soll es nach der Biege regelrecht ein Windloch geben und gaaanz ruhig werden. Bei uns nicht, schade! Darauf hatte ich mich schon soo gefreut, dieses Ausfließen der Gewalten zu erleben. Pustekuchen 🌬️. Wir sausen weiter und weiter… Klaus meint, da spritzt aber das Wasser an die Felsen….
Nä, das sind keine Felsen! Das ist ein Buckelwal 🐋 ! Der kommt mit seinem riesigen Kopf raus und platscht dann wieder zurück. Ungefähr so :

Doll !!! Unser erster gesichteter Buckelwal. Wir sind ganz aus dem Häuschen. Leider ist er soweit entfernt, dass mein Handy hier versagt.
Wieder zurück zum Punkt, wo können wir abhängen? Die Insel, die Klaus wollte, sollen wir nicht. Die Empfehlung von Des ist zu weit weg, Abhängen im Meer geht auch nicht, die Wellen sind zu unruhig und werfen die Ruder von links nach rechts und zurück. Alles doof! Dann motoren wir halt mit minimalem Jib weiter Richtung Nosy Be. Klaus, ziemlich geschlaucht von den letzten Tagen, muss jetzt erstmal dringend schlafen. Gute 4 Stunden gelingen. Danach schlummere ich meine 4 Stunden. Herrlich!!! 😴 Nosy Be ist aber noch Meilen weit entfernt. Ob wir noch eine Ankerpause bekommen und was für ein Geräusch uns zu Tode erschreckt?
Abwarten…

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