Abbruch?

6:03 Uhr, es bleibt dunkel, keine Daten, kein Autopilot, nix….

Das durchgekreuzte Modul ist kaputt.

Nur die Sonne ist zuverlässig wieder aufgegangen. Die zurückliegenden sechs Stunden waren sehr hart. Die Dunkelheit, die Kälte, kräftige Wellen, eisiger Wind. Was habe ich mir nicht alles angezogen, um das aushalten zu können. Leggings, meine Flug-Stützstrümpfe, die halten Füße und Waden wärmer, Socken, feste Schuhe, T-Shirt, dickes Sweatshirt, Regenjacke, Segeljacke noch oben drüber, Halstuch, Kopftuch, Basecap, Kapuze der Regenjacke, eine Decke um die Hüften und Beine und Arbeitshandschuhe. Ich sehe unglaublich aus, und trotzdem friere ich wie ein Schneider.

Auch in den kurzen Pausen, in denen Klaus übernimmt, werde ich nicht mehr warm. Parallel versucht Klaus alles, probiert alles aus und ist im Dauerkontakt mit Mike, und später auch mit dem Werk in Vietnam, sobald dort wieder Tag ist. Mike telefoniert mit B&G, dem Hersteller der Technik. Alle sind sehr bemüht, beratschlagen untereinander und geben Klaus unermüdlich Hinweise, Prüfaufträge und Tipps. Klaus setzt alles sofort um, baut sogar eine zweite Stromverbindung, da die Meinung besteht, das System hätte nicht genug Energie. Das ist es aber nicht, auch kein Wackelkontakt. Mist, Mist, Mist! Das System bleibt tot. Letzte Idee, es könnte an einer verbauten Sicherung liegen, die ist aber schwer zu finden und kaum zugänglich. Endlich findet er sie, baut sie aus und Test…? Nein, das ist auch nicht der Fehler im System, leider. Die Sicherung ist in Ordnung. Langsam hat keiner mehr eine Idee. Es könnten defekte Kabel sein, die lassen sich aber nicht mal eben so alle überprüfen. Schon klar, ich glaube, da will irgendwer nicht, dass wir jetzt nach Cape Town fahren…??? Nichts zu machen, wir finden uns damit ab, Klaus ändert den Kurs, wir biegen ab und fahren nach Mossel Bay. Es ist nicht leicht, den Kurs zu halten, es ist nicht leicht, hier draußen zu stehen, es ist nicht leicht, das Scheitern zu akzeptieren. Nicht eine Sekunde kann man die Hände vom Steuerrad nehmen. Ständig muss nachgesteuert werden, die Wellen, der Wind, die Strömung beachtet werden. Auch wenn man keine Informationen dazu hat. Aber ich sehe ja, wie das Boot immerzu von der Routenlinie abweichen will. Und wir müssen Mossel Bay noch bei Helligkeit erreichen, die Einfahrt in die Bucht ist bekanntermaßen schwierig. Prost Mahlzeit. Klaus hat schon ganz kleine, gerötete Augen und ist schlicht und einfach fertig. Na, jetzt könnte auch Hubert, der Österreicher nichts mehr sagen. Wir segeln eigenhändig die zweit gefährlichste Segelstrecke der Welt, durch Nacht, Wind und Welle.

10:30 Uhr, ALLES GEHT WIEDER 👍 👏 🤝 ✌️ 🙏 🙌 👌
Das kaputte Modul war’s. Obwohl wir viele Tage unabhängig davon problemlos gefahren sind und auch der Chefelektriker von Seawind sagte, ein kaputtes Modul beeinträchtigt nicht die Gesamtheit. Von wegen! Dieses kleine Modul, zum Verändern des Kurses per Knopfdruck, muss auf Dauer das System gestresst haben. Ich stehe hinter’m Steuer und denke laut, vielleicht stört das kaputte Modul ja doch? Aber das wäre doch irgendwie unlogisch…?!? Klaus schält sich aus seiner wärmenden Decke, zieht genau den Kabelstecker raus und schwupp, alles ist wieder da❣️Poah…, was für eine Sache! Wir schauen uns tief in die Augen und ändern SOFORT unseren Kurs. Weg von Mossel Bay, hin zu Hout Bay/Cape Town. Wir haben natürlich wertvolle Zeit verloren und müssen jetzt ordentlich Gas geben! Aber alles ist besser, als die nächsten 10 Tage oder mehr, in Mossel Bay festzuhängen. Unsere gesamte Folgeplanung wäre hinten runtergefallen. Unser Platz in Hout Bay vielleicht verloren, die geplante 2-wöchige Reise stark gefährdet, das Haul Out nicht gesichert… ?! Nun sind wir wieder optimistisch und mir ist tatsächlich auch wieder warm! 😅 Ich fühle mich wie nach einem langen, frostigen Skitag. Mein Gesicht ist rot und brennt wohlig warm. Doch Klaus ist jetzt richtig fertig und schaut glasig in die Gegend. Nein, er schaut auf den Plotter, mit all seinen wieder erweckten Funktionen. Die Entscheidung, jetzt doch wieder Kurs auf das Kap der guten Hoffnung zu nehmen, fällt ihm nicht leicht. Noch viel höhere Wellen werden uns erwarten und das Zeitfenster ist, wie gesagt, nicht optimal. Des Cason’s mahnende Worte belasten ihn! Und wir sind ja gar keine Nussschale, wie er behauptete, wir sind ein kleiner Plastikbecher. 😏 Es ist alles im Moment eine ganz schöne Herausforderung! Übrigens, der On-Board-Service von B&G, den wir durch unsere Geräte noch ein halbes Jahr haben, würde nicht nach Mossel Bay kommen. Er bedient nur Kunden in und um Kapstadt, und wir werden ihn brauchen!
12:23 Uhr, ganz schön hohe Wellen heben uns herum. 🌊🌊🌊. Zum Glück strahlt die Sonne und bei Sonnenschein sieht alles nur halb so bedrohlich aus. Habe ich Angst? Ja, ein bisschen. Ich spüre Klaus’ Anspannung.
Yuti nimmt Geschwindigkeit auf! Wir surfen die Wellen und haben manchmal bis zu 13 Knoten Tempo drauf. Nicht übel! So sausen wir in die Nacht. Um 19:00 Uhr verabschiedet sich die Sonne, um 20:00 Uhr ist’s dunkel.

Der Wellengang steigt an, nimmt wieder ab und steigt wieder an…. Manchmal fahren wir fast Karussell. 😵‍💫 Yuti schafft es aber bisher immer, dank wiederbelebtem Autopiloten, ihren “Hintern” der anrauschenden Welle entgegenzuhalten. Zum Glück! Dann dreht sie oft ab, aber steuert immer wieder rechtzeitig zurück. So gehen die Wellen von hinten durch und kommen nicht so gefährlich von der Seite. Das würden wir per Hand sicher nicht so gut machen. Nun wechseln wir uns auch wieder gut ab, und jeder von uns kann etwas Ruhe finden. Warten wir mal auf morgen, was uns da erwartet?? Nach Des Cason soll es morgen lebensgefährlich werden… 😱. Ich dachte heute wäre der gefährlichste Tag….

3 Kommentare

  1. Also ohne Plotter, Autopilot und weiterer Technikunterstützung ist das mehr als herausfordernd. Ich atme gerade tief durch – und das, obwohl ich nur auf dem Sofa sitze und die Wellen nicht von schräg hinten darunter durchrollen.
    Falls mentale Unterstützung vom anderen Ende der Welt was nützt, meine habt Ihr gerade voll und ganz. Seht zu, dass Ihr heil durchkommt.
    Seid herzlich gegrüßt!

  2. Hallo Klaus und Andrea,
    welcome to Kapstadt. Edelgard erzählte mir, dass Ihr in Südafrika eine 14-tägige Rundreise mit dem Auto plant – also sicherlich auch nach Johannesburg. Interessant insofern, weil dort der einzige Verwandte (53 Jahre alt) wohnt, mit dem ich im Jahr 2018 einen regen E-mail – Verkehr hatte (ich hatte ihm einen Taufschein seines Großvaters aus Polen besorgt). Der Kontakt zu seiner 92-jährigen Tante Rita ist in diesem Jahr leider abgebrochen. Doch solltet Ihr Interesse an einer Verbindungsaufnahme mit ihm haben, so lasst es mich wissen. Sollte er dieses Interesse auch haben, so werde ich ihn anschreiben, oder ich gebe Euch seine Daten, die ich noch habe.
    Grüße aus dem regnerischen WHV
    Onkel Dieter und Tante Margrit

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