Familienlodge oder Chaosfamilie?

Frühmorgens wenn die Hähne krähen… Nee, die krähen hier nicht, aber anderes Federvieh pfeift und piept und Zikaden kreischen wie Kreissägen durch den Morgen, da poltert es bei uns übers Dach. Das ist bestimmt Frieda mit ihrem Kind. Ich schaue mal ganz vorsichtig nach. Jepp, sie ist es!

Na, alles klar dahinten?

Ich schließe hinter mir die Tür und hocke mich auf den Boden, um beide zu beobachten. Sie kugeln und rekeln sich auf dem Boden, der Kleine löst sich sogar ganz mutig von seiner Mama, robbt zu mir und reicht mir die Hand. Schüttel, schüttelt, guten Morgen kleiner Mann. Beide gähnen herzzerreißend. Wohl noch müde oder was? Dann spielen er und ich Fangen der Hände. Mal schnappe ich seine, mal er meine. Alles läuft sehr sanft und friedlich ab. Die Mama entfernt sich etwas, Junior will aber noch spielen. Dann rennt er ihr nach und schwing sich hoch auf ihren Rücken. Zu nett❣️Ich muss dann mal rein, mich waschen. Ab ins kleine olle Bad. Hm… Besonders doof ist die schiefe und mit Luft gefüllte Klobrille. Setzt man sich drauf, gibt’s ein gequältes Pffff…, nicht lustig! 😆 Dann geht Klaus ins Bad. Na, wen haben wir denn da so alles, ist seine bange Frage, beim Öffnen der Duschkabine. Na nen kleinen Quaker 🐸. Den soll ich bitte sofort raustragen. Schön, erst mal kriegen den kleinen Superhüpfer… Geschafft! Jetzt bloß noch beim Öffnen der Tür aufpassen, dass statt Frosch, nicht die Affenbande reinstürmt. Erledigt. ✅ Jetzt kann Klaus in Ruhe duschen.
Das Glöckchen läutet, das Frühstück ist eröffnet. Auf dem kurzen Weg zur Speisehütte entdecken wir diesen hübschen, blauen Ara auf einem Holz sitzen.

Wenn er fliegt, verzaubert er sich zu einem leuchtend gelben Traum.

So intensive Farben!

Wieder sitzen wir allein an langer Tafel und erfahren, das heute Mittag neue Gäste kommen werden. Oh prima, Deutsche sind auch dabei.
Unser vormittäglicher Plan lautet, 9:15 Uhr treffen und Besuch einer nahegelegenen Community. Ahhh, da geht’s also zur obligatorischen Indio Gemeinde. Ich bin gespannt! Wer jetzt leicht bekleidete, bunt bemalte Indigene in Palmblatthütten erwartet, siehe unten, der wird enttäuscht sein.

Solche Anblicke gehören der Vergangenheit an. Heute leben sie wie alle anderen Ethnien in Brasilien auch und unterscheiden sich optisch, dank großer Vermischung, ebenso wenig.

Ortsschild mit Mülltrennung.
Zentraler Fußballplatz/Festplatz.
Dahinter liegendes Gemeindehaus.
Da mag es jemand lila!
„Dorfstraße“
selbsterklärend

Sie haben Strom, Wasser, TV, Internet !, eine eigene Verwaltung samt Bürgermeister, eine Schule und dies und das.

Apotheke
Dorfplan, gerade frisch gemalt.
Schulneubau

Bloß wo sind die Menschen? Schlafen wohl noch alle? Zur Arbeit muss hier keiner, es gäbe auch keine. Sie werden als indigene Gemeinde vom Staat alimentiert. Touristische Besucher stellen ein willkommenes Zubrot dar.

Aber Hundebabys sind schon wach 🥰.

Die freuen sich jedenfalls über unser Kommen❣️
Germano beantwortet unsere Fragen und führt uns weiter durchs Dorf. Im Tante Emma Laden kaufe ich eine Runde Eis und wir stellen fest, hier gibt es Starlink‼️Na das wird aber sofort genutzt, und wir checken unsere Mails und Nachrichten. 😛

Germano führt uns hinter die Kulissen. Ach, da sind ja Menschen. Ah, die unterhalten gerade eine größere Touristengruppe und sitzen im Stuhlkreis. Das würde ich auch gerne, um mehr vom Leben der Leute hier zu erfahren. Germano ist nicht sooo redselig. Nur so viel, die Gemeinde wächst eher, als dass sie schrumpft. Leute, die ihr Glück außerhalb der Community suchen, kommen eher wieder zurück. Die wirtschaftliche Lage ist generell schwierig, hier wissen sie was sie haben und das ist ihnen sicher. Er führt uns zu einem Tischler und Holzkünstler.

Dieser scheint sich aber auch noch mit etwas anderem zu beschäftigen. Klaus entdeckt es sofort. Ein Hovercraftantrieb steht mitten in seiner Werkstatt.

Das ist der stolze, junge Konstrukteur.

Klaus ist begeistert, mit welchen einfachen Mittel der Mann baut und konstruiert.

Auch Germano wird gesprächiger, übersetzt und freut sich über Klaus‘ Interesse an diesem Bootsantrieb. Anstoß war das extreme Niedrigwasser im letzten Jahr. Mit so einem Ding könnte man dann trotzdem noch fahren. Er, Germano, möchte auch sowas haben, meint er grinsend. Hm, da sollte er mal mit seiner Chefin sprechen, denke ich so. Doch dann stellt sich heraus, nach einer Frage von mir, er ist der Chef❗️😳 Er ist/war der Ehemann von Fabiola. Ach nee! Sie seien aber seit 2 Jahren getrennt. Sie hätten vor 15 Jahren das alles gemeinsam, Stück für Stück, aufgebaut und eine Familie gegründet. Der 18 jährige Sohn und eine 20 jährige Tochter, und die Lodge mit 10 Gästehütten sind das Ergebnis. Aber, das Leben bietet halt viele Überraschungen und so seien sie nun getrennt und er habe eine Freundin in der Stadt. Peng! Die Kinder leben ja auch in einem Ort außerhalb des Regenwaldes und mit Fabiola sei das alles so geregelt. Hahaha…, wer‘s glaubt. Für Klaus ist klar, er ist der Womanizer, der Fremdgeher, „das Leben bietet Überraschungen“, die Kinder haben Reißaus genommen und sind Out of Control, und Fabiola, die Gestrenge, hockt am A…. der Welt, mit 2 Peruanern auf ihrer Lodge fest. That‘s it! Tolle Familie, nichts als Ärger… 🫣. Auseinanderdividieren können sie sich sicher nicht und so macht halt jeder seinen Job, ob mit Lust oder Frust.
Zurück zur Community. Wir betreten den Souvenirbereich. Es gibt den Verkaufsraum und den Werksbereich, wo die Ketten, Anhänger und andere schöne Dinge aus Naturmaterialien hergestellt werden.

Das sind alles Früchte aus der umgebenden Natur.

Ich kaufe eine Kette und Ohrringe. Nixon hatte beim Frühstück darauf hingewiesen, Geld mitzunehmen. Ich gehorchte. 🙂‍↕️ Das ist das Ergebnis:

Bin mal gespannt, wie oft ich das tragen werde? 😉
Durch kleine Gärten geht es zurück zur Dorfstraße.

Aber zuvor noch die Hände waschen, bitte! Wenn das kein hübsches Handwaschbecken ist!
Für ausreichend Schärfe ist gesorgt. 🌶️

Wir laufen jetzt etwas raus aus dem Dorf und sehen gerodete Flächen, auf denen Maniok angebaut wird.

Maniok ist ein Wurzelgemüse

und hier ein absolut traditionelles Lebensmittel. Obwohl der magere, nährstoffarme Regenwaldboden kaum etwas hergibt. Und das ist ja dann auch das Problem der ärmeren Bevölkerung… Unter Präsident Lula hofft man nun auf Besserung.
Nixon holt uns an der Stelle, wo wir jetzt rauskommen ab und schifft uns nach Hause.

Ein ganz schöner Brocken, er könnte auch als Türsteher durchgehen.

Zurück, dauert es auch gar nicht lange und das Mittagessenglöckchen läutet. Da sind sie ja, die anderen Gäste. Ein deutsches, älteres Ehepaar und eine japanische Familie, Eltern und zwei Töchter im Teenageralter. Etwas komisch ist, uns wurde allen weit auseinander eingedeckt. Wieso?? 🤷 Da wird es plötzlich unruhig, wir gehen zum Geländer und sehen 2 kleine, kompakte Wildschweine an und unter der Speisehütte suchend schnüffeln. Die sind ja niedlich. Gut dass ich mein Handy dabei habe.

Niedlich und neugierig❣️
Starbild 🤩

Aber von uns gibt es nichts. Strengstes Fütterungsverbot! Dann ist für uns wieder Hängemattenzeit und wir analysieren die Familienverhältnisse und Verbesserungsvorschläge für die Lodge. Die Familie ist zerrüttet, aber die Eltern sind wirtschaftlich aneinandergekettet. Nicht gut! Dann die Lodge,

die 10 Gästehütten, die Speisehütte, die Meditationshütte, die Treffpunktüberdachung und versteckte Privathütten gibt es hier, sonst weiter nichts. Man könnte noch im Fluss baden gehen, die Piranhas lassen einen wohl in Ruhe, aber sonst? Internet: no, TV: no, im Speiseraum sitzen und sich unterhalten oder etwas spielen: no. Es bleibt nur die dunkle, stickige Gästehütte, mit 5 Betten darin. Die Meditationshütte kommt wohl nur bei vielen Gästen zum Einsatz, aber mehr als 2 Hängematten könnte man schon aufhängen. So, nun flott fertigmachen für den Nachmittagsausflug, aber kurz noch die Aras bewundern. Sie sitzen zu zweit auf dem roten Geländer.

Sie sind absolut nicht scheu.

Mit einem größeren Boot geht es zu einer einzelnen Familie im Regenwald. Okay… Das ist jetzt nicht so ganz der Brüller. Großeltern, Eltern und ein Kleinkind leben hier im Wald. Drei gemauerte Häuschen, ein kleiner Verkaufsstand für Ketten und Gedöns, eine riesige leere Pfanne über einem Feuerplatz, …

Da muss ich an die Spülmittelwerbung für eine riesige Paellapfanne denken…

und eine selbstgebaute Maniokraspel.

Von der Familie zeigt sich nur die Großmutter. Wir stehen erstmal alle etwas blöd herum. Und nun? Nun dürfen wir alle mal Maniok raspeln. Dabei raspelt sich die eine japanische Tochter den Finger ab. So scheint es zumindest. Es tropft Blut, sie schwankt, setzt sich auf den Boden und übergibt sich. Oh mein Gott! Und was macht Germano? Nichts. Er stellt sich noch weiter weg von uns und guckt hin und wieder unsicher. Hä? Der deutsch Gast kümmert sich sofort rührend, klärt die Lage, verfrachtet das Mädchen auf einen Tisch, Beine hoch und schaut sich den Schaden an. Es ist ein kleiner Riss zwischen Nagel und Nagelbett, nicht weiter schlimm. Aber das Mädchen, vielleicht 14 Jahre alt, braucht noch ein bisschen. Die Großmutter bringt auf Wunsch eine Flasche Hochprozentigen und kippt diesen über ihren Finger. Das Mädchen schreit… Jetzt muss der Finger aber ab sein. 😉 Nun schauen wir uns noch die Umgebung an und bestaunen die leckeren Früchte.

Ein vom Blitz getöteter Paranussbaum.

In unmittelbarer Nähe steht noch ein riesiges Exemplar. Auch Nüsse liegen herum, Germano erklärt und öffnet uns welche mit der Machete (sehr cool) zum Probieren.
Ich glaube, Germano liebt die Paranussbäume. Gefällt werden dürfen sie jedenfalls nicht mehr. Es herrscht ein absolutes Verbot. 👍

Die Nuss ist doppelt geschützt. Einmal in einer sehr harten Kugel und dann noch mal in ihrer eigenen harten Schale. Es gibt viel zu knacken! Wenn die Kugel frisch vom Baum fällt, liegen die Nüsse noch in einer geligen Feuchtigkeit, die dann geknackten Castanha do Pará schmecken köstlich. Viel, viel besser als die, die ich aus Nussmischungen von zu Hause aus kenne.
Die nächste Frucht trägt den Namen Cupuaçu und ist die mystische Regenwaldschwester des Kakaos. In Europa unterschätzt oder unbekannt, wird sie von den Brasilianern geliebt und ihr melonenhaftes Fruchtfleisch in vielen Speisen mitverarbeitet. Aus den Kernen lässt sich tatsächlich Schokolade herstellen, die aber weicher und geschmacklich fruchtiger rüber kommt. Vielleicht wird das ja jetzt interessanter, wo die Preise für Kakao so kräftig in den Himmel schnellen?!

Und die tolle Ananas, liegt hier einfach so am Boden herum. Na so wächst sie halt. Die sind bestimmt bald erntereif. 😋
Jetzt geht’s zurück, kurz wird noch nach Faultieren geschaut… Nix da.
1 1/2 Stunden bis zum Abendessen müssen noch rumgebracht werden. Der eine Deutsche geht baden, der Japaner sitzt im Essensraum und arbeitet konzentriert am Laptop. Häää? Da muss es ja doch Internet geben?!! Da werde ich beim Abendessen gleich nachfragen! Die Glocke läutet, und wieder sind die Gedecke von uns allen weit auseinander. Wir Deutschen schauen uns bloß an. Dann frage ich Nixon nach Internet. Ja, klar, sie haben Internet, aber es reiche nicht bis zu den Hütten. Und hier in der Speisehütte mögen sie es nicht, wenn die Gäste länger sitzen, raunt er mir zu. Sie wollen zügig ab- und aufräumen. 😳 Ich nicke, wir lassen uns den Code geben, das andere deutsche Paar auch, die Japaner haben ihn ja schon, und dann zuckeln wir in unsere Hütten zurück. Ganz ehrlich, das finde ich ziemlich unmöglich, uns dort nicht sitzen zu lassen! Es gibt keine anderen Plätze. Abräumen tun sie sowieso, sobald der erst die Gabel fallen lässt und Saubermachen könnten sie auch, wenn wir uns an einen der vielen anderen Tische setzen würden. Hm… Klaus versucht es in unserer Hütte. So eben noch kann er etwas empfangen, aber sehr langsam. Nee, da ziehe ich es vor einfach zu schlafen. Gute Nacht, mein analytischer Familienaufsteller 😘. Gute Nacht, meine Eventmanagerin 😘.

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