Tag 4
In den frühen Morgenstunden, die Zeit, in der ich versuche zu schlafen, macht Klaus mehrere Wenden, um wieder weiter in den Westen zu kommen. Die Böen sind mit bis zu 25 Knoten kräftig. Yuti kracht unzählige Male richtig hart in die Wellen rein. Die Schläge hauen mich aus meiner Koje. Ich liege ja recht weit vorne mit meinem Bett im Rumpf, und da sind sowohl die Schläge als auch der Lärm besonders schlimm. Ich könnte auch im Salon nächtigen, aber meine Seite vom Sofa ist schmal und etwas abschüssig. Auf Dauer bekomme ich da Rücken und Nacken und eingeschlafene Arme und … Geht also nicht wirklich. 🫤 Nun gehe ich aber hoch in den Salon. Es schüttet wie aus Eimern und das Segeln ist unangenehm! Die tropische Konvergenzzone lässt grüßen.


Hierbei kommen die Winde aus entgegengesetzten Richtungen, treffen aufeinander und schießen nach oben. Dabei kommt es zu heftigen Turbulenzen, mit Blitz, Knall und Bum sowie kräftigem Regen. Diese wabernde Zone bestimmt ganz vehement auch das Wetter über Panama. Darum gehen in regelmäßiger Kontinuität massive Gewitter auch über der Shelter Bay nieder. Wir haben viele von ihnen erlebt und immer ein bisschen befürchtet, ein Blitz könne einschlagen. Diese Gefahr besteht hier auf dem offenen Wasser natürlich erst recht. Aber zum Glück macht hier nur der Regen runter, kein Blitz zuckt, kein Donner grollt. Dann hört es auch auf zu schütten und wir segeln mutterseelenallein in die Weiten des Pazifiks. Weit und breit ist kein anderes Boot zu entdecken. Nur auf dem Plotter ist ein Fischtrawler zu sehen. Und, wie könnte es anders sein, hält der genau auf uns zu. Den müssen wir wohl im Auge behalten. Dann haben wir ihn aber auch schon hinter uns zurückgelassen.
9:00 Uhr, Tachozeit: 15.628 NM ergeben genau 100 Seemeilen an zurückgelegter Strecke.
Die Windrichtung ist sehr instabil, viele Schwibbel-Schwabbelwellen, garniert mit einigen merklich höheren Wellen, machen das Segeln sehr unruhig, kotz… Irgendwie wird mir erst jetzt so richtig bewusst, was es bedeutet, 1.000 NM gegen den Wind zu segeln. 🤪
Was gibt es denn heute zu Mittag? Ist das jetzt die passende Frage? Nun ja, heute gibt’s Bratwurst, die deutsche, mit Trüffeln, und dazu einen Tomaten-Gurken-Salat. Immer wenn ich zur Zeit runter in die Küche gehe, darin rumwerkel und mit den Ergebnissen wieder hochkomme, ist mir kodderich. 🤢 Da braucht’s wohl noch etwas mehr Gewöhnungszeit… Am späten Nachmittag lässt das Gewackel nach. Puhhh… Das Segeln wird angenehmer, die Konvergenzzone liegt so gut wie hinter uns.
Es ist komisch! Weit und breit ist außer uns kein Boot, kein Schiff zu entdecken, und plötzlich, wie aus dem Nichts, taucht ein Fischtrawler auf und hält mal wieder genau auf uns zu. Nicht zu verstehen! Ist das die Anziehung der Kräfte? Wir haben sooo viel Platz, und dennoch wird es knapp. 🤔 Ab Mitternacht verabschiede ich mich für die nächsten 4 Stunden und gehe schlafen 😴.
Tag 5
Es ist angenehmer geworden, das Segeln. Dafür waren es in der Nacht auch nur 2 bis 3 Knoten Speed over Ground. Das sehen wir jetzt am Tachometer.
9:00 Uhr, Tachostand: 15.711 NM ergeben 83 ersegelte Seemeilen. In Summe haben wir heute um 9:00 Uhr ganze 361 Seemeilen geschafft von guten 4.000. Nun ja, toll ist das noch nicht! Mittlerweile sind wir wieder zurückgekehrt, zu einer ruppigeren Segeltour, aber die Sonne lässt sich über Mittag kurz mal blicken. Da sie sich in der übrigen Tageszeit hinter einer raumgreifenden Wolkendecke versteckt, müssen wir täglich ca. für eine Stunde die Motoren laufen lassen, um über genügend Strom verfügen zu können. Tja, und dafür brauchen wir ja unsere schwächelnden Starterbatterien! Das Procedere sieht wie folgt aus. Der Inverter wird eingeschaltet. Der invertiert nun unsere 12 Volt in 220 Volt, speist damit das Ladegerät, welches damit wiederum die Starterbatterien lädt. Dann starten wir den linken Motor, danach den rechten. Das klappt bisher noch ganz gut, wobei der rechte Motor manchmal zwei Einladungen braucht. Jetzt schalten wir das Ladegerät wieder aus. Beide Motoren laufen und produzieren mit ihren Lichtmaschinen den benötigten Strom, der wiederum in unseren Starterbatterien und in unserer Hausbatterie gespeichert wird. Also ohne diese Stromzufuhr kämen wir rein mit unseren Solarpanels nicht hin. Wir produzieren zu wenig Solarstrom, oder verbrauchen zu viel, oder beides!?! Der Tag neigt sich seinem Ende, in Richtung meiner Nachtwache, da entdecken wir einen Frachter in weiter Ferne rumdümpeln. Und wo dümpelt der? Genau! Exakt auf unserem Kurs. Wir fahren direkt auf Kollisionskurs. Was macht der da nur?? Wieso fährt der nicht? Lässt der Verbotenes ins Wasser ab??? Nee, dafür hätte der sicher sein AIS ausgemacht. 🤔
Wir kommen immer näher und näher, da fährt er plötzlich los. Erst ganz langsam mit 1,5 Knoten, dann 8 und mehr. So wie es auf unserem Plotter aussieht, nimmt er wohl Kurs auf Galapagos. Aha…
Meine Nachtwache beginnt, und Klaus schläft sofort und augenblicklich ein. Der Wind nimmt ebenso flott zu und kommt mit Böen schnell auf 20 Knoten. Wir haben das Groß mittlerweile wieder voll draußen und das Jib natürlich dazu. Ab wieviel Knoten Wind sollte man beim Groß anfangen zu reffen? In dem Moment wo man das erste Mal daran denkt, gell? 🤓 Also war das bei 16, 18 oder 20 Knoten? Wo Klaus jetzt so schön schläft, möchte ich ihn nicht wecken. Also googele ich mal schnell. So, allgemein über alles, sollte man bei Wind zwischen 18 und 20 Knoten beginnen zu reffen. Gut, diese Windstärken haben wir jetzt, soviel steht mal fest. Ich lasse aber alles mal noch etwas so laufen. Alleine könnte ich sowieso nicht reffen. Gott sei es gedankt, muss Kläusi ja regelmäßig in der Nacht aufs Klo, und so kann ich ihn dann doch zeitnah fragen. Ja, stimmt meint er, bei 20 Knoten Wind sollte man ins erste Reff gehen, wir können aber Böen von 21/22 Knoten aushalten. Dazu kommt, dass das Groß voll draußen besser steht als gerefft, und die Vorhersage keine weitere Windzunahme ankündigt. Gut, dann bleibt alles so wie es ist.
Tag 6
Viertel vor 1:00 Uhr übergebe ich an Captain Klaus und lege mich umgehend schlafen. Es bleibt ungemütlich und unruhig. Ich kullere von links nach rechts in meiner Koje herum und kriege wieder ordentliche Schläge in die Rippen. Krawumm… Aber man gewöhnt sich ja an vieles. 🤪 So schlafe ich tatsächlich ein, wache aber gegen 4:00 Uhr spontan wieder auf. Yuti haut brutal in die Wellen, es spritzt übers Dach, es knallt und schlägt ohrenbetäubend. So kann ich definitiv nicht mehr weiterschlafen und gehe vor zum Salon. Abgesehen davon bin ich jedesmal überrascht, dass das Boot diesen Kräften standhält. So oft hört es sich an, als würde Yuti auf der Stelle zerbrechen. 🫣
Wir haben Böen von 23 Knoten! Das ist schon arg bei der Besegelung, die wir momentan drauf haben. Aber jetzt reffen??? In dunkelster Nacht??? Wir bereiten uns mal vor, warten aber noch ab. Der Wind verschnauft für einen Moment. Wir reffen n i c h t. Dann legt er wieder zu, wir reffen n i c h t.
Es ist 5:00 Uhr, ich muss auf Toilette und stelle fest, unterhalb des Kühlschranks steht Wasser. Ich will nachschauen und öffne ihn. In diesem Moment schießt mir der restliche Eier-Tomaten-Gurken-Kartoffelsalat von gestern entgegen und ergießt sich über mir, den Küchenschränken und dem Küchenboden. Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin ‼️Alles ist verspritzt und mit dem Salat und der Mayonnaise überzogen. Auch mein T-Shirt, Hose, meine Beine , Sandalen und Füße sind mit Eiern, Kartoffeln und Gurken dekoriert und mit Mayonnaise verschmiert. Ich stehe da wie erstarrt und kann nur noch entsetzt glotzen. 👀 Als sich die Starre löst, möchte ich weglaufen… Dann, eine Küchenkrepprolle später und ner Dusche meiner Beine, Schuhe und Füße, habe ich die Situation wieder einigermaßen im Griff. Nur der leckere Salat ist jetzt bei den Fischen, wie schade! 😔 Und mir ist leicht übel 🤢. Es hat mich natürlich ganz schön hin- und hergeworfen, bei dieser ganzen Aktion. Eigentlich konnte ich fast nur auf meinen Mayonnaise verschmierten Knien rumrutschen und das Abduschen ging auch nicht ohne neue blaue Flecke. Tja, das Leben an Bord ist kein Kinderspiel. Übrigens, gerefft haben wir n i c h t. Die Besegelung bleibt.
Um 6:00 und 7:00 Uhr sind unsere Müttergespräche an der Reihe, und ein Sturmvogelpaar hat auf unserer Reling Platz genommen und die Nacht verbracht und ordentlich gekackt.
Es ist 9:00 Uhr, Tachotime. 15.818 NM ergeben 107 gesegelte Seemeilen.
Dann sieht Klaus mit seinen geröteten Augen, dass sich unsere Angelleine unters Boot gezogen hat.

Oh Scheiße❗️ Die hat sich wohl mit dem Ruder und/oder Propeller verwurschtelt. Shit, shit, shit… Wie ist das nur möglich? Klaus fuhr in der Nacht 2, 3 Manöver und dabei muss es passiert sein. An die Angelschnur hatte er gar nicht mehr gedacht. Was nun❓Da muss wohl einer von uns beiden ins Wasser. 🫢 Ich? Nein du! Sollen wir Streichhölzer ziehen? Nein. Klaus erbarmt sich, er wird in die ruppige Salzsuppe steigen. Doch zuvor müssen wir reffen! Nein, nicht nur reffen. Die gesamte Besegelung muss runter, damit Yuti möglichst wenig Fahrt hat. Dann müssen Flossen und Brille aus der Segelluke vorne geholt werden, das mach dann mal ich. Das Runterholen der Segel hat geklappt,…

Klaus zieht seine Badehose an,…

ich will ihm gerade noch eine Sicherungsleine um den Bauch legen, da sehen wir,….. die Angelleine hat sich von alleine gelöst. Wir können sie vorsichtig bergen. Jippie 🙌!!!

Mensch, da ist Klaus aber erleichtert!!! Jetzt muss er nicht ins Wasser, was ein Glück❣️ Durch das Anhalten des Bootes und die gegen uns laufende Strömung, muss sich die Leine wieder befreit haben. Toll❣️ Nun müssen wir Yuti aber schleunigst wieder auf Kurs bringen. Die Motoren laufen sowieso schon, also ab in den Wind, das Groß wieder rauf, ganz rauf, sowie das Jib raus. Ja, wir haben ein sichtbares Stück an Höhe verloren und kämpfen uns wieder zurück. Jetzt haben wir HUNGER! Toasts müssen für‘s erste reichen. 🥪🥪 Wir sind nun den sechsten Tag auf See und schon ganz schön abgerissen, Yuti, Klaus und ich. Alles ist wieder mit einer schmierigen Salzschicht überzogen, garniert mit etwas Mayonnaise. Wir sind ungewaschen, Klaus hat Bartstoppeln, meine Kleidung ist besudelt und die Haare zerzaust. Jepp, wie sagte ich schon des Öfteren? Man wird auf so einer Reise nicht schöner!!! Blaue Flecken vom Umherstolpern zieren die Haut, geklemmte Finger schmerzen oder verdrehte Knie, abgesplitterte Fingernägel, müde rotgeäderte Augen und klebrige Haut sind nur einige der unschönen Begleiterscheinungen. Hoffentlich wird es dann doch irgendwann ruhiger, dass man sich und das Boot wieder etwas auf Vordermann bringen kann.
Seit heute Mittag hat es sich etwas beruhigt, als hätte das Wetter Erbarmen. Ich kann sogar duschen, ohne hin- und hergeschleudert zu werden. Just im Moment müssen wir einer seltsamen Flachstelle ausweichen. Ein Seeberg? Dafür muss der Kurs geändert und ein Umweg gemacht werden. Danach wieder zurück auf unseren alten Kurs nach Westen zu gelangen, stellt sich als unmöglich heraus. Der Wind hat wieder einmal gedreht und schickt uns nun nach Süden. Vier Sturmvögel haben erneut bei uns Platz genommen, kämpfen aber gehörig mit dem Geschaukel! Vor, zurück, vor, zurück, Flügelgeflatter, vor, zurück…

Eine große Delphinschule zieht an uns vorbei. Da wir nicht schnell genug sind, ziehen die Tiere flott weiter, ohne mit Yuti zu spielen. Doch schön ist es, sie pusten zu hören und springen zu sehen❣️Die Sonne geht hinter den Wolken schlafen, meine Nachtwache steht an, Klaus legt sich auf die Seite. Die Besegelung sieht wie folgt aus. Volles Groß und Screecher. Jepp, kurzzeitig hatten wir sogar noch das Jib mit dabei, also alles was geht.

Diese drei Segel harmonieren jedoch nicht sehr gut miteinander, und so muss das Jib doch wieder rein. Zur Nacht aktiviert Klaus die Windsteuerung. Ach wie nett! Dann habe ich es einfacher, muss nicht auf die richtige Segelstellung achten, sondern nur darauf, dass wir nicht plötzlich ganz woanders hinschippern. Für unseren Autopiloten bedeutet das allerdings bedeutend mehr Arbeit. 😅 Hoffentlich fängt er da nicht irgendwann an zu streiken!
Der Wind nimmt dann jedoch entgegen der Wettervorhersage deutlich zu und pustet uns mit 18 Knoten ins Gesicht. Viel zu viel fürs Screecher! Es muss wieder rein und Klaus seine Nachtruhe unterbrechen. Also fallen wir ab, rollen das Screecher rein und das Jib wieder raus. Dann krebsen wir zurück auf unseren Kurs, nehmen die Windsteuerung wieder rein, und so geht es ganz gut durch die restliche Nacht.
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