Tag 7
Tag 7 verläuft ähnlich wie Tag 6. Wieder werde ich sehr schnell aus meiner Koje geworfen, das Segeln ist ruppig, wir preschen weiter voran mit voller Besegelung. Warum? Wir wollen bis spätestens morgen früh den Windschatten der Galapagos Inseln erreicht haben. Es werden 2,5 Meter Wellen vorhergesagt. Upsi, die wollen wir nicht unbedingt haben. Im Windschatten wären wir vor dieser Wetterlage geschützt. Dann mal hurtig! Gut ist, wir haben zum ersten Mal 1,1 Knoten Strömung mit uns! Wow!!
9:00 Uhr, Tachozeit. 15.926 NM stehen drauf, 108 Seemeilen kommen aufs Konto.
Am späten Nachmittag steuern uns wieder Tölpel und Sturmtaucher an und kämpfen um die besten Plätze.
Auf und nieder, immer wieder! Es scheint sie nicht zu stören. Nur Artgenossen, die sich noch zwischen sie setzen wollen, werden nicht akzeptiert.




Er rutscht ab und stranguliert sich fast. Meine Güte….
Jetzt schauen wir uns mal an, wo wir zum Inselwellenschatten stehen.

Hmm, das reicht noch nicht!

Drei Stunden später, wir sind noch immer nicht weit genug, aber schon im Randbereich. Meine Nachtwache läuft, das Wellenbild ist unruhig, aber Vorkommnisse gibt es keine. Sieben Seevögel haben es sich bei uns „bequem“ gemacht. Sogar auf der rechten, unbeliebten Seite sitzen drei.


Tag 8
Um 1:00 Uhr schaue ich nochmal bei Windy, der Wetter App.

Jepp, wir kratzen immer noch an der Wellenscheide. Das ist mir jetzt aber egal, ich muss jetzt dringend schlafen!
Um 6:00 Uhr habe ich mein Mütterlein-Gespräch. Sie ist in heller Aufregung, ihr Weihnachtspäckchen für Alva, ihre Urenkelin, ist noch nicht angekommen, und es sind so schöne Kleidungsstücke drinnen. Auch das Kleidchen, was sich Alva gewünscht hatte. Tja, auch das läuft nicht mehr rund in Deutschland, auch DHL macht mehr und mehr Probleme. Sie soll mir mal die Paketnummer geben, dann kann ich nachschauen….
Bei uns geht es ruppig weiter, aber 2,5 Meter hohe Wellen haben wir noch nicht. 9:00 Uhr, der Blick auf unser Tachometer wird fällig. 16.086 NM lese ich ab, das ist ein Zuwachs von 160 Seemeilen. Was??? Kann das jetzt sein? Ich rechne noch einmal und überprüfe die Zahlen. Doch, es stimmt! Poah!! Da haben wir ja einen 6,7ner Schnitt! Net schlecht! Darin versteckt sich natürlich die schiebende Strömung von einem Knoten. Und das wird ja noch viel besser. 🤗
10:30 Uhr, wir verkleinern das Großsegel auf‘s erste Reff. Der Wind ist wieder um 2 Knoten stärker als angesagt, und uns wird das jetzt zu heiß! Aber auch so segeln wir flott voran und etwas entspannter noch dazu. Da kann ich ja mal unsere hartgesottenen Seevögel beobachten.
Diese drei Gefiederten finden sich immer wieder bei uns ein und sitzen sehr friedlich nebeneinander auf der Stange. Während die anderen noch jagen, genießen sie die Ruhe an Bord und entspannen. Nicht einmal gehen sie dem so wichtigen Fetten der Federn nach. Aber sie pupen, das geht wohl immer 💩.
Um 20:00 Uhr riskiere ich nochmals einen Blick auf die Karte.

Na also! Da sind wir ja jetzt mitten in der Wellenabschattung von Galapagos. Prima ✅.
Tag 9
Wir nähern uns immer mehr dem kühlen Humboldtstrom. Und immer mehr der fliegenden Fischjäger stellen sich bei uns ein. Das Wasser wird hier wohl auch deutlich fischreicher sein. Bald passieren wir die Galapagosinseln querab. Das ist Seemannssprache und meint, dass man im Winkel von 90 Grad zur Kiellinie eine Insel oder ähnliches passiert.
Es ist bedeckt und regnerisch, der Wind nimmt zu und ich denke, wir werden gleich auf Reff 2 gehen, um die Segelfläche nochmals zu verkleinern.
9:00 Uhr, Zeit den Tacho abzulesen. 16.239 NM bedeuten 153 ersegelte Seemeilen. Prima 👌.
Über den Tag nimmt die Windgeschwindigkeit wieder etwas ab, wir bleiben aber bei Reff 2 und haben einen schon fast entspannten Segeltag. Was man für die Seevögel nicht sagen kann. Sie sind heute auf Krawall gebürstet und verteidigen vehement ihre ergatterten Plätze oder kämpfen mit der Schwerkraft bei schwabbeligem Wellengang.
(Video oben) Der zweite Vogel von vorne hat sich eine selten dämliche Stelle zum Sitzen ausgesucht. Man achte auf seine Schwimmfüße. Sie vibrieren regelrecht auf der mittigen Reling. Und der erste bekommt das große Würgen…
(Video oben) Da ist ja was los! Die üblichen drei Stangensitzer verteidigen mit allen Mitteln ihre Position und kabbeln sich dann auch noch untereinander im Eifer des Gefechts. Dem einem reicht‘s, er nimm Reißaus.
Tag 10
Über Nacht ist es merklich unangenehmer geworden. Einerseits hat der Wind wieder zugenommen, andererseits wechselt er andauernd seine Richtung. Die Wellen sind entsprechend hoch und kommen aus allen Richtungen. Wir haben eine geschlossene Wolkendecke, es ist diesig und regnerisch. Alles ist nass, rutschig und klamm, auch im Innern des Bootes. Kühl ist es obendrein. Bäääh! Es wird nun deutlich später hell, aber auch entsprechend später dunkel. Circa 30 Seemeilen sind wir gerade querab von den Galapagosinseln Darwin und Wolf entfernt. Zwei sehr interessante Inseln des Galapagos Archipels. Die Insel Darwin natürlich nach Charles Darwin benannt, die Insel Wolf nach dem deutschen Botaniker und Geologen, Theodor Wolf. Beide Inseln sind unbewohnt und stehen unter strengem Naturschutz. Darwin ist einen Quadratkilometer groß, mit einer höchsten Erhebung von 165 Metern. Bis 2021 besaß sie auch noch den berühmten Darwinsbogen, eine Steinformation, die dann leider durch natürliche Erosion einstürzte. Wolf ist mit 1,3 Quadratkilometern etwas größer, besitzt aber keine nennenswerte Erhöhung. Beide Inseln sind wahre Naturparadiese. An Land tummeln sich Robben, Leguane und viele Vogelarten, wie auch der hübsche Blaufußtölpel. Das Wasser beherbergt riesige Schulen von Hammerhaien, Tigerhaien, Weiß- und Schwarzspitzenhaien, Walhaie ziehen vorbei und viele Meeresschildkröten und gigantische Mantarochen tummeln sich nahe der Inseln. Es soll sich hier um die besten Tauchspots der Welt handeln. Doch das ist, zumindest bei Darwin, verboten und bei Wolf nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Was aber beide Inselchen einmalig auf dieser Welt macht, sind die dort lebenden Vampirfinken. Diese spezielle Finkenart gibt es nur und ausschließlich dort. Das Besondere ist, sie trinken das Blut anderer Vögel. Zum Beispiel das der Blaufußtölpel. Aber nur in der Regenzeit, wenn es für sie keine Insekten oder Samen zu futtern gibt. Noch ein Knaller ist, dass sich die Finken beider Inseln auch noch von ihrem Gesang her unterscheiden. Auf Darwin geben sie kurze, surrende chirrrp Laute von sich, auf Wolf ein zweistimmiges, melodisches chew chew.
Theoretisch könnten wir versuchen ganz nahe vorbeizusegeln. Tun wir aber nicht, aus mehreren Gründen. Der wichtigste Grund ist, invasive eingeschleppte Arten können den dortigen Bestand ruinieren. Und wir haben seit Panama eine wirklich lästige Fliege an Bord. 🪰 Man weiß ja nie! Ein zweiter Grund sind Wind und Welle, die uns ein Näherkommen sehr erschweren würden, und die schlechte Sicht durch Fisselregen und Diesigkeit spielen auch noch eine Rolle. Also querab. 😉
9:00 Uhr, Tachozeit! 16.383 NM ergeben 144 dazukommende Seemeilen. Alles Bisherige addiert, ergibt eine Summe von 1.033 zurückgelegten Meilen. Passt! Bis Galapagos waren 1.000 Seemeilen kalkuliert. ✅
Es rumpelt und pumpelt, schwibbelt und schwabbelt, dass man sich kaum auf den Beinen halten kann. Ich fühle mich wie in einer Waschmaschine, die auch noch laufend kotzt. Ja, Yuti gibt schon eine geraume Weile wieder derbe Kotzgeräusche von sich. 🤮 Schön ist anders!
Einige Zeit später am Tag wird es tatsächlich besser… Die Sonne lugt raus, der Wind und etwas verzögert auch die Wellen lassen etwas nach. Nun ist es besser auszuhalten und ich mache mich ans Kochen. Ich koche Kartoffeln, bereite einen Rote-Beete-Salat zu und haue Eier in die Pfanne. Lecker 😋! Doch richtig zufrieden ist Klaus nicht. Ihm, aber auch mir, liegen unsere Starterbatterien immer schwerer im Magen. Denn trotz unserer Methode des „Vorglühens“ springt der rechte Motor immer zögerlicher an. Das Schickenlassen von Mastervolt Batterien aus Deutschland funktioniert nicht, und Miss Tu von Seawind deutete ebenfalls an, dass es sehr schwierig werden würde und sehr teuer dazu, Batterien nach Französisch Polynesien zu versenden. Sie bemüht sich um ein Angebot. Hmm 🧐… Da fällt Klaus Tim wieder ein, der Mastervolt Fachmann aus Neuseeland, der uns schon einmal auf der Strecke von Brasilien nach Grenada so wunderbar half. Damals konnten wir unsere Hausbatterie nicht mehr laden, auch ein ziemlich großes Problem. Tim meldet sich sofort. Er lässt sich unser Problem schildern und empfiehlt Klaus einen Spannungstest direkt an den Starterbatterien selbst vorzunehmen. Okay, können wir aber gerade nicht machen, da wir im Moment die Hausbatterie laden. Den Test machen wir dann morgen und whatsappen ihm das Ergebnis am Montag.
Die quälende Frage ist, was machen wir nur, wenn sich die Motoren nicht mehr starten lassen? Dann sind wir eigentlich so ziemlich am Arsch. Und das mitten auf dem Pazifik, viele, viele Meilen vom Land entfernt….
Übrigens, sehr, sehr viele Vögel sitzen wieder auf unserer Reling und scheißen aus alle Löchern. Unser Boot ist zu einer Guanohalde geworden. Die Kacke läuft schon über die Rümpfe und Fenster und Haufen türmen sich an Deck auf. Ganz zu schweigen von den unzähligen Tintenfischen und ihren blauschwarzen Tintenflecken. 🫣 Eigentlich müssten wir dringend saubermachen, was aber bei dem Seegang absolut unmöglich ist!
23:00 Uhr, meine Nachtwache. Ich stelle fest, die Strömung hat gut zugenommen. 1,7 Knoten schieben uns kräftig voran. Wir sausen zwischen 7 und 7,5 Knoten durchs Wasser.
Um Mitternacht haben wir schon 1,9 bis 2 Knoten Strömung. Wir fliegen mit 8 Knoten dahin. Jippie 🥳!
Und jetzt gehe ich schlafen 😴.
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