Klaus, wir haben ein Problem‼️

Immer wenn Klaus das sagte, hatten wir ein echtes Problem. Sagen wir es mal so, dann war die Kacke am Dampfen. Jetzt sage aber ich es, und die Kacke dampft nicht nur, sie kocht. Und ob sie noch explodieren wird, wer weiß ❓

Tag 11

Meine Nachtwache geht bis 1:30 Uhr. Dann löst mich Klaus ab und ich verschwinde umgehend in meinem Bett.
Wir haben durchgehend eine gute und schnelle Fahrt. Die Strömung nimmt, während ich schlafe, weiter zu, bis auf 2,4 Knoten. Trotz Reff 2 und Jib kommen wir flott voran. Mit 7 bis 8 Knoten segeln wir von dannen und lassen Galapagos schnell hinter uns.
9:00 Uhr, der Tacho wird mal wieder befragt. Er steht nun bei 16.551 NM und 168 Seemeilen wurden somit vertilgt 😋. Neuer Rekord! 2.500 NM werden wir jetzt immer geradeaus gen Westen segeln, bis wir die letzten 500/600 NM südlich auf die Marquesas zuhalten. So der Plan. Jetzt muss nur noch der Wind drehen und von hinten blasen, dann könnte es richtig nett werden. Doch von vorne kommt er schon gar nicht mehr, er bläst jetzt seitlich in die Segel. In der Fachsprache heißt das „halber Wind“. Das ist gar nicht übel, so müssen wir nicht mehr hart am Wind segeln und gegen die Wellen bolzen.
Wir frühstücken erstmal amerikanisch. Rührei, Kartoffeln und Speck? Nein Speck nicht sondern den Rest vom Rote-Beete-Salat. So gestärkt machen wir uns an den Spannungstest der Starterbatterien. Klaus hält das Messgerät an die schwächere rechte, ich starte, nichts passiert. Das wiederholen wir noch zweimal, der Motor lässt sich nicht starten. Die Spannung der Batterie fällt hingegen auf 7 Volt. Schlecht! Jetzt kommt die linke Batterie dran. Ich starte, der Motor quält sich, springt aber an. Die Batterie fällt aber währenddessen auch auf 7 Volt runter. Jetzt schaltet Klaus beide Batterien parallel, ich starte den rechten Motor und der springt sofort an. Dieses Testergebnis fasst Klaus zusammen und schickt es Tim nach Neuseeland. Der ist jetzt bereits im Wochenende und schaut dann am Montag drauf. Wir machen erstmal wieder Strom, denn es ist stark bewölkt und die Solarpanels bringen gerade nicht viel.
Mittags bläst der Wind mit mehr als 21 Knoten, die Strömung schiebt mit 2,7 Knoten und Yuti segelt mit dollen 10,2 Knoten über Grund voran. Später wird die Strömung noch auf 2,9 Knoten anwachsen. Tolle Schubkraft! Tristan, unser englischer Freund seit der Malediven Yacht Rallye schreibt Klaus, Yuti ist nicht zu stoppen… Er verfolgt unseren Tracker und hat uns im Blick. Nett 😁.
PLÖTZLICH SEHE ICH ES. Auf dem Sofa liegend, schaue ich links aus dem Fenster, und vier abstehende Stahldrähte stechen mir ins Auge. Oh mein Gott, Klaus, wir haben ein Problem, die Want löst sich auf. 😱

Wow, das sieht nicht gut aus! Bei genauem Hinsehen sind von 19 Drähten 6 gerissen, gebrochen und kaputt, 4 davon staksen heraus. Schnell ein Blick auf die andere Seite. Auch da sind 2 Drähte gerissen, die anderen schon leicht gewölbt. Damit ist uns sofort klar, der Mast ist nicht mehr stabil. Bricht auch nur eine Want komplett, macht der Mast mit allem drum und dran beim nächsten Wellenschlag den Abgang, mit Folgen, die wir dann nicht mehr übersehen oder gar beherrschen können.

Die andere linke Seite.
Rechts ist schon alles in Auflösung.

Sprachlos schauen wir uns an. Was tun wir jetzt? Wir müssen für zusätzliche Stabilität sorgen. Okay. Zwei stabile Leinen werden vorbereitet. Groß und Jib müssen runter und eingerollt werden. Klaus macht sich fertig, steigt in den Bootsmannstuhl, ich ziehe ihn hoch in den Mast. Da es sich um die kleinen Wanten handelt, die die Mitte des Mastes halten, muss Klaus zum Glück nicht ganz bis nach oben.

Hoch ist es trotzdem. Zum Glück scheint ausnahmsweise mal die Sonne.

Oh Mann, den Schreier muss er erstmal los lassen. Werfen ihn Wind und Welle doch schmerzhaft von rechts nach links an den Mast. Aber schnell hat er die beiden Leinen oben befestigt und kann sich von mir wieder abseilen lassen. Nun gilt es die Leinen rechts und links unten an den Stahlhalterungen der Wanten zu befestigen und sie irgendwie auf Spannung zu bekommen. Letztendlich hilft je ein großer Maulschlüssel, mit dem die Leine durch Drehen auf Spannung gezwirbelt wird. Na ja, es geht so la la.

Rechte Seite.
Linke Seite.

So, die Leinen sind gespannt und sollen eigentlich die Wanten entlasten und bei Totalabriss den Mast halten. Während der Prozedur wurden wir beobachtet. Beobachtet von vielen großen, toten Augen…

Unzählige Tintenfische liegen festgeklebt an Deck und stinken vor sich hin. Die Seevögel interessieren sich nicht die Bohne für sie und lassen sie einfach links liegen. Dann muss ich die mal absammeln und über Bord schmeißen.
Und was nu Herr Kapitän? Nicht verzagen, Mike Rees fragen, den General Manager von Seawind. Natürlich ist mal wieder Wochenende, aber Mike meldet sich flott, wie immer. Und jetzt wird erstmal viel hin und her diskutiert, Fotos gemacht und die Lage besprochen. Mike will auf jeden Fall den Rigger von Seawind kontaktieren, bekommt ihn aber gerade nicht zu fassen. Wir ziehen mit Absprache das Groß auf Reff 3 hoch und das Jib wieder raus. Nun, mit viel weniger Segel, sind wir natürlich sofort deutlich langsamer. Sechs Knoten sind jetzt das höchste der Gefühle, wobei auch der Wind abgenommen hat. Zum Glück bekommen wir mit 3,2 Knoten Strömung gute Unterstützung. Jetzt wird es ganz besonders wichtig sein, diese Strömung nicht zu verlieren!
Ach Gottchen, was ist uns da nur passiert?! So richtig klar ist uns die Situation, mit all ihren Konsequenzen noch nicht wirklich. Die erste Überlegung war, zurück zu segeln, zurück nach Galapagos, dachte auch Mike. Aber das hält Klaus für ein wahres Himmelfahrtskommando. Wir sind schon circa 400 Seemeilen von den Inseln entfernt, und wir müssten voll gegen die starke Strömung und hohe Wellen ankämpfen. Spätestens dabei würden die Wanten wahrscheinlich abreißen. Dazu kommt noch, dass es auf Galapagos keine Bootswerft oder Ähnliches gibt. Was machen wir dann da? Und laut Internet gibt es doch tatsächlich eine Bootswerft auf Hiva Oa, der Insel, die wir als erstes anlaufen, um uns dort einzuklarieren…
Die Nacht hüllt uns ein, mit Taschenlampe überprüfen wir stündlich die Situation der Wanten und überlegen, was wir bei Abriss und Mastverlust noch tun können. Klaus weiß von Erfahrungsberichten und Fachaussagen, wenn eine Want in Auflösung ist, geht das weiter. Der Prozess ist nicht mehr zu stoppen. Auweia. 🫨
Nichts desto trotz versuche ich jetzt mal zu schlafen. Für Klaus eine echte Unmöglichkeit. Viel zu viele Gedanken kreisen in seinem Kopf. Weitere, helfende Konstruktionen werden durchdacht, Ursachenforschung betrieben und, und, und… 🧐 🤔 🤨… hoffentlich gibt’s nicht mal nen Knall 💥 im Oberstübchen 🤯! Aber was wird Mike in ein paar Stunden zu ihm sagen? Er bewundert Klaus‘ mentale Stärke!

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