Tag 29
Fast hätte ich verschlafen, denn meinen Wecker vergaß ich zu stellen. Dann bin ich aber doch kurz nach 7:00 Uhr im Salon. Klaus sitzt aufrecht und schaut konzentriert auf den Plotter. Der Wind bläst stark, bis 23 Knoten, und hohe Wellen hauen seitlich auf Yuti ein. Auch die Strömung drückt uns ordentlich, aber viel zu weit nach Westen. Um den Kurs anzupassen sind Wind und Welle zu stark, das können wir nicht riskieren. Also warten wir ab. Mit guten 8 Knoten preschen wir so schon durchs aufgewühlte Wasser. Da bin ich doch mal sehr gespannt was unsere Seemeilen ergeben, wenn ich jetzt, es ist 9:00 Uhr, auf den Meilenstand schaue.
Yeah 🥳, 1 7 0 Seemeilen kommen aufs Konto, 18.335 NM ist der Stand. 🎉 Da kann unser Zählwerk ja doch die 170 erzeugen. Oder der Wichtel hat seinen Daumen runtergenommen…
Aber was sagen die Wanten, unsere stets bange Frage? Unverändert, flüstern sie. Puhhh 😮💨.
Und genau um 9 Uhr, 41 Minuten und 43 Sekunden, schaut die Sonne über den Rand des Horizonts.

Da ist sie schon etwas weiter draußen. So schnell konnte ich den Foto nicht zücken!

Halbzwölf, meine Güte, was fetzen wir durchs Wasser. 😬 So war das wieder überhaupt nicht vorhergesagt! Wind und Welle fordern alles von Yuti und uns. Weiter abfallen vom Wind geht nicht, wenn wir überhaupt noch Hiva Oa erreichen wollen! Was ist das nur wieder für eine Zwickmühle für unseren Navigator, Klaus. Klaus ist ja sowieso Kapitän, Skipper, Navigator, Ingenieur, Reparateur, Planer und Immigrationsbeauftragter in Personalunion. Habe ich was vergessen? Bestimmt! Also herausfordernd ist diese Überfahrt allemal! Besonders unter den bootsbedingten Erschwernissen. Die Länge der Reise ist es definitiv nicht. Aber wenn ich Revue passieren lasse und diesen Schlag mit den vorhergehenden vergleiche, Atlantik und davor der Indische Ozean, kann ich nicht die allgemeine Meinung bestätigen, es würde immer leichter werden.
Und irgendwie langt es mir auch jetzt. Obwohl die Sonne so schön scheint, habe ich keinen Bock mehr auf das ständige Geschaukel und die Angst um unseren Mast! Ich frage mich, ob wir bei einem anderen Kurs ähnliches erlebt hätten? Eigentlich kannte ich nur Geschichten von laminarem Wind von hinten, dem Hissen des Leichtwindsegels und das war‘s, ab Galapagos natürlich. Wäre das auch für uns möglich gewesen? Wohl eher nicht! Erstens haben wir keinen Stopp bei Galapagos gemacht, daher waren wir per se schon viel weiter nördlich unterwegs, dann war der große Strom unser Ziel und 400 Meilen nach Galapagos rissen die ersten Drahtseile. Da wurde die hilfreiche Strömung nochmals umso wichtiger. Was soll‘s! Es ist, wie es ist. Es ist immer, wie es ist! Es ist, was es ist, sagt die Liebe… Jetzt werde ich auch noch poetisch, dabei bin ich eigentlich muffig drauf! Also eher so: Es ist, wie es ist, sprach die Welle und klatschte mir eine ins Gesicht. 🌊
Da wird der Wind doch tatsächlich etwas ruhiger, die Wellen folgen. Durchschnaufen! Es kommt der Moment, wo das Kochen wieder Thema wird und das Hüngerchen sich meldet. Okay. Ich spucke dann mal in die Hände und fabriziere Zwiebel-Reis-Bällchen in Parmesan, mit einer Tomaten-Bolognese-Sauce. Wir lassen es uns schmecken . 😋
Mensch, so schnell kann eine Lösungsidee wieder begraben werden. Eben erhält Klaus die Nachricht, dass der Powerbooster, zum Starten unserer Starterbatterien, bei Amazon bestellt, zu Larissa geschickt, von ihr auf die Reise nach Übersee gebracht, in Rodgau aussortiert wurde. Gefahrgut! Stopp! Raus! Aus! Ist das blöd und schade zugleich!!! Diese Lösung für unsere schwachen Starterbatterien ist somit dahin. Jetzt geht es wieder von vorne los mit der Recherchiererei und der Lösungssuche.
21:02 Uhr, es macht knack und klong. 😳 Ich drehe mich um, und fast alle Stahlstrippen der rechten Want sind abgerissen. Oh scheiße‼️‼️‼️ Vielleicht sind noch 2 oder 3 des inneren Siebenerstrags verblieben?


Aber die machen sicher auch gleich knack❗️
Notfallplanmäßig machen wir uns sofort an die Arbeit, zum Glück ist es noch hell! Die Motoren werden gestartet und das Boot in den Wind gefahren. Das Groß wird runtergeholt, das Jib eingerollt, die gegenüberliegende Want überprüft (die ist noch unverändert) und die Nothalteleinen etwas angezogen. Dann sitzen wir ganz ruhig und still im Salon, als könnten wir es noch abwenden und warten…
21:42 Uhr, Knall 💥, die Want ist ab. Nothalteleine und Wantrückhaltekonstruktion hält.

Kurz vor Mitternacht haben wir noch das Fall vom Screecher als zusätzliche Unterstützung um den Mast geschlungen, an der hinteren rechten Klampe befestigt und mit der Winsch gesichert.

An Schlafen ist überhaupt nicht mehr zu denken. Es glühen die Hirne, nach Lösungen suchend. Jeder einzelne Wellenschlag tut körperlich weh! Klaus kontaktiert erneut Mike, von Seawind.
Tag 30
Eine Sicherungsleine wird nochmal etwas verändert und wir spielen mit der Bootsgeschwindigkeit, um die Kreuzsee und Großwellen möglichst sanft zu nehmen. Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen. Ohne Segel, mit einem Motor und niedriger Umdrehung fahren wir langsam mit 3, 4, maximal 5 Knoten voran. 360 Seemeilen Luftlinie sind es noch. Wir hoffen es in 3 Tagen bis Hiva Oa geschafft zu haben, mit stehendem Mast, bitte schön. 🙏 Glücklicherweise hatte sich die See ja beruhigt und beruhigt sich auch noch weiter. Überraschend, dass die Want gerade da dann knackte. Auch die Richtung des Schwells, der Großwellen, hat sich zu unseren Gunsten entschärft. Nun kommen sie immer mehr von hinten, und das unsägliche, seitliche Gewackel hat vorerst ein Ende. Gut für uns, gut für den Mast und die verbleibenden Wanten! 9:00 Uhr, auch heute schaue ich wieder auf unseren Meilenstand. 19.499 NM lese ich ab und komme auf 164 motorte Seemeilen. Gut.
Anderes „Problem“. Die dreckige, stinkende Wäsche nimmt überhand und wächst uns schier über den Kopf. Ich sollte waschen! Ich fürchte nur, Milady Waschmaschine wird bei Seegang nicht schleudern. Obwohl der Wind mittlerweile so gut wie eingeschlafen ist, und wir ohne Motor gar nicht mehr vorankommen würden. Da passt es ja „gut“, dass wir nicht mehr segeln dürfen und stattdessen jetzt mindestens einen Motor durchgehend laufen haben. Ha, ha, ha…
Der Diesel wird wohl reichen, und der Watermaker läuft auch schon. Wie gesagt, wir sollten tunlichst noch auf offener See Wasser machen, denn in der Ankerbucht soll es ja nicht so sehr sauber sein. Allerhopp, nun mache ich mich mal an die Wäsche. Es werden 6 Maschinen und 5 davon ohne Schleudergang. Milady weigert sich beharrlich. 🙄 Dafür sind meine Hände rot, wund und schmerzend vom vielen Auswringen der Wäsche. Und unser Boot ist zum Waschsalon mutiert, oder eigentlich mehr zum Wäscheständer.


Der Motor schnurrt, die Nachtschicht kommt. Das Meer ist ruhig, der Wind schläft, nichts wackelt oder knatscht, kein Segel schlägt und Yuti muss nicht mehr kotzen. Ehrlich? Das ist richtig, richtig angenehm❣️Trotz ununterbrochener Kontrolle der Nothalteleinen und das Lauschen auf jedes erdenkliche Geräusch. Dann höre ich aber ein helles, hohes Quietschen. Was ist das? Mit Taschenlampe bewaffnet durchsuche ich das Boot, auch draußen. Ach so, Seevögel sind das! Kleine, weiße Hochseevögel, die sich anscheinend von unseren Lichtern angezogen fühlen. Sie pfeifen nicht, sie singen nicht, sie quietschen halt in hohen Tönen und umkreisen das Boot, stundenlang. Lustig! Dann geht es in einen neuen Tag, doch noch verabschiede ich mich nicht ins Bett. Mann, was waren das bisher für aufreibende und aufregende Stunden‼️Wie es wohl weitergehen wird❓😏
![Sailing Yuti [maxbutton id="1"]](https://yuti.eu/wp-content/uploads/2021/08/Bild4.png)
Liebe Grüße aus Österreich und gutes und vorallem sicheres Ankommen auf den Marquesas wünschen euch Hubert und Margit von der Chilli bee
Hallo, ihr Lieben!
Danke für eure guten Wünsche! Es hat wohl geholfen, denn wir sind gestern Nacht gut auf Hiva Oa angekommen, mit stehendem Mast! 😅
Wann werdet ihr denn wieder in See stechen, mit eurem neuen Katamaran? 👏 🥳
Wir erfuhren die tollen Neuigkeiten von Manfred.
Seid herzlichst gegrüßt
Andrea & Klaus