Sonntag, 5. Oktober 2025, 6:20 Uhr, Klaus startet die Motoren und setzt das Jib. Häää? Ich liege noch schlaftrunken in meiner Koje und wundere mich. Was geht da ab? Ich muss mal nachschauen. Klaus möchte den nächtlichen Abdrift von fast 15 Seemeilen wieder aufholen. Der Wind ist noch schwach mit 13 Knoten, und die Wellen sind noch nicht da. Und wenn sie kommen, werden sie eher rund als steil sein, meint mein Mann. Aha, dann schauen wir mal. Auf jeden Fall strahlt uns die Sonne schon aufmunternd ins Gesicht. Okay, dann sprechen wir jetzt nochmal den richtigen Ablauf beim Aktivieren der Rettungsinsel durch, für den Fall der Fälle. Zum Beispiel muss fest im Kopf verankert sein, dass sie vor Rauswurf erst mit der eigens dafür vorgesehenen Leine am Boot festgebunden werden muss. Wichtig, sonst ist sie im Wasser, und wir können nur noch winkend hinterherschauen. 👋 Auch ist unsere Notfalltasche gepackt. Was muss im Ernstfall noch mit hinein? Das Funkgerät, Epirb zur Kennzeichnung unserer Notposition und meine Handtasche mit Pässen, Tabletten und Handys.
7:23 Uhr, der Wind nimmt zu bis auf 24 Knoten. Huch, jetzt schon? Ach nee, das ist nur eine dunkle Wolke. Nach Durchzug pustet der Wind wieder nur mit 16/17 Knoten.
Etwas später, 9:30 Uhr. Schon ohne die Wellen des Tiefs schaukelt Yuti kräftig hin und her. Windwellen haben sich entwickelt. Ich würde mal sagen, so kennen wir den Pazifik. Die Wellen des Tiefs werden sich hingegen wohl verspäten. Statt gegen 10:00 Uhr werden die ersten gegen 12:00 Uhr eintreffen, so die aktuellste Prognose. Wir motoren denen jetzt mal entgegen. Das 2. Hoch drückt unser Tief etwas runter und so brummen wir mit 4 Knoten und Jib-Unterstützung langsam voran, gegen Wind und Welle. Die Anspannung steigt! 10:27 Uhr, also ehrlich, zum kabbeligen Hexenkesselwasser sind die höheren Tiefdruckwellen eigentlich schon da. Von wegen Verspätung. Alle 11 Sekunden schiebt sich eine über 3 Meter hohe Welle unter Yuti durch. Bei den so schon hohen Hexenwellen, fällt das dem Auge des Betrachters gar nicht so auf.
Puhhh, wenn das noch doller wird, dann gnade uns wer? Wer auch immer!
11:00 Uhr, 23 süße, kleine Seemeilchen sind dazu gekommen. Tja, die zurückgedrifteten Meilen zählen ja nicht. Summa summarum sind wir seit Start nun 676 SM gesegelt.
13:00 Uhr, noch haben wir den Scheitelpunkt der Wellen von 3,80 Metern nicht erreicht.

Lange kann es nicht mehr dauern. 😱 Da wo es hellrot ist, wird’s ernst. Aber auch jetzt sind schon ganz schöne Brecher mit dabei. Fahrstuhl hoch und Fahrstuhl wieder runter. Zwischen drin der Hexenschwibbelschwabbel. Boah, eine riesen Welle bricht und schlägt volle Pulle von rechts ins Boot, in den Steuerstand und über die schön sortierte Jordan Drogue. Mehrere Zentimeter hoch steht das Wasser für einen Moment im Cockpit, bevor es wieder ablaufen kann. Da ist die Drogue ja schon mal Salzwasser gespült, bevor sie überhaupt ins Wasser gelassen wurde. Blöd! Puhhh, jetzt kommen sie wohl doch, die Monsterwellen…🌊 🌊 🌊. Vieles fliegt scheppernd und krachend durchs Boot. Zum Beispiel Klaus’ Waschtaschen- und Badkörbcheninhalte, meine Bücher und Krimskramskörbchen, eine Lampe und Dinge vom Salontisch. Kaputtgegangen ist aber noch nichts. Upsi, ein Squall mit Regen gesellt sich noch dazu. Stopp, es reicht!!!
Kleine Actioneinlage: Wohlwissend, aber blöderweise, haben wir den Dinghymotor am Beiboot anmontiert gelassen. Normalerweise nimmt man den Motor auf Überfahrten ab und montiert ihn an einer extra dafür vorgesehenen Stelle am Boot. Durch das enorme Gewackel, die Schläge und das teilweise ins Wellental abfallende Boot, hat sich die Motoraufhängung gelöst. Diese Halterung, wie so ein Geschirr muss man sich diese vorstellen, wird von einer Leine über einen Flaschenzug gehalten und stabilisiert so auch noch zusätzlich das Dinghy samt Motor. Und jetzt eben nicht mehr. Das darf so auf keinen Fall bleiben, wollen wir unser Dinghy mit Motor bei diesen Bedingungen nicht verlieren! Was tun? Erstmal muss Yuti um 180 Grad gedreht werden. Also Wellen von hinten, statt von vorn. Das beruhigt die ganze Situation schon merklich. Mehrere Überlegungen und Versuche, das Tragegeschirr wieder zusammenzubekommen, scheitern. Klaus steht am rechten Treppenabgang und bekommt von den nun hinten reinschlagenden Wellen, zumindest mal nasse Füße. Dann kommt die Idee mit dem Ratschenband auf. Das könnte klappen. Mit dem Ratschenverschluss kann er die Leine, die um den Motor geschlungen wurde, anziehen und auf Spannung bringen. Geschafft ✅. Mittlerweile ziert unser Boot eine hübsche Leinenvielfalt. Weiße, graue, blaue, gelbe und orangene Leinen sind kreuz und quer verspannt und baumeln teilweise im Wind. Dann noch die Drogue am Boden, der abgebaute Tisch im Salon… 🤪. Zum Längslaufen ist fast kein Platz mehr. Mir kommt dann noch die Idee, die dicken gelben Leinen der Drogue auch noch ums gesamte Dinghy zu schlingen. Gedacht, getan. Die gespleißten Enden baumeln nun von der Dachreling herunter und sehen aus wie zwei kleine Galgen. Einen für Klaus und einen für mich. Wenn wir es nicht mehr aushalten sollten…😬

Und jetzt??? Wieder zurückdrehen und volle Pulle ins Desaster??? Klaus ist sehr unschlüssig. Ich spüre seine Sorgen und Nöte und kann sie fast greifen. Mit Wellen von hinten ist es halt schon eine angenehmere Situation. Aber, wir müssen auch irgendwann ankommen, das 2. Hoch im richtigen Drehmoment erwischen, und spätestens vor dem dann folgenden Tief im Schutze Neuseelands sein. Zwänge und Notwendigkeiten allenthalben. 🫣 Lange Rede,… wir drehen Yuti wieder um. Wobei auch diese Wendemanöver nicht ohne Risiko sind! Stünden wir nämlich gerade seitlich zu einem anrollenden, steilen Wellenberg, bestünde immer auch die Gefahr des Umgeschmissen werdens. Ohhh ha. Es gelingt uns aber. Doch in der Tat, es wird immer ungemütlicher. Immer häufiger brechen ein paar der ganz fetten Wellen. Dann ist es ganz besonders böse! Irgendwann fängt neben dem ganzen Gerumpse, Geknatsche und Geächtze, auch noch etwas anderes laut und lauter an zu quietschen. Das hört sich ganz und gar nicht gut an, aber woher kommt das? Nach längerer Suche wird klar, es sind die unteren Rollen, zusammen mit dem Fall vom Jib. Okay, aber da können wir jetzt nichts machen. Die Fenster nach vorne raus, können wir definitiv jetzt nicht öffnen. Das muss also warten, ist aber auch nicht wirklich so schlimm. Und weiter geht’s im Achterbahnstyle über die Wellenberge. Wind, als auch Wellenhöhe sollen noch weit bis nach Mitternacht zunehmen. Laut Vorhersage steigen die Wellen bis auf 3,80 Meter, der Wind auf 22 Knoten und Böen auf bis auf 29/30 Knoten. Mit deutlicher Anspannung liegen wir im Salon auf dem Sofa, jeder auf seiner Seite, schauen besorgt mal hier hin, mal da hin, mal dort hin, mal uns an. Mal entweicht mir ein Stöhnen, mal kommt ein kurzer Aufschrei von Klaus, wenn Yuti runter ins Wellental saust. ANSTRENGEND 🙂↕️!!! Unsere Mama-Sonntags-Gespräche fallen heute ganz besonders kurz aus, ohne die beiden hoffentlich zu sehr zu verängstigen! Dann geht es auch schon in die Dunkelheit. Ist die nun bedrohlicher oder gnädiger? Man sieht das ganze Wellendrama einfach nicht mehr. Irgendwann ist Klaus so dermaßen ermattet, dass er sich auf die Seite dreht und einschläft. Und das, obwohl der Lärm an Bord gewaltig ist! Aber alles egal, Klaus schläft ❣️Nach 2 Stunden ist er wieder wach. Der Mond scheint silbrig auf das Wellenspektakel, es ist Mitternacht.
Sollte ich Angst haben?
Montag, 6. Oktober 2025. Mann, ist dieser Hexenpott anstrengend. Ich frage mich wirklich, ob ich nicht langsam Angst haben sollte? Wenn ich es mir so recht überlege, sitzen wir beide in einer wirklich kleinen Plastikschüssel und taumeln durchs wilde, brüllende Meer. Rings um uns nichts als tosendes Wasser und leicht vom Mondlicht silbrig schimmernde Dunkelheit. Könnte Yuti eigentlich brechen? Der Mast fallen? Das Beiboot abreißen? Sich ein Loch auftun und Wasser eindringen? Eigentlich schon. Aber Seawind rühmt sich ja damit, dass noch keines ihrer verkauften Boote je untergegangen ist.
Nein, Angst habe ich eigentlich nicht. Eher ein Unwohlsein und eben diese Anspannung. Nun lege ich mich mal 3 Stunden aufs Ohr in mein Bettchen. Dort höre ich ein ständiges Plong, Plong, Plong…, als würden die Wanten reißen, ein Strang nach dem anderen. Das hatten wir ja schon mal. Aber ich schaue nicht nochmal nach und versuche dieses fiese Geräusch dickfällig zu überhören. Es klappt. 😴
Um 3:00 Uhr stehe ich wieder auf der Matte. Die Wanten sind nicht gerissen.👍 Uns kommt es so vor, als wären die Wellenberge nicht noch weiter angewachsen. Nur der Wind wechselt wild zwischen 13 und 23 Knoten hin und her. Auch die Strömung macht uns zu schaffen. Nach wildem Richtungswechsel hat sie nun beschlossen, mit 1,2 Knoten gegen uns zu strömen.
Bei Tageslicht entscheidet sich Captain Klaus zu einem Richtungswechsel. Wieder dreht er Yuti um 180 Grad. Wieder kommen Wind und Wellen und Strömung nun von hinten. Sofort ist die Situation merklich entschärfter. Von hinten ist halt alles leichter. 😆 Und warum jetzt das ganze? Klaus möchte einige Reparaturen vornehmen. So macht er sich nochmals an der Motoraufhängung vom Dinghy zu schaffen und verbindet die aufgegangenen Verschlüsse mit fetten Kabelbindern. Dann zurren wir die anderen Halteleinen nochmal fester nach und bringen noch einmal 2 weitere Sicherungsleinen an. Jetzt dürfte das Ganze aber halten. Denn heute soll es noch den ganzen Tag so ruppig und wild weitergehen, wie die Stunden zuvor. Jetzt geht‘s zum Jib-Gequietsche. Ich lockere das Fall etwas und Klaus sprüht ein spezielles Gleitöl in die Rollen. Dann ziehe ich das Segel wieder an und jetzt noch ein kleinwenig fester. Und was steht noch an? Ach ja, das Fall vom Groß hat sich von seinem sauteuren Verschluss gelöst. Oder vielmehr hat sich der Verschluss, 200,- Euro das Stück, vom Großfall gelöst, ist wohl ins Meer gescheuert und versunken. Mit diesem Verschlussblock konnte man das Fall hinten am Baum befestigen, so dass die Leine nicht immerzu vorne den Segelsack aufscheuerte. Nun weht die Leine vom Mast kommend im Winde, oder wickelt sich um die grüne Dirk, die den Baum hinten hält. Das ist jetzt nicht soo schlimm, nur dass das Groß so nicht einsatzfähig ist. Am Jib hat Klaus noch so einen Spezialblock angebracht, den könnte man austauschen. Jetzt aber nicht, das muss warten. Das Jib ist ja zur Zeit voll im Einsatz.
11:00 Uhr, ein schneller Blick auf den Tacho zeigt, 138 Seemeilen kommen dazu und ergeben eine neue Gesamtsumme von 814 SM. Jetzt muss Yuti aber wieder auf Kurs gebracht werden. Also wird wieder um 180 Grad gedreht, es klappt. 👍
Schade, dass es sofort wieder voll unangenehm wird! 3,30 Meter sollen die Sturmwellen aktuell haben. Der Strom drückt jetzt mit 1,6 Knoten von vorne auf die Nase. Nur der Wind hat sich spürbar abgeschwächt. Gute 14 Knoten bringt er noch zustande. Es ist erkennbar angenehmer geworden, wenn man das überhaupt so sagen kann. Sogar die Drogue rollen wir ein und den Tisch bauen wir draußen wieder auf. Das ist doch schon mal was! Die permanente Anspannung fällt ein stückweit ab, puhhh… 😮💨. Der linke Motor läuft nun schon seit fast 1 1/2 Tagen ununterbrochen mit, stabilisiert und drückt Yuti voran. Gute Arbeit! Dafür haben wir aber auch schon gute 40 Liter Diesel verbraucht. Mit dem Erreichen von Hoch 2, wahrscheinlich morgen, werden wir noch so einiges des energiespendenden Saftes benötigen. Denn im Auge des Hochs herrscht Flaute. 😐 Jetzt motoren wir weiter, das Jib zieht und es geht langsam aber sicher der nächsten Nacht entgegen. Das Meer ist nach wie vor unruhig, der große Schwell zieht aber deutlich runder unter uns hindurch, da der Wind nachgelassen hat. Das ist gut! Merklich kühler ist’s geworden. Strümpfe und Pullover sind nun meine ständigen Begleiter. Die Türen zum Steuerstand halten wir nach Sonnenuntergang geschlossen, so frisch wird nun die Luft. In unsere Bettdecken eingemummelt liegen wir jetzt auf unseren Sofaseiten. Zur Freude „aller“ habe ich einen großen Topf Hörnchennudelsalat zubereitet, mit frischer Gurke, eingelegten Zucchinistreifen und Schafskäse. Wann immer einer von uns ein Hüngerchen verspürt, kann er sich ein Schüsselchen holen. Praktisch und lecker. Es kursiert da ein Foto im Netz, dass das Seglerleben und die Folgen davon lustig beschreibt. 😂

Am späten Abend möchte Klaus den Kurs anpassen und direkter nach Neuseeland fahren. Norfolk werden wir ebenso wie Neukaledonien zuvor rechts liegen lassen. Doch da der Wind in seiner Richtung sehr unentschieden ist, muss ständig am angelegten Kurs gearbeitet werden. Mit der Fernbedienung in der Hand, klickt sich Klaus fast nen Wolf. 😅 Klick, Klick, Klick,…. Klick….., Klick, Klick…Die Fernbedienung ist schon ganz warm, als er sie mir übergibt. 🫠 Er ist verdammt müde, muss dringend schlafen, rollt sich auf die Seite und tschüss. 😴 Nun muss ich den Drücker drücken… Doch irgendwann wird’s mir zu dumm! Ich lasse den Kurs unverändert stehen. Dann haben wir eben keinen Wind im Segel. So what! Trotzdem kommen wir voran, wenn auch nur mit 3 bis 4 Knoten, der Motor motort……
War es das denn jetzt mit den Monsterwellen, dem Hexenkessel und Co.? Schauen wir mal auf den 5. Akt. Bis denne. ✌️
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