6. Akt: Aufregung

Donnerstag, 9. Oktober 2025. Die Nacht verläuft ruhig. Stimmt ja gar nicht! Es wird wellig, windig und schwupps haben wir wieder Kabbelwasser. Ich muss ständig daran denken, wie ich als Kind auf ner dicken Sau geritten bin. Genauso fühlt es sich gerade an, im Schweinsgalopp durch‘s Wasser. 🐖 Wenige Stunden später ist es etwas besser. Der Schweinsgalopp ist ein wenig langgestreckter geworden. Erst wenn wir das 3. Hoch erreicht haben, wird es wieder deutlich besser werden.
11:00 Uhr, was sagt der Tacho? 134 SM sind zusammengekommen. Insgesamt kommen wir jetzt auf 1.233 ersegelte Seemeilen. Übrigens, wir segeln tatsächlich und zwar ganz ohne Motor! Draußen sind, das Groß auf Reff 2 und das Jib. Beide Segel haben wir noch bei ruhigeren Verhältnissen gesetzt.
Und was geht jetzt ab? Das Internet explodiert geradezu vor lauter Aufregung. Aufregung bezüglich der neuen, verschärften Vorgehensweise der neuseeländischen Bio Security. Ein Segler hat schon kundgetan, unter diesen Bedingungen führe er nicht mehr nach Neuseeland. Tja, die 25-jährige Bio-Dame hat es wohl wirklich etwas übertrieben. Das Boot, welches kürzlich wegen ihr rausgeholt wurde, war so sauber, dass selbst die Marinos, die es saubermachen sollten, lauthals lachen mussten. Sie fanden ums Verrecken kein schädliches Material. Daraufhin rückte Madame mit UV-Licht und Lupe an, bis sie eine einzige Seepocke in einer Ritze fand. Und damit hatte sie den Beweis und die Berechtigung, das Boot rausgeholt zu haben. Peng!
Eine neuseeländische Yacht-Rallye-Organisatorin, die gerade mit circa 30 Booten nach Neuseeland unterwegs ist, ist aufgebracht. Sie bittet alle Bootseigner, die ein eventuelles Not-Haul-Out für ungerechtfertigt erachten, sich bei der zuständigen Direktion schriftlich zu beschweren. So geht es hin und her, bis der Administrator der Plattform Ruhe und Besonnenheit anmahnt. Einen kurzen Moment klappt das auch, dann bricht es aber schnell wieder los. Was machen die Neuseeländer nur, heißt es, die wollen uns Segler nicht mehr. Dann segeln wir halt gleich nach Australien. Und so weiter, und so weiter….
Dann der nächste Aufreger. Für jedwedes Haul Out braucht man in der Regel eine Versicherung für eventuell auftretende Schäden. So auch in Neuseeland. 5.000.000,- Dollar muss die Deckungssumme mindestens haben. Nun hat aber nicht jeder Segler so eine Versicherung. Was, wenn so jemand ein Not-Haul-Out aufgedrückt bekommt? Er muss raus, darf aber nicht. Verzwickt! Wird er dann des Landes verwiesen? Jedenfalls fragen ein paar Betroffene, wo sie jetzt noch auf die Schnelle einen Versicherungsvertrag bekämen. Und da taucht auch schon das nächste Problem auf. Pantaenius, der größte Versicherer in diesem Bereich gibt bekannt, keine US-Bürger und auch keine US-beflaggten Boote mehr zu versichern. Ein Knaller, der für noch mehr Aufregungspotential sorgt. Das Problem haben wir zum Glück nicht.
Und noch ein Adrenalinpush!
Klaus entdeckt per Zufall, dass unsere persönlichen Einreisevoranmeldungen, spätestens 72 und nicht erst 48 Stunden vor Ankunft abgegeben werden müssen. Mensch, jetzt aber hurtig!!! Fotos von uns müssen live gemacht werden, viele Fragen beantwortet und Geld bezahlt werden. Beim Bezahlen geht Klaus’ Kreditkarte plötzlich nicht mehr, meine muss her. Zum Glück funktioniert die!
Die Bearbeitungszeit der Einreisevoranmeldungen kann bis zu 72 Stunden dauern. Baum!
Pling, da hat Klaus doch tatsächlich schon sein Okay, ich muss darauf aber noch warten… 😏. Warum? Mist!
Dann müssen Einreiseangaben gemacht und abgeschickt werden, für jeden von uns. Wann fahren wir los? (Wir sind doch längst losgefahren 🫢.) Wann kommen wir an? Warum? Weshalb? Wieso? Und überhaupt. Was haben wir alles an Bord? Und so weiter, und so weiter… Hierbei ist das Problem, dass sich diese Formulare nicht per Handy ausfüllen lassen. Denn dort gibt es bei Verkehrsmittel der Anreise nur Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff anzuklicken. Ja und wir Segler??? Das Netz brodelt. Bis sich rumspricht, dass das für uns nur über PC/Tablet funktioniert. Toll 🙄. Beide Formulare von uns gehen durch und werden akzeptiert, und für die Einreisevoranmeldung habe auch ich nun mein Okay. Puhhh 😮‍💨. Unsere Adrenalinpegel sind gerade dabei sich zu normalisieren, da geht ein Funkspruch ein. Sailing vessel Yuti, Sailing vessel Yuti, Sailing vessel Yuti, here is aircraft control, aircraft control, aircraft control. Please go on channel one six. Wir schauen uns irritiert an. Wer will da was von uns, hier ist doch weit und breit niemand, wir sind doch alleine, oder??? Klaus meldet sich. Eine nette, ruhige Männerstimme stellt sich als neuseeländische Flugkontrolle vor und hat mehrere Fragen an Captain Klaus, auf Kanal 16.
Unter welcher Flagge fahren wir?
Von welchem Hafen und Land sind wir gestartet, welchen Hafen laufen wir an? Wieviel Personen sind an Bord, welcher Nationalität? Wie sind die Namen der Personen? Währenddessen umkreist uns, sehr tief (200, 300 Meter), ein großes Flugzeug, einer Passagiermaschine sehr ähnlich, bloß ohne Seitenfenster. Ich kann gerade noch mein Handy schnappen und den Flieger festhalten, bevor er abdreht und weiterfliegt. Thank you, over and out.

Mensch, was war das denn jetzt? 😳 Sowas haben wir ja überhaupt noch nicht erlebt! Dass die Neuseeländer ihre Landesgrenzen auf diese Art und Weise kontrollieren, erstaunt uns. Sowas ist in Deutschland unvorstellbar, gell? Na, die Neuseeländer sind auf Zack, obwohl wir uns ja noch eine ganze Weile in internationalen Gewässern bewegen. Aufregend!!!
Ach, kühl ist es geworden, sehr kühl. Ich friere, brrrr. Trotz T-Shirt, Pullover und Socken. Da muss wohl auch bald die lange Hose hervorgekramt werden, schnatter. 🥶 Genug gepienzt, das Jib muss rein, das Screecher raus. Und ab geht die Post. Zusammen mit dem Groß ist das ein gutes Gespann❣️So gewannen wir damals ja auch jede Fahrt der Malediven-Yacht-Rallye. 😀 Ganz egal, wann wir gestartet waren. Auch als Letzte räumten wir das Feld von hinten auf, immer! 😜 Zur zunehmenden Verzweiflung der anderen, die in der Regel die größeren und schnelleren Boote hatten. Doch unser Gewichts- Segelflächenverhältnis war halt stets besser. Und jetzt? Aktuell? Also, der Wind pustet mit 12 Knoten und SOG (Speed over Ground) liegt bei stolzen 7 Knoten. Sauber!!
Ohne nennenswerte Komplikationen oder weitere Aufregungen geht es durch den Tag. Was gibt’s zu essen? Zwiebel-Bratkartoffeln mit Spiegeleiern
und süßem Gurkensalat. Passt 👍. Einen Quark mit frischen Früchten und karamellisierten Mandeln verschmatzen wir zum Nachtisch.
Zur Nacht wechseln wir noch auf’s Jib und dieses Mal beginnt mal Klaus mit der Nachtwache. Das ist ja ganz was Neues! Als wir uns später abwechseln, versucht er zu schlafen, während ich ganz süß von meiner geliebten Enkeltochter unterhalten werde. Die Familie ist gerade noch in Holland, und sie erzählt mir begeistert von ihren Schwimmbaderlebnissen. Dann zeigt sie mir ihre Ferienwohnung und verabschiedet sich vorerst zum Waffelessen. Später, wenn Opi wieder Nachtwache hält, will sie wieder anrufen und dann mit ihm sprechen. Schäää 🥰.

Freitag, 10. Oktober 2025

Und tatsächlich ruft uns Alva wieder an. Aber da soll ich eigentlich in den Morgenstunden schon wieder die Wache übernehmen, schlafe aber prompt dabei ein. 🥴 Und so besprechen Opi und Alvi, mich gemeinsam wieder aufzuwecken. Das gelingt ihnen natürlich auch, und Alva schlägt Opi vor, sie immer dann anzurufen, wenn er ihre Hilfe braucht, um mich zu wecken. 😂
Sie sitzt bereits im Auto auf dem Weg nach Hause. Wir müssen mal schnell die Segel wechseln und Alva schaut uns dabei zu. Wieder wird uns klar, was das für ein dolles Ding ist, dass wir im segelnden Boot sitzen, irgendwo auf dem Südpazifik, sie genau auf der anderen Erdhalbkugel im fahrenden Auto hockt und wir uns per Videocall ohne Wackler, ohne Versatz und ohne Gerausche sehen und unterhalten können. Ein Wunder 🤩! Alva wächst damit auf, sie kennt es gar nicht anders, doch langsam wird sie müde und verabschiedet sich. Gute Reise auf beiden Seiten. 👋
Bei uns verändern sich mal wieder die Windverhältnisse und zwar anders als vorhergesagt. Mit über 20 Knoten wahrem Wind preschen wir durchs Wasser. Mit 7, 8, 9 Knoten über Grund geht es zur Sache. Fürs Screecher ist es jedoch viel zu viel❗️Aber fürs Reinholen ist es schon wieder zu spät. So fällt Klaus bei jeder Böe ab und zwischendrin geht’s wieder zurück. Die Fernbedienung schmilzt schon fast. Klick, Klick…., Klick, Klick, Klick…. Immer fährt die Sorge mit, dass Leinen reißen, Augplatten brechen oder Furler Schaden nehmen, bei solchen Belastungen. Klaus Stirn liegt in Sorgenfalten. Auch ändert sich andauernd die Richtung, aus der der Wind bläst. Der Winkel zum Segel springt mal eben bis zu 30 Grad hin und her. Komisch! Dabei gibt es keine Hindernisse für den Wind weit und breit, keine Wolkenansammlungen, keine Squalls. Dazu kommt noch, wir sind so zu schnell! Für Montag haben wir uns nun bei allen offiziellen Stellen angemeldet. Geht das jetzt so weiter, sind wir Sonntag schon da. Hm… 🤔. Irgendwo abhängen ist ja nun auch zum Problem geworden, da man seinen Track lückenlos nachweisen muss, und Pausen als Möglichkeit der Drogenaufnahme verstanden werden können. Dumm gelaufen, wir haben ja schon eine Dümpelpause bei Neukaledonien gemacht. 🫤 Da werden wir wohl auch den „Wet Dog“ über uns ergehen lassen müssen. Am Flughafen ist’s der “Schnüffelhund”. Doch am Quarantänedock wartet der Drogenhund meist im Regen, wenn man Pech hat. Und jeder darf sich fragen, wo sich dieser Hund wohl schütteln wird… 🥴. Übrigens, für Montag ist Regen angesagt. 🫣
11:00 Uhr, Tacho: 148 SM von heute, plus 1.233 SM ergeben 1.381 SM in Summe. Der ursprünglich geplante Weg über Neukaledonien und Norfolk bis zur Bay of Islands umfasst circa 1.600 Seemeilen. Von dort sind es dann noch 15 bis 20 Seemeilen bis zum Quarantänedock der Opua Marina.
Gegen Mittag schaltet der Wind endlich zwei Gänge zurück. Das wird von uns sofort genutzt, um das Großsegel runterzuholen. Mit dem Screecher alleine segeln wir nun lockere 5 Knoten. Das ist in Ordnung. Nun können wir in Ruhe zu Mittag essen. Es gibt die Reste von gestern und als Nachtisch Kekse. ☺️ Später werde ich noch einmal Äpfel- und Möhrenraspel in süßer Sahne machen. Karamellisierte Mandeln habe ich auch noch. Doch bevor ich mir die Finger wund raspeln werde, will Klaus nun doch noch ins Wasser. 😳 Das Unterwasserschiff lässt ihm einfach keine Ruhe. Wir holen das Screecher rein, binden das Lenkrad fest und lassen Yuti dann doch noch einmal dümpeln. Klaus steigt in seinen Neoprenganzkörperanzug und wundert sich warum der so dermaßen eng sitzt. Ist der eingegangen? Oder ist er “gewachsen”? 😆 Noch Flossen, Brille, Schnorchel, Leine um den Bauch und Schwamm, Schaber und Bürste in die Hand und ab ins Wasser. Oh, ohh, ohhh, ist das kalt, japst er. Und hier sind sogar noch 19 Grad Wassertemperatur. Am Ziel sollen es bloß noch 16 Grad sein. Brrrrr….. 🥶. Es ist kalt, der Schwell wirbelt ihn herum und das Unterwasserschiff sieht Kacke aus. 😣 Aber lassen wir ihn doch selber erzählen.

Nach einer gefühlten Unendlichkeit kommt er fix und fertig wieder an Bord. Die Kraft reicht kaum noch, um sich vom engen Neoprenanzug zu befreien. Ich helfe… Er wirft alles von sich, duscht sich ab und taumelt aufs Sofa. Das war jetzt schon ein Wahnsinn!!! Aber gut, sonst hätten wir wohl null Chancen einen Not-Haul-Out zu vermeiden. Jetzt liegen wir vielleicht bei 10 Prozent.
Etwas ruhiger geht es nun durch den restlichen Tag. Und am Abend gibt es keine weitere Folge von “Fargo”, nein, wir schauen “Inas Nacht”. Wir lieben ihre Show❣️Immer lustig, energiegeladen, ist sie eine echte Stimmungskanone, eine Powerfrau eben. Dann dreht sich Klaus auf die Seite und schläft ein. 😴 Ich halte Wache, schreibe am Blog und kommuniziere mit Freunden und Handwerkern. In Mainz-Mombach gibt’s feuchte Wände. 🙄
Um Mitternacht wird gewechselt. ✌️


Ein Kommentar

  1. Ihr Lieben,
    wir sind wieder bei Euch – vom heimischen Sofa aus die Wellenvideos guckend. 😉 Albula hatte Haul Out ins Winterlager. Also haben wir keine Wellenbewegungen mehr unter dem Bootsrumpf, sondern festen Boden unter den Füßen und viiiel Platz. 🙂
    Wir drücken die Daumen angesichts der Authorities.
    Herzliche Grüße von Petra und Bernd

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