Die Überfahrt, Tag 1…

Es ist Sonntag, der 15.01.2023, 7:00 Uhr, wir lichten den Anker ⚓️. Ein wunderschönes Morgenrot begrüßt diesen denkwürdigen Tag. Knapp 1.100 Seemeilen liegen nun vor uns.

Doch was ist das denn? Ein riesen Kacka auf einem der großen Frontscheiben.

Das soll von einem Vogel sein?? 😳 Sieht eher aus wie von einem Stinktier, einem Fuchs oder einem Marder… Echt mysteriös!! Das muss aber weg! Nun soll das Großsegel noch aus dem Lazybag raus, der Tasche für die Faulen, und was sehe ich dann da? Auch hier ist alles zu geschissen. Jetzt aber mit richtiger Vogelkacke. Bevor ich hier den Reißverschluss öffnen kann, brauche ich nen Schwamm und Wasser. Geschafft, die Segeltasche ist einigermaßen sauber und der Reißverschluss ist jetzt aufgezogen. Dann kann’s ja mal richtig losgehen. Wir ziehen das Groß raus, bis zum ersten Reff, also nicht ganz bis oben, ein Stück bleibt in der Tasche. Zuvor entrollen wir das Vorsegel, das Jib. Manno, sind die Segel faltig und knitterig. Höchste Zeit, dass die sich wieder entfalten können!! Wir fahren jetzt aber noch mit der Unterstützung eines Motors, da der Wind durch die Abschattung von Phuket noch recht zurückhaltend ist. Heute und den halben morgigen Tag befahren wir noch die Andaman-See, bevor wir den Indischen Ozean erreichen werden. Na, was haben wir denn da? Da sind ja auch wieder die gefürchteten Fischer.

Malerisch im Sonnenaufgang.

Jetzt gibt es erst einmal Frühstück. Frosties, weil’s so einfach ist. Dann kreuzen wir auch schon die Rennbahn der Ausflugsboote mit Ziel der Tauchinseln, die auch wir einst mit unserem speziellen Tauchlehrer Uwe besuchten. 😉

Auch die Fischerboote mischen mit und werden wieder größer.

13:15 Uhr, Mittagszeit! 🍽️ Es gibt bereits fertig gekauften Weißkohl-Krautsalat mit hart gekochten Eiern. Auch wieder eine schnelle Sache, aber durchaus lecker. Wir segeln mit 5 bis 7 Knoten, der Motor ist nun aus und um 13:40 Uhr passieren wir die 200 Meterlinie (Wassertiefe). Endlich!!! Jetzt brauchen wir uns keine Sorgen mehr machen, dass wir irgendwo auffahren könnten. 😮‍💨 Es dauert auch gar nicht mehr so lange und der Tiefenmesser verabschiedet sich für die nächsten Tage, da dann die Tiefe nicht mehr messbar sein wird. So segeln wir dahin und schon geht die Sonne am Horizont unter…

Für die erste Nachtwache von 20:00 bis 24:00 Uhr bin ich eingeteilt. Aufregend ! Es läuft. Ich behalte den Plotter im Blick, der mir auch dank Radargerät die Boote und Schiffe anzeigt, die sich uns nähern könnten. Oft springe ich vom Steuerstand runter wackele zur anderen Seite und schaue mir unsere Umgebung in Natura an, starre dabei aber mehr oder weniger oft ins Schwarze. Klaus löst mich früher ab, er ist schon wieder aufgewacht. Mit dem Schlaf steht er ja doch irgendwie auf Kriegsfuß. Mein Vorteil. 😜 Ich verdufte in mein Bett und schlafe schnell. 😴

So gegen 2:00 Uhr bin ich wieder dran. Es wird sich aber auch in den nächsten Nächten zeigen, dass eine starre Einteilung nicht so unser Ding ist. Wir halten es flexibel und richten uns nach unserer jeweiligen Müdigkeit. Ich bin jetzt jedenfalls wieder an Deck und bestaune den Mond und die Sterne.

Mr. Moon, er wird in den nächsten Nächten abnehmen.
Hier ist er schon einiges höher gestiegen.

Das Meer ist doch etwas unruhig, kabbelig könnte man auch sagen. Die Wellen sind nicht hoch, scheinen aber aus allen Richtungen zu kommen. Mal sehen, was wir bei Sonnenaufgang an Seemeilen geschafft haben werden?

Tag 2

Montag, 16.01.2023, 7:00 Uhr, Sonnenaufgang. Wir haben ungefähr 150 Seemeilen geschafft. Gar nicht so übel. Die See ist unruhig, der Wind gut, und Klaus startet wieder mal einen Angelversuch. 🎣 Dieses Mal haben wir einen großen Köder dran, der auch nicht mehr an der Oberfläche schwimmt, sondern durch ein Gewicht unter die Wasseroberfläche gezogen wird. Nach ein paar Stunden saust die Angelschnur los, aber wie!! Wir sind elektrisiert, Klaus stürzt hin und versucht durch Anziehen und Nachgeben den Fang einzuholen. Ganz vorsichtig! Was ist da wohl dran? Es muss was GRÖSSERES sein… 🐟? oder 🦈? oder sogar 🐳? Plötzlich macht’s Peng und der Zug ist mit einem Mal weg. Sch….! Klaus rollt ein und was sehen wir da? Nichts! Der Köder ist samt Vorfach abgerissen. Nur noch die abgefetzte Angelschnur kommt zum Vorschein. « Der hat die Angelschnur durchgebissen », ist Klaus’ Kommentar. Schwimmt der jetzt mit Köder im Rachen weiter? Keine schön Vorstellung! Nun gut, dann gibt’s heute eben keinen Fisch, sondern Nudeln mit Gemüse. Seit langer Zeit will ich mich mal wieder am Kochen mit Gas versuchen. Mit unserem Strom sollten wir nun etwas sparsamer sein. Nudelwasser ist aufgesetzt, nur das Gas will nicht…. 😳. Was ist da denn schon wieder los?? Haben wir vergessen den Gashahn aufzudrehen? Jepp, haben wir. Da sich die Gasflaschen in einer Luke im Bug befinden und auch noch ein großes Segel darüber platziert ist, können wir jetzt nichts machen. Dann muss ich eben doch mit meiner Induktionsplatte arbeiten. Schwierig! Die Induktionsplatte steht nicht sicher, das heiße Nudelwasser schwappt, gefährlich ⚠️. Ich muss mit der Hand am Topf ausgleichen und aufpassen, dass mich das Wasser nicht verbrüht… Irgendwann sind die Nudeln fertig, jetzt noch flott Chinakohl schneiden, Steinpilze und Sauce süß-sauer in die Pfanne, fertig ist das Mittagessen. 😮‍💨 Klaus schmeckt’s. Bin ich froh, dass mir bei dem Geschaukel nicht schlecht wird. Toi, toi, toi. So geht der Tag dahin, ich fange wieder an zu lesen, einzunicken oder auf’s Wasser zu schauen. Die Nacht kommt schnell und auch so manch großer Verfolger… Um 20:00 Uhr entdecke die Doric Armour, einen Cargo Frachter auf unserem Plotter. 229 Meter lang, 32 Meter breit, 14 Knoten schnell, doppelt so schnell wie wir und auf Kollisionskurs. 20:50 Uhr, puh, endlich wird der Kurs verändert und der Frachter überholt uns Backbord, in einem Abstand von 3 Meilen.

Das ist das, was ich bei Nacht mit meinen Augen vom Frachter sehen kann.
Und das, was mir der Plotter anzeigt.

Das Geknüddel in der Mitte sind wir, mit mehreren Halo-Effekten, welche durch die Wellen verursacht werden. Und das Schiffchen ist der Frachter, in 3 Meilen Abstand, mit gestrichelter Linie, die seine Fahrtrichtung angibt. Wir fahren gerade 6,7 Knoten über Grund und haben einen scheinbaren Wind von 15 Knoten. (Der scheinbare Wind vereint den tatsächlichen Wind mit unserem eigenen Fahrtwind.) Die Daten des Frachters erhalte ich durch’s Draufdrücken auf Selbigen und noch ein paar Infos mehr. Zum Beispiel kann ich sehen, dass wir soeben die 2.000 Meterlinie, der Wassertiefe überquert haben. Ab jetzt wird’s noch tiefer… Wir passieren die indischen Nicobar Inseln, sehen aber nichts von ihnen, es ist dunkel und sie sind zu weit weg. Nicht weit genug weg von uns ist hingegen ein 300 Meter langer Frachter. Ja, pennt denn der? Er passiert uns in einem Abstand von nur einer Seemeile. Schwitz 😓! Wenn ich so etwas während meiner Nachtwache erlebe bekomme ich Schweißausbrüche und Schnappatmung, da ich nie weiß, wie lange ich mir so eine Situation anschauen kann bevor ich eingreifen muss. 🤷 Ich will auch nicht unnötig unseren einprogrammierten Kurs verändern und den Autopiloten rausnehmen, zumal wir ja als Segler kurshaltepflichtig sind. Alle mit Motoren betriebenen Schiffe müssen ausweichen. Hi, hi…

Das Meer ist unruhig. Es rumpelt und pumpelt, als hätten wir ein weiteres Untergeschoss mit Kegelbahn. Immer, wenn stärkere Wellen unter uns hindurchgehen, schlagen sie gegen das Unterschiff und lassen unter anderem den Tisch im Salon erzittern. Etwas unheimlich bei Nacht! Und schon wieder kommt uns ein 300 Meter langer und 50 Meter breiter Frachter, die Yunda Cosmo sehr nahe. Ich habe Sorgen und leuchte sie mit unserer Taschenlampe an, damit sie uns wahrnimmt. Nimmt sie uns auch und blinkt 5 X kurz zurück. Gefahr? Hä? Ja, Gefahr für uns, Bitteschön ! Ich muss mir dringend nochmal die Ton- und Lichtsignalbedeutungen anschauen !!! Die Yunda passiert uns dann in einem Abstand von 0,9 Seemeilen. Recht knapp! Da weiß ich aber noch nicht, dass es auch noch viel knapper werden wird… Übrigens, mittlerweile segeln wir im Indischen Ozean… ⛵️.

Tag 3

Dienstag, 17.01.2023, 7:00 Uhr, Sonnenaufgang. Wir haben 170 Seemeilen geschafft 👏. Von 5:00 bis 7:00 Uhr habe ich wie ein Stein geschlafen und bin noch etwas benommen. Soo viele Frachter, Öltanker und Containerschiffe fahren an uns vorbei und wir kleinen Quieker mitten drin… Es fühlt sich an, wie auf der Autobahn.

Und was entdecke ich an Deck?? Ein totes fliegendes Fischlein. Einen Knochenfisch aus der Gattung der Hornhechtartigen.

Zum Größenvergleich.
Ziemlich zerrupft der Kleine.

Beim routinemäßigen Blick in die Bilge, sehe ich was? Wassereintritt ?? Ne, Orangensaft! Hää??? Da muss ich mal schnell in der dahinter liegenden Luke schauen, wo wir große Mengen Wasser und O-Saft gelagert haben. Uiuiui, das riecht ja schon vergoren. Ach du meine Güte, ein Tetrapack Orangensaft ist explodiert. Einer muss wohl ein kleines Loch gehabt haben, der Saft ist durch die große Hitze gegoren und hat seine Verpackung zum Platzen gebracht. Was für ‘ne Sauerrei! Was mach ich denn jetzt? Erstmal Wasser über den Lukeninhalt gießen und dann den Kladderadatsch mit der Handpumpe aus der Bilge pumpen. Die Bilge ist in beiden Schwimmern der jeweils tiefste Punkt und alles an aus- oder eintretenden Flüssigkeiten sammelt sich dort und kann auch mit einer elektrischen Pumpe abgepumpt werden. Die will ich aber nicht nutzen, da das Orangensaftfruchtfleisch schnell zu Verstopfungen führer kann. Deshalb die Handpumpe. Das werde ich auch die nächsten Tage noch ein paar mal machen, denn der ausgetretene O-Saft läuft noch länger nach.

Schlimmer ist, dass unser erstes Reff kaputt ist. Wir segelten bisher mit dem Großsegel auf Position Reff 1. Aber lautes, nerviges Quietschen bedeutete uns schon, irgendwas stimmt nicht und es ist nicht gut. Nach längerem Suchen, entdecke ich zufällig, am Baum stehend, dass die Reffleine 1 total aufgeschubbert ist und der dazugehörige Block aufgerissen und eingedellt. Scheiße, was ist da denn passiert? Der Block, aus unter anderem einer Kunststoffrolle bestehenden Einheit, über die die Reffleine läuft, hat diese durch die scharfkantigen Verletzungen ihrerseits zerstört. Die Leine ist bis zum Kern aufgeribbelt und es fehlt nicht mehr viel und sie wird reißen. Was tun? Druck raus nehmen, das Segel verkleinern und auf Reff 2 gehen. Gesagt getan. Durch das verkleinerte Groß sind wir jetzt natürlich auch langsamer. Doof! Reparieren können wir den Schaden unterwegs auf gar keinen Fall. Die Reffleine ist ewig lang und führt über mehrere Rollen schließlich auch durch den Baum. Sollten wir die ersetzen müssen, gibt das eine Schweinearbeit, die frühestens vor Anker gemacht werden kann. Und ob wir das auch können steht in den Sternen. Apropos Sterne, es ist mittlerweile wieder Nacht geworden. Ein Frachter nimmt uns auf’s Korn. Das wird mir zu heiß, ich wecke Klaus! Der schaut sich das an, greift zum Funkgerät und funkt den Riesen an. Ein kurzer Call, und er überholt uns Portside / Backbord . Okay 👍. Alles klaro, ich geh dann mal schlafen.

Tag 4

Mittwoch, 18.01.2023, 7:00 Uhr, Sonnenaufgang, circa 160 Meilen zurückgelegt. Mit Reff 2 läuft es gar nicht so schlecht. Jedoch müssen wir morgens jetzt immer mal für eine Stunde einen der beiden Motor leicht mitlaufen lassen, um über die Lichtmaschine die Hausbatterie zu laden. Solar reicht bei unseren vielen Verbrauchern im Moment nicht mehr aus, zumal einige Solarpanels durch die Segel verschattet werden. Kühlschrank, Gefriertruhe, Navigation, Autopilot, Radar, Beleuchtung, Kochen mit Induktion fordern ihren Tribut. Auch Wolken und diesiges Wetter behindern die Stromerzeugung über Solar zusätzlich.

Das Meer ist wieder sehr unruhig und kabbelig. Eine Grundmüdigkeit steckt im Körper, trotzdem ich, im Gegensatz zu Klaus, tagsüber immer mal wieder einschlummere. Auch lese ich viel, wobei ich gerade auch da immer wieder einnicke. 🥱 Das e-Book « Die Überlebenden » hab ich dennoch durch. Der Titel passt irgendwie. 😂 Kurz vor Mittag habe ich es doch tatsächlich geschafft mich zu waschen! Klaus ist da viel disziplinierter. Spätestens um 8:00 h ist er gestriegelt und gebügelt. Nur die Schlafhose bleibt noch an. Die ist doch so bequem! Aber von wegen zu Zweit allein… Der Schiffsverkehr bleibt unverändert hoch. Ein riesen Schweröl verbrennender Stinker nach dem anderen, oder 3 bis 4 Frachter auf einmal schiffern um uns herum. Die sind bestimmt genervt von uns. Aber wir halten ja ganz pflichtbewusst unseren Kurs. 🫡

16:00 Uhr, der Frachter Nord Victorias hält auf uns zu. 4 Seemeilen vor’m Crash ruft Klaus wieder an. « Nord Victorias, Nord Victorias, here is Yuti, can you read me? » « Yes, Yuti, I see you. » «Where will we pass? » « I’ll pass you at portside. » «Okay, at portside… thank you. » Wenige Sekunden später ändert Nord Victorias ihren Kurs deutlich – gut auf unserem Plotter erkennbar – und fährt im Bogen um uns herum. Das kostet natürlich gleich wieder einige Liter Schweröl mehr. 🥴 Wir sind übrigens seit dem 1. Tag unserer Überfahrt das einzige Segelboot weit und breit und das wird auch so bleiben.

Sehr schön, dieser Sonnenuntergang.

Die Geräusche des Wassers, im Spiel mit unserem Boot sind: Rauschen, Klatschen, Zischen, Husten, Niesen, Rülpsen, Schlagen, Klopfen, Boxen… Ja, es ist manchmal so, dass wir denken, hinten sitzt Jemand und hustet oder stößt auf. Das ist lustig. Das Boxen, Schlagen und Rumpsen ist allerdings nicht lustig, eher stark gewöhnungsbedürftig! Aber das ist nun mal typisch Katamaran. Lautes Tosen und Rauschen begleitet uns übrigens immer. Es ist nie still. Aber schöne Musik entspannt und selbst Kapitän Kirk kann schlafen.

Mitternacht ist vorbei, die Eagel Vallery aber noch nicht. Sie kommt von hinten und uns immer Näher. Ich bin mal wieder mit Nachtwache dran und beobachte den Großen mit Argusaugen. Vorteil, dabei werde selbst ich nicht müde. Ich betrachte die vom Plotter angezeigten Abstände für den errechneten Passierpunkt. Sie schwanken zwischen 0,25 Seemeilen und 81,5 Metern und weniger. Das halte ich nicht aus, ich wecke Klaus und wir peilen gemeinsam die Lage. Auch ihm wird die Situation zu brenzlig und er ruft an. « Laberrababer », am Ende verändert der Frachter den Kurs und vergrößert so den Abstand zu uns. Puhhh, ist doch immer wieder aufregend. Besonders nachts! Aber cool, dass die Kontaktaufnahme per Funk so gut klappt! Mal sehen, wie es so weiter gehen wird? Aber jetzt heißt es erstmal « Roger and out. »

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