Und jetzt die innere Einkehr? 🤔

08. Mai 2023 * 7:00 Uhr * 113 Seemeilen Zum Glück verläuft auch diese Nacht, zumindest die erste Hälfte, friedlich. Mal mit, mal ohne Motor. Im späteren Verlauf nimmt der Wind ordentlich zu und Regenwolken erscheinen auf dem Radar. Gerade noch rechtzeitig, ziehen wir das Screecher rein. Das Groß ist ja sowieso schon länger im Sack. So fahren wir den zweiten Teil der Nacht nur mit Motor und lassen uns von den Wellen zusätzlich schieben. Klappt gut.
Sowohl Klaus, als auch ich, sind irgendwie sehr müde und wechseln uns fast stündlich ab. Der Morgen naht, doch der Himmel ist vollkommen verhangen und da, wo wir hin müssen, ballen sich dunkle Regenwolken. Ob heute noch die Sonne erscheinen wird? Schwer vorstellbar. Alle Schotten sind dicht, die Fenster und wir beginnen zu schwitzen. Wir sitzen gefühlt in einer Raumkapsel, inmitten des indischen Ozeans. Die Zeit verliert an Bedeutung, Tage ihren Stellenwert und wir unsere vermeintliche Wichtigkeit. Yuti hebt und senkt sich, hebt und senkt sich, hebt und senkt sich… Wasser, überall Wasser. Ich lese Urwelten von Thomas Halliday und werde melancholisch. Er schreibt vom Werden und Vergehen der Kontinente, Meere, der Flora und Fauna im Verlaufe von Jahrmilliarden. Hier und da mit einem Wink auf unsere heutige, sich verändernde Welt. Jedoch ohne irgendeine Anklage, oder Vorwürfe an uns Menschen.
Ich denke an die sich erwärmenden Weltmeere, das Sterben der bunten und filigranen Korallen, das Zerbröckeln so vieler Ökosysteme. Wir haben sie gesehen, die „neuen“, runden, dicken, braunen Korallen. Ist das ein Stück Anpassung? Wir sind sooo klitzeklein, hier, auf dem Ozean, so unbedeutend. Aber wir sind viele, viel zu viele! Und viel zu hungrig für diesen einen Planeten. Und der Hunger der Vielen wird bleiben. Doch unsere Welt verändert sich dadurch zu schnell, um sich evolutionär anpassen zu können. Wie zum Beispiel der Plastik verdauende Wurm, den es ja tatsächlich schon gibt. Daher muss der Wandel, von uns gepuscht, von uns gebremst werden, um Zeit für Anpassungen der Natur und pfiffige Erfindungen unsererseits zu haben. Ob uns das gelingt? Ich bin skeptisch! Wir haben den Turbo gezündet, die Folgen aber nicht bedacht, geschweige denn im Griff.

Kurz vor Sonnenuntergang, hört der Regen auf und wir können zumindest mal die beiden Türen wieder öffnen. Luft….
Kurze Zeit später nimmt der Wind wieder kräftig zu, wir haben Windstärken von 25 bis 28 Knoten. Nicht nur der Wind auch erneuter Regen kommt exakt von hinten. Das Jib wird zur „Sturmfog“ verkleinert, soll unser Boot aber weiterhin stabilisieren. Zum Glück ist Yuti flach und windschnittig konstruiert und somit nicht so angreifbar durch Wind und Welle. Auch ist unser Autopilot, B&G Nac-3 ein super Gerät! Er gleicht den Wellengang perfekt aus, ohne wild hin und her steuern zu müssen. Das könnten wir, händisch, so nicht hinbekommen. Und so hält Yuti famos die Spur. Gegen 01:00 Uhr gehe ich dann erstmal schlafen. 😴

🌊🌊🌊

09. Mai 2023 * 7:00 Uhr * 91 Seemeilen 07:30 Uhr, oahhhh, gähn, was habe ich gut geschlafen, trotz der Schaukelei. So langsam kommen die Seychellen, zumindest auf dem Plotter, in Sicht. Die ersten Untiefen begegnen uns. Mit unseren eigenen Augen, ist aber noch nichts zu sehen.
Klaus frühstückt Tuna mit Kartoffeln, ich brauche ne kleine Tunfischpause.
Die „Nachtausbeute“: Drei Flugfische und eine Sepie liegen tot an Deck und haben ihr Blut hinterlassen. Die Wellen peitschen eben nicht nur Salzwasser übers Boot. Jetzt scheint die Sonne und alle Türen, Fenster und Luken sind auf. Aber, ich muss sagen, ich habe mich gut beschützt gefühlt, als alles geschlossen sein musste. Wie in einer sicheren Raumkapsel eben.
Wind und hohe Wellen schieben uns voran. Es schaukelt links, rechts und hebt sich dann hoch und wieder runter. Große, sehr langgezogene Wellen rollen unter uns hindurch, schön.
Gedankenfetzen: Ich denke an Dhangethi, an die vielen freundlichen Menschen, an Dhanushka, den lieben singhalesischen Kellner dort, mit dem ich noch in Kontakt stehe… War eine wirklich schöne Zeit! Nur die Muezzine vermisse ich absolut nicht!
Wir lesen im Segelführer für die Seychellen, dass der von uns angepeilte Ankerplatz vor Victoria, gerne mal von Langfingern aufgesucht wird. Insbesondere in der Nacht. Oh, mit solchen Sachen hatten wir es bisher ja nicht zu tun. Ausgerechnet auf den Seychellen? Hoffentlich nicht! Das Büchlein ist aber ganz aktuell. Ein beklommenes Gefühl macht sich bei mir breit. Abwarten!!
Wir segeln nun 24 Stunden nur mit Jib. Geht richtig gut! Wir sind zwischen 3 und 4 Knoten schnell, nicht gerade ein Blitz, aber schnell genug, um voran zu kommen und sanft über die Wellen zu gleiten. Heute gibt es den letzten Tuna mit Spaghetti und Tomatensoße. Dann Kakao und Joghurt. Fertig.
Klaus erneuert die Filter vom Wassermacher, ich putze den Grill. Die Außenpolster trocknen schon den ganzen Tag und dann geht es in die vorletzte Nacht.

Toller Mond! Und auch die Milchstraße ist wieder zu sehen. Zu schön!
Übrigens macht Yuti, im Zusammenspiel mit Wind und Welle, nach wie vor die seltsamsten Geräusche. Ich zähle mal auf, was wir so alles hören: Rülpsen, Stöhnen, Pferdegetrappel, Pferdeschnauben, Kotzhusten, Männergeflüster, ja, äh, ey, Stimmen aller Art, Katzengeschrei, Quietschen, Klopfen, Schlagen, Rumpsen, Entengequake, Schlürfen, …

🌊🌊🌊

10. Mai 2023 * 7:00 Uhr * 94 Seemeilen Wieder eine gute Nacht gehabt. Ich wache von 20:00 Uhr bis 01:00 Uhr, Klaus von 01:00 Uhr bis 05:00 Uhr. Dann kann er nicht mehr gut die Augen aufhalten und weckt mich. Denn nun segeln wir auf dem Seychellen-Plateau und müssen ganz besonders gut die Augen offen halten. Die Tiefen von 3.000 bis 5.000 Metern gehören der Vergangenheit an. Jetzt stehen wieder 60 bis rauf auf 10 Meter Tiefen auf dem Plan. Das Plateau ist für Schiffe > 200 Bruttoregistertonnen, Sperrgebiet. Da liegen wir ja wohl knapp drunter 😅. Also Augen auf und aufgepasst! Ach ja, die Karte soll wieder mal nicht verlässlich sein. Man soll sich an einer ominösen Admiralskarte orientieren. Puh, so etwas haben wir aber nicht. Um so wichtiger ist unser Tiefenmesser!! Ich darf also echt nicht einschlafen! Klaus übernimmt wieder um 8:00 Uhr. Ich haue mich aufs Sofa und ratze bis 11:00 Uhr. Dann muss Klaus aufs Dach, um irgendwas am Baum zu fummeln und denkt sich, man, was stinkt das hier?! Kommt dieser Geruch etwa von den Seychellen?? Na dann Prost Mahlzeit… Er vergisst es wieder, muss aber nochmal hoch. Der selbe, fürchterlich stinkende Geruch steigt ihm wieder in die Nase. Puhhh 🤧. Da entdeckt er den Übeltäter. Einen Flugfisch hat’s bis hier oben hoch geschleudert und dieser verwest nun still und heimlich vor sich hin. Weg damit!

Hier ein anderes Exemplar.

Apropos, wir haben keine Unterhosen mehr, saubere meine ich. Die Regenwolken sind fort und Klaus macht die erste Waschmaschine mit seinen Stinkesachen. Dann brauche ich aber auch eine! Die ist dann aber mit meinen Stinkesachen hoffnungslos überladen, und ich muss zweimal tropfnasse Sachen herausnehmen, bis sie endlich ihr Programm abschließen kann. Dann wird alles an Deck zum Trocknen aufgehängt. Wir haben jetzt wieder größere Wellen von der Seite. Manchmal ist ne richtig fette dabei. Hoffentlich geht da nicht mal eine wieder übers Boot. Yuti wackelt gewaltig von rechts nach links. Nicht wirklich angenehm! Wir fahren schon 1 1/2 Tage nur mit Jib. Klaus ist ganz begeistert!! Sein Lieblingssegel, das Screecher, wackelt und könnte bald vom Jib übertrumpft werden… Es ist so robust und sehr vielfältig einsetzbar. Darüber hinaus kann es selbst wenden, was bei diesen stark wechselnden Winden von Vorteil ist. Und bei Downwind ist es toll zur Stabilisierung des Bootes geeignet. Prima 👍. Zu schnell dürfen wir nun auch nicht mehr werden, da wir nicht in der Nacht zum Donnerstag ankommen dürfen! Zwei Stunden vor Ankunft müssen wir uns bei Port Control anmelden. Die Fahrt über das Plateau verläuft völlig unproblematisch, es kommt zu keinen unvorhergesehen Überraschungen.

🌊🌊🌊

11. Mai 2023 * 8:00 Uhr * 100 Seemeilen
Ich wache heute von 19:00 Uhr bis Mitternacht. Wir hören via Hörbuch, viel von Goethe, Schiller, Kant und anderen Berühmtheiten. Interessant bis langweilig, aber es hält mich gut wach. Dann übernimmt Klaus wieder und ich schlafe tief, als er mich um 04:30 Uhr wieder weckt. Er sei sooo müde, aber wir hätten jetzt Internet! 🤗 Was? Dann hat das ja doch geklappt mit der eSIM. Super! Beide sind wir wieder online und können unsere Mails checken und dann die Welt retten… 😂 oder umgekehrt? Ich habe einen Tarif mit 500 MB/Tag und muss daher sehr sparsam sein und darf keine Videos schauen!!! 🤓 Ich torkle noch etwas schlaftrunken an Deck und sehe… LAND in SICHT, die Seychellen, noch im Dunklen aber schön beleuchtet. Wunderbar! Was für ein unbeschreibliches Gefühl!!!

Das hat schon seine eigene Magie, nach 14 Tagen das Ziel fast erreicht zu haben! Wir haben Nachrichten von Tim und Tristan bekommen. Auch Ralley Teilnehmer, die schon ein paar Tage hier sind. Sie beglückwünschen uns zur gelungenen Überfahrt und heißen uns willkommen. Auch das ist ein sehr schönes Gefühl! Dennis, der Amerikaner ist auch unterwegs, muss aber wohl eine noch ausgeprägtere Banane fahren und braucht noch mehr als ein paar Tage. Er habe jetzt Starlink und sei begeistert. Tristan und Tim geben uns schon fleißig Tipps und Infos. Sie selber, machen gerade eine Erkundungstour auf der Westseite von Mahé.

Mittlerweile ist es hell und die Sonne scheint.
Landesflagge und die gelbe Quarantäneflagge sind vorschriftsmäßig gehisst. 🫡

Eben ruft Klaus Port Control an und meldet unsere baldige Ankunft. Wir bekommen die Koordinaten zum Ankern im Quarantänebereich. Gegen 10:00 Uhr werden wir dann den Besuch von Police, Customs, Health und Immigration bekommen. Aufregend, mal wieder! Und da kommen sie auch schon.

Mit einem Pilotboot, was sonst auch die ganz dicken Pötte zum Hafen begleitet.

Männer, drei an der Zahl betreten unser Boot. Auf unserem Boot herrscht übrigens deutsches Recht. Es ist wie ein kleines Stückchen Deutschland. Aber durch das Hissen der Quarantäneflagge zeigen wir an, dass wir uns dem Recht der Seychellen unterwerfen. Es werden wieder Papiere ausgehändigt, andere ausgefüllt, Yuti-Stempel gesetzt und vom Master (Klaus) unterschrieben. Recht schnell und schmerzlos ist alles erledigt. Halt, nein, zum ersten Mal inspiziert einer der drei unser Boot und zwar ziemlich genau. Er geht in beide Rümpfe und öffnet diverse Schränke und Schubladen. Er meint, wir wären gut ausgestattet und hat nichts zu bemängeln. 😅 Sie behalten es sich ja vor, bei Bedarf das Bootsinnere gegen Ungeziefer zu behandeln. Aber nicht bei uns! Bei Messi Dennis vielleicht???
Um 10:45 Uhr sind wir einklariert und immigriert. Jetzt müssen wir nur noch 300 seychellische Rupien (1€ ~ 15 SCR) bei der Hafenbehörde an Land bezahlen und alles ist erledigt. Die drei verlassen wieder unser Boot.

Jetzt dürfen wir die Quarantäneflagge abnehmen und die Landesflagge 🇸🇨umdrehen. Wir haben sie verkehrtherum gehisst. 😂 Für den Besuch der Hafenbehörde, will Klaus an einem Yachtclub ankern, mit dem Dinghy an Land und den Rest zu Fuß machen. Okay. Hat er ja mal wieder alles bestens vorbereitet, mein Kapitän ❣️

Dann wollen wir da mal hintuckern.
Herrlich, der Anblick auf die bergige und grüne Insel!
Wer genau hinschaut, kann die Container für den Hamburger Hafen Süd erkennen.

Ja, der angepeilte Yachtclub liegt im Industriehafen. Nicht gerade idyllisch…aber praktisch, da kostenlos. Wir sind da und versuchen zu ankern. Drei Versuche sind jedoch erfolglos, der Anker greift überhaupt nicht. Dann gehen wir eben an eine Mooringboje. Leichter gesagt als getan. Beim ersten Versuch verliere ich mal gleich den Bootshaken. Den will ich aber unbedingt zurück haben und nötige Klaus dazu, ihm hinterher zu fahren. Hier ist es allerdings recht flach mit 4 bis 5 Metern Tiefe, und Klaus findet diese Aktion gar nicht gut 👎. Am Ende habe ich den Haken aber wieder und wir nehmen uns eine ganze Mooringkette an Bojen vor. Diesmal fährt Klaus rückwärts ran, ich komme so viel leichter an die Mooring heran und spanne zwei unserer Leinen, rechts und links, im V an der Mooring fest. Der schnelle Palstekknoten ist hier gefragt. 😬 Ob ich den so schnell kann? Huuu, ich glaube, es müsste klappen. Nun ist Yuti fest, wenn auch rückwärts, wie es sich nicht gehört, aber wir wollen ja gar nicht lange bleiben. Ob das mit der Mooring eine gute Idee war? Und wie wir zur Hafenbehörde gelangen? Dazu später mehr… 👋

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