Was ist eigentlich fady?

Und was kauen die Madagassen da ständig?
Also fady sind Verbote oder Gebote auf Madagaskar, welche das tägliche Leben der Madagassen regeln. Sie haben den Stellenwert religiöser Gebote. Übersetzt heißt es so etwas wie tabu. Es gibt sie für ALLE Lebensbereiche und sie gelten heute noch genau so, wie vor hunderten von Jahren. Auch, wenn sie in Städten nicht mehr die Rolle spielen wie auf dem Lande, wissen doch alle um sie Bescheid. Hierbei handelt es sich um Tabus, Ahnenkult, Aberglauben und Glaube an Geister, Zauberer und Medizinmänner. Sie entstanden innerhalb der Familien oder des gesamten Stamms, foko, oder auch Ethnie genannt. Auch wenn diese Familien nicht mehr bestehen sollten und man gar nicht mehr weiß, wieso, warum, weshalb, sie bestehen weiter. Grundsätzlich quält die Angst, wenn man sich nicht an fady hält, dass es ordentlich Ärger der Vorfahren gibt, bis hin zu Verfluchungen. Und es gibt sehr viele fady! Da die Madagassen aber aus sehr vielen Stämmen und Unterstämmen bestehen, 18 werden offiziell vom Saat anerkannt, es sind aber tatsächlich viel, viel mehr, gilt nicht jedes fady für jeden Stamm gleich. Das kann sehr hilfreich sein. Denn ist bei einem Stamm das Fangen bestimmter Lemuren verboten, also fady, das Essen dieser aber nicht, ist es bei einem anderen Stamm gerade umgekehrt. Wie praktisch! Der eine fängt, verkauft an die anderen und die können diese dann essen… Es gibt unendlich viele dieser fady. Auch ganz schreckliche sind dabei. Bei dem Stamm der Antambahoakas, bedeutet eine Zwillingsgeburt großes Unglück für die Mutter und das gesamte Dorf. Um diesem Unglück zu entgehen, muss mindestens ein Zwilling verschwinden. Oft werden sogar beide im Wald ausgesetzt und ihrem Schicksal überlassen, also dem Tod. Oder sie werden auf ein Feld gelegt und eine Herde Zebu Rinder darüber gejagt. Sollte eines der Kinder, oder auch beide überleben, gilt der Fluch als aufgehoben. Das erinnert mich doch stark an die Hexenjagd in Europa. Da das aber nicht bei allen Stämmen so gilt, verlässt auch schon mal eine Mutter mit ihren Kindern heimlich ihre Familie und flüchtet zu einem anderen Stamm, wo Zwillingsgeburten als besonders Glück betrachtet werden. Dazu muss sie sich aber über das Gebot, ihr Leben lang immer dicht bei ihrer Familie zu leben, hinwegsetzen und auch nicht an den Fluch für ihr eigenes Leben glauben. Viele fady sind verwirrend und gar gegensätzlich. Mal gibt es ein Rot-Tragegebot, mal ist rote Kleidung strengstens verboten. Auch Regeln für Schwangere sind höchst komplex. Man darf sein Kleid nicht über dem Bauch binden, sonst verwickelt sich die Nabelschnur ums Kind. Man darf nicht vor der Tür des Hauses sitzen, was allgemein immer und gerne gemacht wird und den Ausgang versperren. Sonst kommt das Kind bei der Geburt nicht durch den „Ausgang“ und es gibt Komplikationen, und so weiter und so weiter. Ich denke, vieles behindert die Menschen sehr in ihrem Fortkommen. Wenn aber für 10.000 Madagassen nur knapp zwei ordentliche Ärzte zur Verfügung stehen und 90 Prozent weder eine Krankenversicherung noch Geld für eine medizinische Behandlung haben, hält man sich lieber an fady, als haltlos durchs Leben zu taumeln. Ist ja eigentlich überall auf der Welt mehr oder weniger so. Und da ist es auch nur zu verständlich, dass man oft und gerne die Blätter des Kathstrauchs kaut. Und zwar nur die jungen Blätter, von den Zweigspitzen der Büsche.

Sie stellen eine berauschende und akzeptierte Alltagsdroge für die Mehrheit der Bevölkerung dar. Bei fast 30 Millionen Madagassen, ein lohnendes Geschäft für den Anbau und Vertrieb. Die Blätter werden gekaut, zu einem Knäul geformt und in der Backentasche zwischengeparkt. Dann immer wieder mal eingespeichelt und ausgezuscht. Der Saft ist bitter und das gelöste Cathin ist ein Amphetamin. Die dicken, ausgebeulten Backen habe ich schon oft gesehen, auch die Säcke voller Zweige und den schnellen Verkauf. Die Wirkung ist ein allgemeines Wohlbefinden, eine fröhliche Einstellung, ein gesteigertes Bedürfnis sich mitzuteilen, sowie ein Mittel gegen Müdigkeit und Hunger. Ein Marino sagte mir, es sei inspirierend. Ahaaa, mal ausprobieren? Nach ungefähr zwei Stunden lässt die Wirkung nach und endet eher in einer depressiven Verstimmung. Toll! Dann lieber doch nicht. Bei hohem Konsum drohen Lethargie, Schlafstörungen und Impotenz. Wobei die Männer hier unter letzterem wohl nicht leiden. Es gibt unglaublich viele Kinder!

Auf jede Frau und jedes Mädchen, kommen vier Kinder. Ja, viele sehr junge Mädchen laufen schon mit einem Baby herum.

Oft hört die Schulbildung schon nach sechs Jahren auf, wenn sie überhaupt jemals begonnen hat. Es gilt zwar offizielle Schulpflicht und Grundschulen sind kostenlos, doch kostet Schulkleidung und Schulmaterial Geld, welches viele nicht haben, oder, es gibt grad keine Schule in erreichbarer Nähe. Pech gehabt. Dann wird eben schon als Kind gearbeitet oder/und die jungen Mädchen geschwängert und verheiratet. Dann hat man sie vom Geldbeutel, aber durch das Nicht-Wegziehen-Gebot doch in der Nähe. Eine andere Möglichkeit stellen die alten, weißen Männer dar. Viele konnte ich beobachten. Viele schon echte Tattergreise, aber immer in Begleitung von jungen Madagassinnen. Ist es eine Win-Win-Situation? Muss man wohl mal drüber nachdenken. Wobei es mich jedesmal schüttelt… 😖

Dabei ist Madagaskar ein Land voller Schätze. Schätze von unglaublichem Artenreichtum an Pflanzen und Tieren, die sich nur hier entwickelt haben, da sich Madagaskar schon sehr früh vom Festland Indiens und Afrikas trennte und eine eigene Artenvielfalt entwickeln konnte. Leider ist dieses Erbe durch Brandrodung, Ausbreitung der Menschen und Klimawandel gefährdet oder bereits verschwunden. Vom tropischen Regenwald sind gerade mal noch 10 Prozent erhalten. Der große Rest ist weg, die Tropenhölzer gefällt und verkauft. Viele Hilfen aus aller Welt sind im Sande verlaufen oder in korrupten Kanälen verschwunden. Sehr schade, denn das was noch da ist, ist wunderschön und wir wollen möglichst noch viel davon sehen! Zum Beispiel die mystisch aussehenden Baobabs.

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