So, ich habe die halbe Nacht nachgelesen, mit Schlaf war sowieso nicht viel. Ich war viel zu zappelig, die Nase war zu, die Haut und Lippen rau und spröde. 🥱 Die Höhe… Wir fahren heute gaaanz viel Bus und starten gaaanz früh. Los geht’s um 6:45 Uhr in Puno, und inklusive 5 Sightseeing-Pausen werden wir erst am Abend das Heilige Tal der Inka, das Urubamba Tal, erreichen. Es gibt einen Touristenführer, der einem sagt, wo man in Peru nicht hinreisen sollte. Juliaca ist so ein Ort. Er liegt in der ärmsten Region Perus und ist der Hotspot des Schmuggels. Über 60 % der dortigen Bevölkerung lebt vom Schmuggel. Juliaca liegt im Nordwesten des Titicacasees, und dieser wird für den Schmuggel von Peru nach Bolivien und umgekehrt missbraucht. Die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft durch den See. Peru liefert Cocablätter und das Endprodukt Kokain, Lebensmittel, Klamotten und vieles mehr und bekommt von Bolivien Sprit, Quecksilber für illegales Goldschürfen und Frauen zur sexuellen Ausbeutung (Menschenhandel). Seit der Corona-Pandemie ist das Schmuggleraufkommen extrem angestiegen. Die Behörden beider Länder haben dem nicht viel entgegenzusetzen, ihnen fehlen die finanziellen Mittel. Und was machen wir? Wir fahren gerade mitten durch Juliaca.




Ich dachte ja, dass das Fischmehlörtchen schon der Sieger der Hässlichkeit sein würde. Dann kam die Uferbebauung des Titicacasees von Puno, die mich wirklich geschockt hat, aber Juliaca setzt dem ganzen noch die Krone auf. Dreck, Staub, Smog, aufgerissene Straßen, zerfallene Häuser, Bauschutt überall, ein wirklich düsterer Ort. Das einzig „Schöne“ in Juliaca sind die unheimlich vielen neuen Tankstellen. Die, so erfahren wir, sind die Geldwaschanlagen der Schmuggler. Jeder der Geld zu waschen hat, baut ne Tankstelle. Wie gesagt, es gibt hier seeehr viele… ⛽️⛽️⛽️⛽️⛽️⛽️ ⛽️……. und der Sprit kommt weiter billig aus Bolivien.🇧🇴



Auch stehen viele Wellblechtoiletten am Straßenrand. Eine funktionierende Kanalisation gibt es nicht. Ist das Loch unter dem Häuschen voll, wird es einfach ein paar Meter versetzt und ein neues Loch gegraben. Woher weiß derjenige der gräbt, dass da, wo er gräbt, nicht schon eins war??? 💩


Man bin ich froh, wenn wir hier endlich durch sind‼️Mechthild und ich müssen ja keine Sorge mehr wegen Frauenhandel haben, aber unsere beiden Mädels?? Ich glaube, die beiden wissen gar nichts von den Machenschaften in Juliaca. Und derjenige hätte auch die Rechnung ohne Manfred, ihrem Vater, gemacht. Der ist ja sowas von fit und auf Zack, das glaubste nicht. Und durch das Aufwachsen als Pole in Polen ist er auch mit allen Wassern gewaschen und verfügt über ausreichend Unterweltwissen, wie man sich so zur Wehr setzen kann… 😎. Überhaupt sind die Drei prima!! Wenn wir die nicht in der Gruppe hätten, dann wäre die ganze Geschichte hier wirklich traurig! Aber so…. Manfred hat viele spannende Geschichten auf Lager und mit den Mädels, insbesondere mit Charlotte haben wir richtig viel Spaß❣️ „Oh ha“, ist einer ihrer regelmäßigen Kommentare, aber mit Hamburger Slang, und da ist sie bei Klaus genau richtig. Die beiden foppen sich bei jeder Gelegenheit, zu lustig! 😂
Und nun sind wir auch raus aus dem Sündenpfuhl. 😮💨








Wir nähern uns dem Mittagslokal, was aber mehr einer Mensa gleicht. Massenabfertigung ist hier das Thema, denn alle Reisegesellschaften karren ihre Gäste hier her.

Weiter geht es durch die Prärie.



Wir haben übrigens gerade den heutigen Peek des Passes erreicht und schweben nun auf 4.335 Metern Höhe. 🤪



Vielleicht liegt es am Höhenrausch, aber ehe ich mich versehe, hat Klaus schon einen Alpaka-Pullover an und ist am Verhandeln. 🤭

Und man staune, auch Mechthild lässt sich erweichen und kauft einen Schal.

Nach dem Toilettengang und noch etwas Fachgesimpel, geht’s wieder in den Bus und weiter.


Das Heilige Tal der Inka, der Name stammt von den Spaniern, ist das Tal der Landwirtschaft. Durch perfekte Bewässerungssysteme, die bewährte Ausnutzung der Hänge durch Terrassenanbau und ideales Klima kommt es hier zu erstaunlich reichen Ernten. Die Anfänge des Urubamba Tales, so der Name der Inka für dieses Tal nach dem dortigen Fluss, ist hier schon zu erkennen.





Raqchi ist der Ort einer bedeutenden Inka-Stätte. Hier besichtigen wir jetzt den Tempel von Wiracocha. Aber auch weit vor den Inkas, 200 Jahre vor Christus, gab es hier bereits Ansiedlungen verschiedenster Anden-Kulturen und entsprechende archäologische Funde. Doch übriggeblieben sind typische Inka-Bauten, wie ein beeindruckender Tempel und eine riesige Ansiedlung an Vorratsgebäuden.








12 hintereinander gereihte Wohnhäuser waren ausschließlich für astronomische Beobachtungen vorgesehen. Überhaupt waren den Inkas Sternenbilder, Sonnen- und Mondverläufe sowie die Sonnenwenden im Sommer und Winter sehr wichtig, um den landwirtschaftlichen Kalender zu prognostizieren, so auch hier.
Wir witzeln gerade mit einem Trupp österreichischer Touristen, die gerne von uns als Gruppe fotografiert werden möchten, aber äußerst schwierig zum Lachen zu bringen sind… Dann zeigen wir ihnen mal wie das geht…

Danach schauen wir uns das Hauptgebäude, den Tempel von Wiracocha mal genauer an, beziehungsweise das, was von ihm noch steht.




Also, das ist die mittlere Stützwand des großen Tempels . Ich habe mir eine kleine Broschüre gekauft, auf Deutsch, die mir die gesamte Anlage erklärt. Und so sah der Tempel wohl mal aus:

Was davon übrig blieb, sind Teile der mittigen Stützmauer und kleine Reste der Stützpfeiler, sowie der Sockel der Außenmauern. Da sich über allem ein Ichu-Grasdach spannte, waren die unteren „Fenster“ einfach große Durchgänge und die Fenster darüber für Luft und Licht, oder so ähnlich…
Entstehungszeit? Fünfzehntes Jahrhundert. Im Tempel wurden religiöse Zeremonien zu Ehren des Gottes Wiracocha abgehalten. Wiracocha galt als unsichtbarer Hauptgott. Er galt als Schöpfer der Sonne, des Mondes, der Sterne, der Tiere und Pflanzen, der Menschen und der Erde, also als Weltenerschaffer sozusagen. Mensch, das ähnelt ja schon fast unserem Gott. Die vielen anderen Götter könnten bei uns die vielen Heiligen sein, die ja auch für dies und das angebetet werden. Also ich sehe da starke Parallelen….
Trotzdem kamen auch hier die Spanier daher und zerstörten so vieles. Sie wollten die Vielgötterei ausmerzen und vernichteten fast alle Tempel und unzählige religiöse Schmuckstücke sowie Statuen und religiös Dekoratives. Auch mauerten sie vieles in ihre eigenen Kirchen mit ein. Damit war es dann auch weg. Fast alle Gold- und Silberdekorationen wurden geraubt, eingeschmolzen und nach Spanien verfrachtet. Gerade große, religiöse Anlagen waren über und über mit Gold und Silber ausstaffiert. Es muss umwerfend ausgesehen haben.


Das Dorf um die Heilige Städte zählt heute noch 150 Familien, die in ähnlicher Art und Weise ihr Leben führen wie ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren. Außer, dass der Tourismus dazugekommen ist, von dem sich auch gut leben lässt.

Um die Kapelle des Erzengels Michael, natürlich spanischem Ursprungs, gruppiert sich ein hübscher Markt, mit vielen regionalen Souvenirs. Wir schauen natürlich auch.


Eine Marktfrau hat Spaß, mir ihren traditionellen Hut zu verpassen. Wir freuen uns gemeinsam. 😁



Das christliche Kreuz und im Hintergrund das Andenkreuz stehen nicht wirklich im Gegensatz zueinander.

Im Vordergrund steht offiziell sicher das christlich katholische Kreuz, sind ja 95 % der Bevölkerung Katholiken. Doch das Andenkreuz der Inkas hat seine extrem vielfältige Bedeutung für die Menschen bis heute nicht eingebüßt. Alles ist miteinander verknüpft und beeinflusst sich gegenseitig. Das Andenkreuz begegnet einem überall. Als Schmuckanhänger, als Statue, als Bildnis, als Relief, als archäologischer Fund, etc.. Die Deutung dieses Kreuzes ist hochkomplex und nicht sicher erforscht, so habe ich den Eindruck. Es reicht weit zurück und wurde schon 1.000 vor Christus bei Vor-Inka-Kulturen entdeckt. Es ist auf jeden Fall ein mindestens dreistufig gearbeitetes Kreuz und wird von oben betrachtet, wie eine dreistöckige Pyramide. Jetzt können die Ebenen für die obere, die mittlere und die untere Welt stehen, für den Kondor, den Puma und die Schlange, als auch für die wichtigsten Fähigkeiten des Menschen, wie zu lieben, zu handeln und zu denken. Der Mittelpunkt kann sowohl für ein Auge stehen, als auch für die Mutter Erde, die Pachamama. Dann gibt es sehr viele Querverbindungen mit wieder eigenen Bedeutungen und Eckpunkte mit bestimmten Bedeutungen und verschiedene Jahresdaten und, und, und. Ich stecke auf, es ist mir zu verworren und komplex. Für die Peruaner ist es allgegenwärtig und mit dem strengen katholischen Glauben vermixt.



Gleich erreichen wir die „Sixtinische Kapelle der Anden“, in Andahuaylillas, ein schier unaussprechbarer Ortsname.



Die Kirche San Pedro de Apóstol, wurde zwischen 1570 und 1606 im Barockstil der Anden erbaut und über die Jahre von sehr gut ausgebildeten Malern gestaltet. Es gibt kein Plätzchen, was nicht bemalt wurde. Jede Wand, jeder Balken, jede Decke, einfach alles…, so ein Ausspruch von damals. Drinnen ist das Fotografieren wieder einmal nicht erlaubt. Ich versuche es aber trotzdem!


Zwei Fotos sind mir geglückt, dann werde ich höflich aber mit Nachdruck daran erinnert, dass das Fotografieren verboten ist! 🧐 Okay, okay,… ich mache es nicht mehr. Der Anblick der Kirche ist schon beeindruckend! Dass wir diese ganze Pracht überhaupt so erleben können, liegt an 4-jährigen Restaurationen, die 2008 begannen und 2012 zum Abschluss kamen. Große Mengen Schlamm und Fledermauskot mussten entfernt und so mancher Erdbebenschaden behoben werden. 1,5 Millionen US-$ hat der Spaß gekostet. Ich denke schon, dass sich die Mühen gelohnt haben.

Aber haben sich auch unsere Mühen gelohnt? Hm… Da bin ich mir nicht ganz so sicher. Die Busjuckelei ist mordsmäßig anstrengend und echt unkomfortabel. Ich staune, wie Mechthild das so mit ihren 76 Jahren aushält!!! Und immer noch haben wir eine gute Stunde zu fahren…

Als wir unser hübsches Hotel erreichen, in dem wir dieses Mal sogar 2 Nächte bleiben werden, ist keiner mehr fit und gewillt noch ins Becken zu springen. Klaus und ich sowie Manfred mit seinen Töchtern werden noch essen gehen, im angeschlossenen Lokal. Es wird uns ausgezeichnet schmecken, von Mechthild gibt es kein Auftauchen mehr, und dann fallen wir müde und gerädert in unsere Betten. Das war‘s…
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