Das Kanal-Abenteuer beginnt

Lasst die Spiele beginnen, bin ich versucht zu sagen. Aber ein Spiel wird es wohl sicher nicht werden, diese Reise durch den Panamakanal! Einige Dinge liegen noch im vagen und werden von der Kanalbehörde erst kurz vor der ersten Schleuse entschieden. Zum Beispiel, wie wir nun geschleust werden. Mit NIU im Päckchen, alleine oder an einem Tug-Boot festgebunden…? Wir wissen es nicht, aber was wir wissen ist, dass Uwe und Luise sich um 13:30 Uhr, mit gepackten Rucksäcken, einem frisch gebackenen Marmorkuchen und selbstgebackenem Brot, geschniegelt und gestriegelt zum Dienst melden werden. 🤗 Ihr Bett ist bereitet, das Mittagessen gekocht, der Obstsalat geschnippelt. Und pünktlich ⏰ wie die Maurer sind die beiden da.

Na, Klaus ist ja wohl noch vollkommen tiefenentspannt und liegt wie dahingegossen da. Luise ist sich dem Ernst der Lage hingegen voll bewusst. Ach wie schön, Tito ist auch schon da! Ein schlanker, drahtiger Mann in den Sechzigern, ohne vordere Zahnreihe, (ich glaube, die Zähne fangen bei ihm erst mit den Fünfern an), aber sonst sehr gepflegt und sehr, sehr nett. Er kommt mit weißen Schuhen an Bord und zieht diese sogleich auch aus. Vorbildlich! Es gibt ein kurzes Briefing und um 15:30 Uhr sollen wir ablegen, um 16:00 Uhr steigt der Advisor dazu. Okay! Dann entschwindet Tito noch einmal und besucht die NIU. Tito steht mit allen in Kontakt, mit Roger, unserem Agenten, mit der Kanalbehörde und sicher auch mit dem Advisor. Ich glaube, mit dieser Crew brauche ich mir gar keine Sorgen mehr zu machen. 😁
Tito kommt zurück und sagt, dass wir eine Viertelstunde später starten werden. Der Advisor ist noch nicht auf dem Weg. Aber, aber die NIU läuft doch schon aus… Warum? Ach, die fährt jetzt erst noch zum Tanken?!? Südeuropäer müsste man sein, die sind so gechillt, dass die noch kurz vor Start das Boot betanken lassen. Cool 😎 ! Jan und Biggi kommen, sie sind so lieb und helfen uns gleich beim Ablegen. So, jetzt geht’s aber loooos. Tschau ihr Lieben, tschau Shelter Bay Marina, lange waren wir jetzt hier. 👋✋👋
Klaus steuert uns aus der Marina heraus, rechts um die Ecke, aus der Hafeneinfahrt und raus aufs offene Meer.

Ja, die See ist schwibbel-schwabbelig.

Die Koordinaten sind eingegeben und es wird die Position eines Wracks angesteuert. Ach, da sehen wir ja auch die NIU wieder. Die wartet in der Nähe eines Frachters auf ihren Advisor.

Tito teilt uns mit, dass unser Advisor noch ca. eine Stunde auf sich warten lassen wird, daher sollten wir jetzt besser ankern. Okay, das machen wir dann auch. ✅ Die See ist wellig, der Wind kräftig, die Stimmung bestens.

Erst einmal gibt es Luises leckeren Marmorkuchen❣️Tito ist ganz begeistert und möchte gleich noch ein Stück.

Eine kleine Verschnaufpause, der viele Kuchen muss erstmal sacken. Die Strümpfe, erklärt er uns, sind von seiner Mama gestrickt❣️

Nach dem Kuchen hätte Tito gerne noch einen Snack. Er bekommt Tunfischwraps mit Kartoffel-Eier-Rote Beete Salat. Er schnabuliert alles weg. Derweil, … wir warten und warten auf den Advisor.

Erklärende Konversation, im Hintergrund die NUI vor einem roten Tanker.

Tito ist echt sympathisch und mitteilsam. Er erzählt uns von seinem Engagement für vernachlässigte Kinder in Colón. Colón sei ein gefährliches Pflaster, Gewalt und Kriminalität stehe dort auf der Tagesordnung. Wenn Vatertag sei, hätte er 60 Kinder und mehr bei sich am Tisch. Er ist sehr stolz und glücklich über seine Aufgabe. Ob er denn auch eigene Kinder habe, meine Frage? Ja, fünf. Fünf Kinder von fünf Frauen. Hopsa ❣️ Da grinst er nur. Er habe auch eine deutsche Freundin in Berlin. Aha… 😃. Haben wir mit Tito etwa einen kleinen Gigolo an Bord? Seine aktuelle Herzensdame sei eine Einheimische von den San Blas Inseln. Hat er mit ihr auch ein Kind? Nein!!! Die habe selber fünf Kinder von mehreren Männern, der Bedarf sei beiderseits gedeckt. Grins… 😉. Dann kommt Leben in die Kuchenbude, der Advisor kommt.

Wie kann er am besten dazusteigen? Hinten ist die Treppe zu tief, die Seitenreling ist auch geöffnet, die Fender zum Abfendern liegen bereit.
Militärische Begrüßung 🫡.
Er will aber weiter vorne rüberspringen, da kann er sich besser an den Wanten festhalten.

Mein Puls steigt. 📈 Ich muss ihn gleich fragen, was er essen möchte ❗️Gleich die erste Frage muss das sein, hat Roger gesagt‼️Es ist 17:12 Uhr, Ivan ist an Bord und …… macht DIÄT. 😳 Nicht sein Ernst❓Das glaub ich jetzt nicht‼️Witz komm raus, du bist umzingelt! 🤣 Jepp, aber gegen einen Tunfischwrap hätte er nichts einzuwenden, oder zwei….? Aber Obst, nein Obst möchte er nicht. Sprudelwasser wäre fein und stilles Wasser dazu. Okay, soll er alles haben.

Briefing

Ivan der Schreckliche❓Nein, Ivan ist nett, erfahren, resolut und gibt klare Anweisungen. 👍 Nun sind wir komplett, lichten den Anker und fahren los. Die ganze Geschichte läuft unter Motor, segeln ist verboten. Klar, muss jetzt doch alles koordiniert werden. Wir, die NIU, ja wir werden mit ihr ein gemeinsames Päckchen „packen“ und der Frachter, mit dem wir zusammen in die ersten drei Schleusen gehen werden.

Mit dem vielleicht?
Ja, der wird es sein. Die Mari Boyle wird mit uns zusammen geschleust werden. Oder vielmehr wir mit ihr.

Alles läuft ab nun über Advisor Ivan. Er steht mit allen weiteren Akteuren in Kontakt und instruiert Klaus entsprechend. Klaus ist ruhig, sehr konzentriert und souverän. Passt!

Wir haben unsere Dreifachtür hochgezogenen und somit gut Platz auf dem Boot. Zum großen Glück scheint die Sonne und es regnet nicht.

Ein Tug-Boot kommt und setzt sich hinter die Mari Boyle.

Wir folgen unauffällig. Und die NIU folgt uns. Wir wundern uns bloß, warum sie so langsam fährt und einen recht großen Abstand zu uns hält? Alle nähern wir uns jedoch der Brücke, über die wir schon sooo viele Male mit dem Shuttle Bus zum Einkaufen gefahren sind. Jedes Mal haben wir unsere Hälse lang gemacht und auf das Schleusengeschehen geblickt. Nun schauen wir von einer ganz anderen Perspektive ….

Die Sonne verabschiedet sich.

Ivan ist mittlerweile tiefenentspannt, zieht sich in den Salon zurück und schaut auf seinem Smartphone Fußball. Wir schmeißen derweil ne Runde Coca Cola und Snickers. Ivan bleibt standhaft.

Der Mond ist aufgegangen.

Wir nähern uns kontinuierlich der schönen Brücke. Ich kann gar nicht genug Fotos schießen, die Abendstimmung ist einfach wunderbar❣️

Und jetzt sind wir unten durch. Das ist einmal über die linke Schulter geschaut und einmal über die rechte Schulter.
Linke Schulter, rechte Schulter.

So, jetzt wird es langsam ernst. Das Schleusengelände naht. Aber wo ist unser Päckchenpartner? Die NIU liegt immer noch ziemlich weit zurück. 🤔

Klaus soll ganz rechts, ganz nahe der Bojen fahren und langsamer werden. Ich glaube wir sollen so die Fahrrinne frei halten und auf unser Partnerboot warten.
Just wird sie schneller und schließt endlich auf. Die Mari Boyle ist schon Richtung Schleusenkammer gefahren. Ach ist das alles aufregend❗️

Schöne Beleuchtung❣️

Ein letzter Blick zurück, dann verknoten wir uns miteinander. Das Päckchen wird geschnürt. 🎁

Die dicken Fender schützen uns gegenseitig.

Gut dass wir Tito dabei haben‼️Der weiß nun wirklich gut Bescheid und managed das Verknoten souverän. Auf dem spanischen Boot geht es eher unkoordiniert, ahnungslos und laut zu. Alle quasseln da durcheinander und südländisch temperamentvoll. Mindestens 6 Kinder sind an Bord und junge Leinenhändler, doch wo sind die Profis❓Auch den Advisor kann ich gar nicht wirklich identifizieren. Die, die uns zusammenknoten sollen, haben jedenfalls keine Ahnung. Tito muss das alles regeln. Für die Kinder ist es mehr ein Happening.

Mehr Fender gehen nun wirklich nicht!

So geschützt und verknotet geht’s jetzt langsam zusammen weiter, bis in die erste Schleusenkammer hinein. Jetzt gilt es natürlich die Motorkraft und das Steuerverhalten gut aufeinander abzustimmen. Ivan ist jetzt dicht an Klaus‘ Seite und gibt ihm seine kurzen, helfenden Anweisungen. Gleichzeitig ist er mit dem anderen Advisor im ständigen Funkkontakt, oder ruft entsprechend laut rüber.

Man achte auf den rot-grünen Pfeil. Er zeigt an, in welches Becken wir fahren sollen. Die alte Schleuse hat zwei Stränge, die parallel genutzt werden können. Wir fahren nun in den rechten Schleusengang ein. Ein gutes Stück weiter westlich verläuft der ebenfalls zweisträngige neue Kanal. Der ist aber nur für die ganz, ganz großen und dicken Pötte vorgesehen.

Vor uns liegt schon die Mari Boyle.

Wie läuft die Chause gleich ab? Also, die vor uns liegenden drei Schleusenkammern werden uns dreimal neun Meter hochschleudern. Nein, das bitte nicht! Das Schreibprogramm mal wieder. 🙄 Hochschleusen natürlich. Oben angekommen erreichen wir den Gatúnsee. Auch der ist künstlich angelegt, verbindet beide Schleusenanlagen miteinander und dient zur regionalen Wasserversorgung und auch als Naherholungsgebiet. Ah, deshalb müssen wir die Schwarzwassertanks geschlossen halten. 🤭

Jau, das müssen wir natürlich alle für uns und die Nachwelt festhalten. 📸
Diese Locks werden den Dicken vor uns dann ziehen und bremsen.

Jetzt gibt Ivan das Kommando für uns Leinenhändler, alle auf ihre Plätze zu gehen! Uwe und Luise gehen nach vorne, Tito und ich stehen hinten bereit. Ehe ich mich versehe, fliegen auch schon die Affenfäuste. Ich höre sie nur laut aufs Boot aufschlagen. Hoffentlich ging nichts kaputt! Es kommt schon mal vor, dass Lukenfenster oder Solarplatten zu Bruch gehen. Affenfäuste sind kleine harte Bälle, die mit einer dünnen Hilfsleine verbunden sind. Sie werden von den Kanalmitarbeitern an Land zu uns geworfen, damit wir die dicken, schweren Leinen mit ihnen verknoten können. Mit Webeleinstek oder Palstek :

Na, wer kann ihn von den Seglern auf Anhieb? Aus dem See raus, um den Baum rum und wieder in den See rein. 😉Dann wird die Hilfsleine mit der dicken wieder hochgezogen und die dicke Leine über einen Poller gelegt. Das passiert gleichzeitig auf unserer linken Seite und der rechten Seite vom spanischen Boot. So sind wir dann in der Schleuse gut befestigt.

Uwe soll die Leine anziehen und sichern, so Ivans Kommando. Aber was heißt „popa“? Hintern?? Das ruft Ivan zweimal zur NIU rüber. 🧐 Tito händelt die Leine hinten. Luise und ich passen auf, dass die dicken Leinen auch immer ordentlich liegen, so dass die Männer nicht mit Tüdelkram zu kämpfen haben.

Schau an, er hat ja auch seine Schuhe ausgezogen. 👍 Luise, Uwe, Klaus und ich haben unsere Bootsschuhe an. Damit haben wir mehr Grip und Stabilität.

Apropos Stabiliät… Irgendwie sind wir immer ganz schön schief. Unser Päckchen liegt einfach ständig schräg im Wasser. Entweder müsste Uwe die Leine mehr anziehen, oder die NIU müsste mit dem Steuerbordmotor mehr Gas geben… Aber Ivan sagt nichts weiter dazu. Komisch 😐

Das Tor schließt sich.
Uwe zieh! Uwe zieht!! Der Druck auf seiner Leine ist immens!!!
Zu

Das Wasser brodelt, wir werden nun hochgeschleust, die Leinen müssen eingeholt und auf Spannung gehalten werden. 🥵

Huch, da sind wir ja schon fast oben. Das ging jetzt aber schnell!
Kurze Verschnaufpause.
Weiter geht’s ins nächste Schleusenbecken.

Dabei werden die schweren Leinen wieder an Bord gezogen, so dass die Leinenhändler an Land, nur die leichten, dünnen Leinen weiterziehen müssen. Dabei geht es über die Mauern, die Treppen hoch und wieder runter.

Nächste Kammer.
The same procedure…

Das Schleusenbecken ist voll, wir sind jetzt 18 Meter höher.

Wir folgen dem Dicken ins dritte und letzte Schleusenbecken.

Uiuiui, hier sind wir wieder ganz tief unten. Und auch wieder etwas schief!

Aber auch diese 9 Meter geht es wieder, wie im Fahrstuhl, nach oben.

Geschafft 🙌 👍 👏!

Die Mari Boyle ist schon ab und davon. Das ist dann übrigens auch nochmal ein gefährlicher Moment, wo der Dicke Gas gibt und das Wasser verwirbelt.

Unsere beiden Maste, noch sind wir zusammen.
Uwe und Luises Job ist erstmal getan. 😁

Jetzt knotet uns Tito noch auseinander, und jeder von uns fährt wieder eigenständig weiter. Raus aus dem Schleusenbereich und rein in den Gatúnsee. Die Übernachtungsboje ist nun das letzte Ziel für heute. Von dort wird dann auch Advisor Ivan abgeholt werden.

Ist das unser Dicker aus der Schleuse? Nein. Die Mari Boyle ist bereits über alle „Berge“.

Zu den Übernachtungsbojen ist es nicht mehr weit, und plötzlich wird Ivan etwas unruhig. Ob das Abendessen schon fertig sei, ist seine bange Frage? Selbstverständlich, ich müsste es nur noch warm machen. Ja dann würde er jetzt doch noch ganz schnell etwas essen, bevor er gleich abgeholt würde. Was ist das eigentlich für eine Diät, die er da macht? Allerhopp, ich jumpe in die Küche und drehe das Gas auf volle Pulle. Zacki zacki hat er das Essen auf dem Teller. Wir erreichen die Boje, und Tito macht uns, wie vorgeschrieben, seitlich fest.

Die See ist nach wie vor ziemlich kabbelig und unruhig. Das Liegen seitlich an der Tonne daher ungünstig. Aber es ist nunmal so vorgeschrieben.

Unsere armen kleinen Klampen. Was müssen die alles aushalten… 😓!

Und da wird dann auch unser Advisor abgeholt. Vielen, vielen Dank für die gute Hilfe, sagen wir, schütteln die Hände, er lächelt und steigt zufrieden und satt 😉 von Bord. Sein Taxiboot saust kraftvoll mit ihm davon und das war‘s…
Jetzt setzen wir fünf uns erstmal an den Tisch und dinieren in Ruhe. Zum Nachtisch gibt’s dann endlich auch den Obstsalat und um 23:15 Uhr heben wir die illustre Runde auf und versuchen zu schlafen. Die NIU ist an der Boje vis à vis festgemacht und wackelt ebenso hin und her wie wir. In der Koje, ich liege ja neben Klaus, ist das Geräusch der Leinen an der Boje fürchterlich laut. Es ruckt, reißt und quietscht beängstigend. Ganz abgesehen davon, dass Yuti stark schaukelt und schwankt. Hoffentlich halten unsere Klampen das aus, ist Klaus‘ größte Sorge. Und so fallen wir in einen unruhigen und nur leichten Schlaf. Wie wird es morgen werden? Wann kommt der neue Advisor? Um 8:00 oder erst um 9:00 Uhr? Halten die Klampen? Kommen Krokodile an Bord, die es hier massig geben soll? Wann beginne ich das Frühstück vorzubereiten? Wie wird der zweite Advisor sein? Ob diesen Job wohl auch Frauen machen? Wird NIU wieder so langsam sein? Schaffen wir dann zeitlich auch alles? Wann koche ich das zweite warme Essen? Wird das Runterschleusen auch wieder gut klappen? Alles verknäult sich zu einem großen Gedankenwirrwarr in meinem Kopf. Bis, ja bis Klaus‘ Handy uns um kurz vor 5:00 Uhr hochschrecken lässt. Was das bedeutet, und wie es dann weitergeht mit unserer Kanal-Story? – Das gibt es dann wieder hier auf dieser Welle 🌊🌊🌊 ……..

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