Tag 17
Auch in den Morgenstunden bleibt es unruhig, der Strom schiebt ordentlich mit 3,1 Knoten.
Das Feld ist wieder bestellt, beziehungsweise das Deck kann wieder abgeerntet werden.

Was für Mengen fliegen da des nachts bloß immer wieder aufs Boot?! Unfassbar!
So, die Ernte ist eingebracht, die Hose ist nass, meine Knie tun weh, aber es hat sich gelohnt. 30 Tintis habe ich bestimmt im Eimer. Da muss ich mir bloß noch überlegen, in welcher Kombi ich sie dieses Mal zubereiten werde.
9:00 Uhr, Tachotime: 17.549 NM und 168 Seemeilen kann ich addieren. Seltsam, immer wieder die gleiche Zahl? 🤔
Zum Nachmittag frischt der Wind weiter auf und pustet mit Böen von 24 Knoten übers Meer. Die Wellenberge wachsen deutlich. Gute 2 Meter haben sie bestimmt. Die Vorhersage von Windy gibt das gar nicht her. So what! Wir fallen etwas ab, um die Situation zu entschärfen, gelingt aber nur bedingt. Während dieser Gemengelage stehe ich schwankend in der Küche und koche,…. schwitz 🥵.
Es soll Spaghetti mit Tintenfisch in Soja-Cocosmilch-Honig-Sauce geben. Das Ausnehmen der Sepien mache ich dieses Mal hier unten in der Küche, da kann ich mich besser zwischen den Küchenzeilen einklemmen. Trotzdem schaukele ich ordentlich rum und bekomme blaue Flecke und neue Brandmahle. Autsch!

Man ist permanent am Wackeln und auch heiße Deckel wackeln einem immer mal gefährlich entgegen. Vermeiden lässt sich das nicht wirklich. Wieder ist eine Pfanne fertig…

Doch essen kann ich jetzt auch nicht gleich was. Übel ist mir glücklicherweise nicht, aber Appetit ist gerade auch nicht vorhanden. Klaus schließt sich mir an, denn bei diesem Geschunkel ist das zum Mund führen der Gabel auch kein Kinderspiel.
Schnell mache ich noch ein Foto vom schönen Sonnenuntergang, durchs salzverschmierte Fenster.

Dann spachteln wir doch die Spaghetti mit Meeresfrüchten weg und die Nachtwache beginnt…
Tag 18, Nikolaustag 🧑🎄
Oh Schreck❗️Klaus hat vergessen seinen Schlechtwettergummistiefel rauszustellen. Jetzt ist nichts drin. 😔 Aber ehrlich, bei dem Geruckel und Geschuckel wäre sowieso wieder alles rausgeflogen. Tja, es ist unruhig, nach wie vor. Und das ist anstrengend!
Dann schaue ich mal zum Tachometer, es ist wieder 9:00 Uhr und ich notiere 17.717 Nautische Meilen. Und man ahnt es vielleicht schon? Wieder sind es 168 SM. Das ist ja wie bei Klaus Cousine… Bei der kam auch immer nur 8 raus. 🤭 (Beide waren noch Kinder und Klaus sollte ihr beim Rechnen behilflich sein. Hoffnungslos 🫣.).
Übrigens, es liegen kaum Tintenfische an Deck. Was ist passiert? Keine Ahnung! Das finde ich aber gar nicht so schlimm, denn heute hätte ich sowieso eine Meerestier-Pause eingelegt. Das Putzen der glitschigen Dinger ist schon etwas ekelig. Aber auch Seevögel sind keine mehr da. Ganz vereinzelt sieht man mal einen von Weitem fliegen. Aber sonst sind wir jetzt wirklich mutterseelenallein. Für einen ganz kurzen Moment ist das ein leicht beklemmendes Gefühl für mich. Doch schon wechselt die Szenerie, wir sind plötzlich in einem Windloch. Einerseits hat der Wind extrem gedreht und säuselt nur noch mit gerade mal 9 Knoten. Was soll uns das sagen? Sollen wir jetzt schon abbiegen und zu den Marquesas runterfahren?

Nach der Stromberechnung, müssen wir sogar noch etwas hochfahren, um ihm zu folgen.

Unterhalb des Stromes würden uns, laut Vorhersage, 3 Meter Wellen erwarten. Nein, das wollen wir nicht und dürfen wir auch nicht. Ich sage nur, Achtung, unsere Wanten. Immer noch sind sie unverändert. 😅 Abwarten ist also angesagt. Doch schon 25 Minuten später, ist alles wieder ganz anders. Der Wind ist zurück, und alles ist wie gehabt. Also bleiben wir auf unserem hohen Kurs, Richtung Westen, der Strömung folgend.
Zur Nacht lässt der Wind abermals nach und bläst nur noch mit schlappen 5 Knoten ins Segel. Unsere Geschwindigkeit nährt sich fast ausschließlich nur noch aus der Strömung. Drei bis vier Knoten sind bloß noch drin. Genau deshalb schlafe ich nach meiner Nachtwache bestens und auch länger als ich es vor hatte…😴.
Tag 19
Unverändert ruhig und gemächlich segeln wir dahin. Es wird auch immer später erst hell. Um 8:00 Uhr ist es jetzt immer noch stockdunkel. Aber Zeitzonen gibt es hier keine. Für diesen Flecken interessieren sich die Menschen nicht. Hier ist ja auch weit und breit nichts, gar nichts. Nur Wasser, Wasser, Wasser, Wasser und nochmals Wasser… Erst wenn wir bei den Marquesas ankommen, müssen wir auf einen Schlag die Uhren um 5 Stunden zurückstellen. Hey, dann sind wir fast genau um einen halben Tag zu Deutschland versetzt. Ist es bei euch morgens, ist es bei uns erst abends des vorherigen Tages… lustig!
Jetzt ist es bei uns mal wieder 9:00 Uhr, und Wetten können abgeschlossen werden. Wieviel Seemeilen werden wir wohl geschafft haben? 168 oder 169? Ich kann es nicht mehr glauben, 169 Seemeilen sind es laut Tacho wieder geworden, 17.886 NM stehen drauf. Haben wir bei 169 SM eine unsichtbare Sperre eingebaut? Oder einen Wichtel im Kasten, der bei spätestens 169 SM den Daumen drauf hält? Wobei es heute eigentlich wirklich um einiges weniger hätten sein müssen, wir hatten das Windloch und wenig Wind. Mysteriös!
Und jetzt ist es auch wieder schön ruhig, und wir segeln gemächlich durch die endlosen Fluten dieses Meeres. Ist DAS denn jetzt vielleicht der Stille Ozean? Der Himmel ist verhangen aber es bleibt trocken.

Wir hören weiter „Das große Spiel“ von Richard Powers. Darin dreht es sich immer wieder auch um die Südseeinsel Makatea, im Tuamotu Archipel. Das Archipel, welches wir nach den Marquesas auf der Liste haben. Ob wir dann auch Makatea besuchen werden? Mal schauen, ob uns das Buch dazu anregen wird? Zwei andere Inseln dieses Archipels werden wir hingegen sicher nicht besuchen. Fangataufa und Moruroa. Na? Sagt dem ein oder anderen der zweite Inselname etwas? Genau! Für diese Inseln sollte man besser einen Geigerzähler im Gepäck haben. Denn die Franzosen testeten dort über Jahrzehnte ihre Atomwaffen. ☢️
Nachdem wir die Galapagosinseln passiert haben, surfen wir nun schon eine Weile auf dem Südäquatorialstrom. Sollte der nicht, wie es sein Name glauben lässt, südlich des Äquators verlaufen? Tatsächlich strömt er aber gerade nördlich des Selbigen. Wir segeln ja auch noch eine ganze Weile auf der Nordhalbkugel herum. Wie kann das sein, das mit dem Strom? Die innertropische Konvergenzzone ist sozusagen „Schuld“ daran. Sie wabert hin und her, mal unterhalb, mal oberhalb des Äqutors, und versetzt somit auch den Verlauf der Strömungen. Angetrieben werden diese durch die allbekannten Passatwinde. Aha, wieder was gelernt. Jetzt, hier und heute strömt der Südäquatorialstrom eben auf der Nordhalbkugel. Und den nutzen wir heuer so gut es geht. Interessant ist, dass sowohl der Südäquatorialstrom, als auch der Nordäquatotialstrom von Ost nach West fließen, und der Äquatorialstrom genau zwischen ihnen in die entgegengesetzte Richtung strömt, nämlich von West nach Ost. Und alle drei fließen gar nicht sooo weit von einander entfernt und strömen auf diese Weise um den gesamten Erdball. Mit dem Äquatorialstrom hatten wir es zum Beispiel bis Galapagos zu tun und mussten kräftig gegen ihn ankämpfen. So, genug der Strömungen. Was macht Klaus eigentlich gerade? Der schaut sich Inseln an, die zum Verkauf stehen. Häää? Ja auf den Tuamotus sind einige im Angebot. Tssss… 😆. Ich denke, wir haben Wichtigeres zu tun, Klaus! Seit Tagen habe ich auf meiner Seite Wasser in der Bilge und weiß nicht, woher das kommt. Alle zwei Tage pumpe ich es weg und nach kurzer Zeit, ist es wieder da. Es ist nicht so, dass ich deshalb in Panik gerate, aber es beunruhigt mich schon ein wenig. Salz- oder Süßwasser, ist Kläusis Frage? Keine Ahnung, ich komme nicht dran. Mein Arm ist zu kurz. Okay, Klaus testet mal. Oh, Salzwasser! Hmm… 🧐. Ich hatte ja schon öfter Wasser im Bad, da durch die krassen Wellen das Wasser den Abfluss wieder hochgedrückt wurde. Das kann es aber nicht sein, denn der Abfluss für‘s Duschen geht gleich und direkt raus und führt nicht über die Bilge. Ist eventuell Wasser in der Crashkammer, ganz vorne im Bug? Nee, da ist alles trocken. Vom Küchenwaschbecken kann es auch nicht sein, da fließt nur Süßwasser rein und raus. Seltsam! Im Moment können wir die Herkunft des Wassers nicht lokalisieren. Dann bleibt nur noch der Motor übrig. Vielleicht ist die Salzwasserpumpe, zur Kühlung des Motors undicht? Das hatten wir ja schon einmal. Oh Schreck, da muss ich ja wieder die gesamte Kabine ausräumen… Nein, wie ich das liebe. 🤨 Alles muss raus, Bootszubehör, Paddel vom Kajak, unsere Rucksäcke, Walkingstöcke, Regenschirme, Vorräte, die sauschwere Drogue, ein Klapptischchen, verschiedene Polster, das Bettzeug für diese Kabine und die großen Matratzenpolster. Schwitz… 🥵. Und was stellen wir fest? Alles ist trocken! Die Kühlwasserpumpe und ihr Schlauchsystem sind nicht die Verursacher. Gut. Wo nun schon mal alles freigeräumt ist, will Klaus den Absperrhahn vom Saildrive-Sperrventil auf und zudrehen, um den Hahn gängig zu erhalten. (Wenn der denn gängig wäre! 🫣) Jede Woche einmal, sollte man ihn zu und wieder aufdrehen, so lautet die Empfehlung. (Machen wir nicht so oft.) Bis jetzt war das immer eine Mörderaktion, mit viel Geschimpfe und Geschrei. Heute ist es besonders schlimm. Schon nach ganz wenigen Umdrehungen geht es nicht mehr per Hand weiter, eine Zange muss her. Klaus rutscht mehrfach mit der Zange ab und flucht lautstark. 🙉 Am Ende hilft nur Ausdauer, Zähne zusammenbeißen und WD-40. Nach dem 5. Mal des Zu-und Aufdrehens geht es fast schon wie geschmiert. Na also. Plötzlich kommt es mir in den Sinn, die Klappe davor zur Waschmaschine zu öffnen und auch mal in die Waschmaschine selber reinzuschauen. Huch, die Trommel ist zu einem Drittel mit gelblichem Salzwasser gefüllt. Auch der Boden der Box ist nass. Daher kommt also das Wasser in der Bilge. Jetzt ist alles klar. Auch hier wird das Meerwasser durch die starken Wellen den Abfluss hochgedrückt, bis in die Trommel. Gut ist das für unsere empfindliche Waschmaschinen-Queen bestimmt nicht! Also abpumpen und zweimal mit Frischwasser spülen. Fertig ☑️ Dann kann ich ja jetzt wieder alles einräumen… Was gibt es denn heute zum Essen? Heute will ich mal Butter-Kartoffel-Möhrengemüse kochen und Frankfurter Würstchen dazu reichen. Die heißen aber auch nur so, sind leider nach unseren Maßstäben weit entfernt von Frankfurter Würstchen und eher ein Würstchenmousse in Plastikhülle. Gewöhnungsbedürftig!
Kühlschrank und Truhe leeren sich deutlich. Klaus bekommt schon leichte Panik. 😝 Dabei haben wir noch sooo viel Reis, Nudeln, Dosen und Saucen, Rotkohlköpfe, Eier, Kartoffeln, Zwiebeln, Müsli, Äpfel, Aufschnitt und Toastbrot, Nüsse und Mandeln, Milch und Frosties, und, und, und…. Ich mache mir da nicht die geringsten Sorgen. Eher um unsere Figuren! Schon beobachte ich wie unsere Bäuche wachsen, bei so viel Essen und null Bewegung❗️Wollten wir nicht sogar 2 von den 4 1/2 Wochen der Überfahrt fasten❓ Das wird wohl nichts, Herr Müller Lüdenscheid… 🤭.

Na dann gehe ich mal in die Nachtschicht… Gute Nacht Herr Müller Lüdenscheid. 😁
![Sailing Yuti [maxbutton id="1"]](https://yuti.eu/wp-content/uploads/2021/08/Bild4.png)