Im Westen (erstmal) nichts Neues

Tag 20

Der Wind bleibt vorerst schwach. Die Wellen sind erträglich, der Strom schiebt mit 2,3 Knoten. So dümpeln wir mit nicht mehr als 2,5 Knoten dahin. Stiller Ozean? Jepp, stiller Ozean.
9:00 Uhr, der Tacho gibt 18.016 Nautische Meilen kund. Es berechnen sich daraus 130 gesegelte Meilen. Guck mal an, der Tacho kann doch etwas anderes als 168/169 Seemeilen auszuwerfen. 😉 Übrigens, wären wir schon auf Höhe der Marquesas unterwegs, würden wir es neben hohen Wellen auch mit hunderten von Fischereibooten zutun bekommen. Schon eine ganze Weile tummeln sich dort vor allem chinesische und andere Fischer und fischen den Ozean leer. 😒
Da frühstücken wir doch lieber mal fischlos, ha ha ha. Es gibt eine Art Kaiserschmarren mit Rosinen, Mandeln und ordentlich Zucker. Gut für die Fettzellen. Zum Mittag brate ich das restliche Kartoffel-Möhrengemüse mit reichlich gehobeltem Käse an. Das Ergebnis erinnert stark an Raclette. Lecker 😋.
Ein ruhiger, ereignisloser und langsamer Segeltag neigt sich seinem Ende.

Tag 21

Auch bei den Tintis nichts Neues. Gerade mal 1 1/2 Tierchen liegen an Deck. Vorbei sind die Tage der reichhaltigen Ernten. So what. Die Angel legen wir nicht aus. Einmal sind wir zu langsam unterwegs, und zweimal wollen wir den Stress mit eventueller Beute bei dem Zustand unseres Riggs nicht riskieren. Was hat das Rigg damit zutun? 🤔 Egal! Dafür können wir große Gruppen fliegender Fische beobachten. Bestimmt 20, 30 Schwalbenfische schießen aus dem Ozean und fliegen wie Segelflugzeuge in großen Kurven knapp übers Wasser. Immer und immer wieder können wir diese Flugshows beobachten. Nett❣️Diese Meeresvertreter sind nicht essbar. Sie sind voller kleinster Gräten, durch und durch.
Und nun, die Uhr hat neun geschlagen, der Tacho zeigt 18.114NM an, woraus sich 98 Seemeilen ergeben. Och, unter 100, ich glaub es ja nicht. Aber der Wert passt zur Situation. Im Moment segeln wir mit durchschnittlich 5 Knoten über Grund.
Heute ist bei mir Murmeltiertag. Ich schlafe wie dieses, ununterbrochen und Stunde um Stunde. Vielleicht hat auch das immer spätere Hellwerden Schuld daran, dass ich mich sooo lange müde fühle? Aber auch Klaus hat heute mit Müdigkeit zu kämpfen. Zur Sicherheit stellen wir beide unsere Handy-Wecker und werden versetzt alle 20 Minuten aufgeweckt. So machen es ja auch die Einhandsegler. 🥱
Eigentlich liegen wir ja zu 90 % nur noch rum. Im Salon, oder ich auch in der Nacht, für wenige Stunden, in meiner Koje. Und wo ist unsere Muskulatur hin??Na wo wohl? Futsch, ins Off geschossen. Dafür legen unsere Bildschirmzeiten exorbitant zu. Klaus meinte gerade, er habe 9 Stunden, aber nur auf dem einen Handy. Auf dem anderen kommen nochmal 3 Stunden dazu… 🤭.
Heute ist der 21. Tag auf See, und bis zum Ziel sind es bestimmt noch 1 1/2 Wochen. Schneller sollten wir aber sicherheitshalber nicht unterwegs sein. Denn in dem Moment, sollten wir vor Sonntag nach Süden abbiegen, droht Ungemach. Immer noch werden dort für die nächsten Tage 3 Meter Wellen und kräftige Winde vorhergesagt. Klaus schaut gerade im Moment nochmal bei Windy nach und stellt fest, Freitag ist’s ganz besonders schlimm. Das wäre sicher fatal für uns und unsere Wanten. Also geduldig oben bleiben und langsam machen.
Die Sonne lacht gerade so schön vom azurblauen Himmel herunter, ich glaube da lege ich mich mal aufs Vordeck. Das schreibe ich eben auch Larissa, die postwendend antwortet, wie nah beieinander Drama und „fun in the sun“ bei uns doch lägen. Ja, stimmt! Obwohl das Damoklesschwert nonstop schwingt, mag ich mich trotzdem in die Sonne legen. Es macht keinen Sinn ununterbrochen mit Argusaugen auf die Wanten zu starren. Es ändert eh nichts an der Situation. Jetzt ist es schön ruhig auf dem Stückchen Pazifik, auf dem wir so herumsegeln, die Sonne strahlt, was sie auf unserer Reise bisher nur selten tat, und das hebt sofort und augenblicklich die Stimmung. Zum Glück kann ich das sehr genießen, jetzt und hier. Klaus übrigens auch! Mit Kissen unterm Arm kommt auch er.
Das andere Thema, welches täglich für Stimmungsaufhellung sorgt, ist das Essen! Was gibt’s denn heute so, die neugierige Frage von Klaus. Heute möchte ich einen Rotkohl-Rohkost-Salat zubereiten. Ein kleiner Kopf Rotkohl wird in feine Streifen geschnitten und von Hand zart geknetet. Eine rote Zwiebel, klein geschnitten, kommt dazu, eine süße feste Birne, kleingeschnittene Möhren, Walnüsse und zerbröselter Schafskäse. Alles wird gut vermischt und mit einem Orangensaftdressing abgeschmeckt. Dazu brate ich die letzten deutschen Trüffelwürste, die wir bei Luise zu schätzen gelernt haben. Zusammen mit dem Salat serviert schmeckt es 1 A. 😋
Zur Nachtwache wird die Situation wieder erheblich schroffer. Der Strom, der eigentlich langsam nach Süden abbiegen sollte, bleibt westlich und schiebt uns kraftvoll weiter voran. Hmm, an den Marquesas vorbeisegeln sollten wir aber auch nicht. Wir biegen 2, 3 Grad nach Süden ab, stehen aber somit auch wieder seitlicher zur Welle und wackeln spürbar stärker. Einen Tod muss man sterben, sagt Klaus dann immer und wechselt mich bei der Nachtwache ab. Ich verschwinde mal wieder in meiner Koje. Wobei, dass stimmt so gar nicht. Ich verschwinde nicht in der Koje, ich muss sie erklimmen. Zwei Stufen geht es hinauf, und ich muss sehen, dass ich durch die Wellenbewegung nicht rücklings hinuntergeworfen werde. Also heißt es schnell sein und sich im richtigen Moment nach oben werfen. Bis jetzt hat‘s immer noch geklappt. 🥳

Tag 22

Wir segelten und segeln schon die ganze Zeit knapp unter 5 Knoten. Jetzt ist es 9:00 Uhr und der Tacho ruft. 18.277 NM stehen deutlich und in großen Ziffern drauf. Das bedeutet, wir haben 163 Seemeilen gerockt. Das kann doch gar nicht sein! Gehe ich von 5 Knoten aus und multipliziere diese mit 24 Stunden, ergeben sich 120 Seemeilen. 43 SM weniger als angezeigt. Ich verstehe es nicht! Klaus ist fest entschlossen, diesen Wert in seiner Kurznachricht nicht zu übernehmen und nach Überschlagsrechnung und Gefühl, eigene Werte zu kreieren.
Ein Sturmvögelchen hat sich im Innern des Bootes verirrt und sitzt verängstigt unter der Treppe zur Galley, der Bordküche. Ich nehme ihn vorsichtig in die Hand

Er ist ganz zart und weich.

und trage ihn raus. Dort lässt er sich auf sein Bäuchlein plumpsen und drückt sich mit den Flügeln von mir weg. Ich gehe kurz rein, komme wieder, und da ist er auch schon weg. Was hat er da nur komisches auf dem Schnabel?

Dieser Kleene gehört zur Ordnung der Röhrennasen. Diese zwei auf der Nase sitzenden Röhren, haben nur ausgesprochen hochseetaugliche Vögel! Sie sind dazu da, das Salz, dass sie bei ihrer Nahrungsaufnahme mit aufnehmen, wieder los zu werden. Sie rotzen es sozusagen durch diese Röhren wieder raus. Und dass sich das Vöglein auf den Bauch plumpsen ließ, liegt an seinen schwach ausgebildeten Beinchen. Und ich dachte schon es sei krank…
Am Nachmittag dann das❗️Zwei weitere Drähte von der besonders kaputten Want haben sich gelöst und stehen ab. Es geht also weiter… 😬. Mensch, und das besonders herausfordernde Stück kommt ja erst noch. Oh je… Ob das wohl gut geht❓
Darauf erstmal einen Kaiserschmarren mit Rosinen, Mandeln und Pfirsichkompott. 😋 Dann hören wir das Buch, „Das große Spiel“ zu Ende. Ich sag’s mal frei heraus, dieses hochgelobte Buch hat mir nicht wirklich gut gefallen. Zu viele Themen wurden darin verwurstet. Computerspiele, KI, Umweltschutz, Tiefsee, Meereslebewesen, Tauchen, die Insel Makatea in Französisch Polynesien, vier Protagonisten, hin und her springende Zeitstränge, und, und, und…
Werden wir denn nun Makatea besuchen? Wenn sie auf unserem Weg liegt, schon.
20:00 Uhr, wir holen das restliche Großsegel herunter und machen den Segelsack zu. Warum? Wir sind zu schnell. Der Wind wird die nächsten Stunden und Tage zunehmen, die Strömung drückt unverändert stark. Wir wollen nicht vor Sonntag an dem Punkt der notwendigen Kursänderung nach Süden sein. Es ist schon ein Ritt auf der Rasierklinge für uns. Nerven bewahren! Wir wollten langsamer werden, werden wir aber nicht. Nur mit unserem kleinen Jib fahren wir immer noch 5 Knoten, sogar 6 Knoten. Der Wind nimmt jetzt schon deutlich zu und bläst mit bis zu 18 Knoten in unser kleines Jib. Und es wird schlimmer! Die Nacht wird sehr unruhig!🌊🌊🌊🌊🌊🌊🌊🌊⛵️🌊🌊🌊🌊🌊




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