Freitag der Dreizehnte.
Tag 25
Meine Güte, was schmeißen uns die Wellen hin und her! Selbst bisher ordentlich liegende Utensilien fliegen plötzlich umher. So macht zum Beispiel Klaus‘ Waschtasche den Abgang und ergießt sich über den gesamten Badezimmerboden, bis in die Dusche hinein. Baum….
Ein Blick auf die Wanten sagt, noch alles so wie gehabt.
Um 9:00 Uhr lese ich den Tacho ab, es stehen 18.782 NM drauf und wieder ergeben sich daraus 169 Seemeilen. 🙄 Es könnten doch auch mal 170 SM sein, aber nein… Was will uns dieser blöde Tacho eigentlich damit sagen? Ist der bescheuert oder was? Nee, kaputt isser bestimmt. Keinen weiteren Kommentar! Auch die Messung der Strömung hat wohl nen Haschmich! 4,3 Knoten soll die momentan haben. Das kann doch gar nicht sein.
Klaus telefoniert zeitgleich mit seiner Mama. Sie diskutieren über das Buch, „Das große Spiel“. Klaus wollte sich von ihr die ein oder andere Frage beantworten lassen, aber Fehlanzeige. Fazit, wir haben alle das Buch nicht vollends verstanden. Die Erzählstränge blieben zerfranst, wirr und verworren. Was wollte uns das Buch nun sagen? Keine Ahnung. 😂 Nochmal lesen? Nee! Auf eins könnte ich mich aber verlassen, meint Klaus, bis Hiva Oa sind es noch genau 910 Seemeilen Luftlinie. Was heißt schon Luftlinie?! Wir segeln doch gar keine Luftlinie! So wie jetzt unser Kurs aussieht, segeln wir geradewegs an Hiva Oa vorbei und landen 400 Seemeilen hinter Hiva Oa. So sieht es doch aus. Klaus beschwichtigt. Sonntag ist unser Tag! Sonntag ändert sich die Wetterlage grundlegend, und dann biegen wir ab. Aber sowas von…
Zum Glück werde ich vom Segelwetter etwas besänftigt. Wind und Welle nehmen etwas ab, wir segeln um die 5 Knoten und die Sonne scheint. Sonnenschein hilft immer. Dann gibt’s auch was zu futtern. Spaghetti in Cocosnuss-Soja-Honigsauce, mit Rohtkohl-Zwiebel-Möhrengemüse und Parmesan. Klaus ist happy❣️Danach lege ich mich sogar noch in die Sonne und bekomme prompt einen Sonnenbrand.
Aber mal ehrlich, wie kann das alles nur sein? Heute sollte es den schlimmsten Segeltag überhaupt geben, mit meterhohen Wellen und ganz viel Wind??? Tja, die Wellen sind schon da und auch hoch, vielleicht 2,5 Meter, aber sie sind ganz sanft. Der Wind säuselt geradezu mit „nur“ 15 Knoten, und ich sonne mich auf dem Vordeck… Das ist doch jetzt gerade richtig schön❣️
Langsam, ganz langsam nähern wir uns unserem Ziel im Süden an. Und jetzt ist es Klaus sofort wieder zu langsam… 🫣.

Eben telefonierten wir noch mit Alva, erzählten ihr, dass wir bald den Äqutor überschreiten werden. Sie holte ihren kleinen Weltkugelball und stellte zusammen mit ihrer Mama fest, dass da, wo wir jetzt ganz bald sind, bei ihr im Ball der Stöpsel sitzt. Den sollten wir doch dann mal ziehen, wenn wir den Äquator erreicht hätten. Okay, Auftrag erhalten. Wir suchen den Stöpsel! Dann meinte sie noch, denn sie bekam jetzt öfter mit, dass es bei uns hell war und bei ihr dunkel, dass Opa Frieder und Oma Gabi in ihrer Welt sind und Omi und Opi in der anderen. 🥹 Ja, Recht hat sie. So könnte man es beschreiben….
Abermals geht es in die Nacht. In den frühesten Morgenstunden wird es dann soweit sein. Die Äquatorüberquerung.
Tag 26
Wie immer zur Nacht, nimmt der Wind zu und die Wellen wachsen über sich hinaus. Wir nehmen jetzt deutlich und erkennbar Kurs auf die Marquesas, auf die Insel Hiva Oa. Was erwartet uns da wohl? Jetzt, während meiner Nachtwache habe ich Zeit, mich mit den Marquesas ein wenig zu beschäftigen.
Das Archipel der Marquesas umfasst also 14 Inseln und diverse Felsensplitter im Wasser verteilt. Sie alle sind das Ergebnis von Vulkanausbrüchen der pazifischen Platte. Die Inseln sind die Gipfel, einer aus der Tiefsee aufragenden Gebirgskette. Uiuiui, aus der Tiefsee kommend. Das hört sich ja schon etwas mystisch an. Die Erstbesiedelung dieser Inseln ist nicht ganz gesichert, aber es muss wohl im Zeitraum von 100 v. Chr. bis etwa 300 n. Chr. vonstatten gegangen sein. Polynesier aus Samoa oder Tonga waren die ersten Entdecker. Zwischen 1150 und 1200 mischten sich noch Kolumbianer unters Volk, wie Genanalysen zeigten. Den Polynesiern ging es anscheinend so gut, dass sie sich reichlich vermehrten und so wohl auch mal woanders nach Lebensraum Ausschau hielten. Jedenfalls kamen wohl einige in Kolumbien an, und kehrten mit Menschen von dort und der Süßkartoffel wieder zurück. Da sie immer mehr wurden, fingen sie an vom Strand in die Berge auszuweichen. An den Hängen tief zerklüfteter Bergtäler, bauten sie ihre Dörfer und trieben Landwirtschaft auf angelegten Terrassenfeldern. Sogenannte Stammesfürstentümer bildeten sich heraus. Der eine Stamm in dem Tal, der andere an einem Berghang und so weiter. Sie fingen an, sich voneinander abzugrenzen und sich zu bekriegen. 🙄 Wie typisch das doch wieder ist! Es bildeten sich sogar ganz besonders aggressive Kriegergruppen heraus, die „toa“. Auch fand man deutliche Spuren von Kannibalismus. Überhaupt waren Menschenopfer für rituelle Zwecke üblich. Meistens opferte man „Kriegsgefangene“ und aß sie dann eben auch gleich mal auf. Besonders, wenn andere Lebensmittel knapp wurden, war das ein gangbarer Weg gegen Hunger. Lecker 🫢! Später, als die Europäer kamen und ihre Missionare mitbrachten, wurden auch einige von denen verspeist. Wollte man doch wissen, wie weißes Fleisch wohl schmecke… Abgesehen davon entwickelte sich aber auch Kunst und Kultur. Ab dem 17. Jahrhundert strebte die Inselarchitektur ihrem Höhepunkt entgegen. Große, steinerne, mehrstufige Tempelplattformen wurden errichtet und mit kolossalen Steinfiguren (Tiki) dekoriert. Das „Kunstschaffen“ verlagerte sich auf Experten, wie begnadete Tattoo-Künstler,…

Holz- und Knochenschnitzer, sowie Steinmetze und Kanubauer. Diese kulturelle Blütezeit wurde abrupt beendet mit dem Eintreffen der Europäer und ihrer Missionare, Mitte des 18. Jahrhunderts.
Und wie bekamen die Marquesas ihren Namen? Das passierte schon 1595, als ein Spanier (mal wieder) mit zwei Schiffen von Peru zu den Salomonen unterwegs war und die Insel Tahuata entdeckte. Er benannte gleich die ganze Inselgruppe nach dem damaligen Vizekönig von Peru (einem Spanier), Las Islas de Marquesas. Doch schon bald war die Ecke für die Spanier nicht mehr von Interesse und die Marquesas wurden vergessen. Erst 200 Jahre später entdeckte sie James Cook wieder. Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Marquesas Ziel von Sandelholzhändlern, Abenteurern und entlaufenen Matrosen. Sie siedelten auf einigen Inseln, brachten Geschlechtskrankheiten, Feuerwaffen und Alkohol mit. Na super 😨. Das soziale Gefüge dieser Inseln geriet dadurch völlig aus dem Gleichgewicht.
Weitere „Entdecker“ folgten.
1838 erreichte der Franzose Aubert Dupetit-Thouars die Marquesas, mit im Gepäck katholische Missionare. 🙄 Zwei Jahre später kam der französische König Louis-Philippe I auf die Idee sein Reich in Richtung Pazifik zu vergrößern und ließ die Marquesas kurzerhand von Aubert annektieren. So einfach war das damals. Wobei sich der damalige polynesischen Häuptling Lotete mit der Annexion einverstanden erklärte, unter der Bedingung, dass das französische Militär ihm beim Vorgehen gegen feindliche Stämme half. So konnte sich Lotete schlussendlich zum König über die gesamten Inselgruppe erheben. Ach, sie sind doch alle gleich…. 😡.
Die Marquesas erhielten die erste französische Administration im Pazifik überhaupt, die Keimzelle sozusagen, für das gesamte heutige Überseegebiet Französisch-Polynesien
Da habe ich jetzt aber was gelernt!
Das mit dem Kannibalismus bleibt mir im Kopf. Gab es doch da, ich glaube 2011, eine Geschichte von dort, die durch die Medien ging… Ein Segler fand auf einer dieser Inseln seinen Tod, und es blieben nur einige wenige Knochen von ihm übrig… ☠️. Jetzt aber mal wieder zurück zum Hier und Jetzt! Wir nähern uns unaufhaltsam dem Äquator, Klaus schläft und ich beschließe ihn schlafen zu lassen und bis einschließlich der Überquerung auf zu bleiben. Um 2:00 Uhr ist es soweit. Wir überschreiten die Mittellinie des Erdballs, verlassen die Nordhalbkugel und segeln auf die Südhalbkugel rüber. Toll‼️ Hier kommen die Beweise:



Geschafft, die Nulllinie ist überschritten und das sogar schon zum 3. Mal! Deshalb habe ich Klaus auch nicht geweckt. Unsere Äquatortaufe hatten wir ja schon. 😅 Das erste Mal war es auf dem Weg von den Malediven zu den Seychellen, das zweite Mal auf dem Weg von Brasilen nach Grenada.
Oh Schreck, ich habe den Stöpsel nicht gefunden… 🫢. Wie soll ich das jetzt meiner Enkeltochter erklären???
Nun segel ich aber erstmal schleunigst in meine Koje. Schichtwechsel! Aber ich habe Schwierigkeiten in den Schlaf zu finden. Es ist sooo rollig und sooo laut. Die schräg ankommenden Wellen hauen ordentlich unters Boot, bei Windstärken von bis zu 24 Knoten. Das fühlt sich wieder an, wie Bauchtritte und klatschende Ohrfeigen. Net schää!
Um 6:30 Uhr melde ich mich zurück auf der Brücke. Captain Klaus möchte jetzt nochmal seine Äuglein schließen…😴.
Nun ist das ja auch gar nicht mehr schwer, denn der Wind hat deutlich nachgelassen, die Wellen folgen etwas später. Nur noch roundabout vier Knoten Fahrt über Grund sind drin.
9:00 Uhr, Tachozeit: 18.941 NM stehen drauf und 159 Seemeilen kommen zu unserer zurückgelegten Strecke dazu. 3.591 Seemeilen haben wir nun seit Panama geschafft.


Klaus ist nun wieder wach, ich nicht, ich bin todmüde und schlüpfe nochmals für ein Stündchen in mein Bett.

Pah…, von wegen ein Stündchen meint Klaus, 3 Stunden sind es geworden. Ich glaube, das war nötig!
Mittlerweile haben wir es 14:00 Uhr, und wir wagen es das Groß wieder bis Reff 3 hochzuziehen. Ohne kommen wir nicht mehr gut vom Fleck. So, das kleine Stückchen Groß ist oben, die Want hält. Während ich das zweite Mal schlafe, ruft Alva an und fragt den Opi, ob wir denn nun den Stöpsel rausgezogen haben? Upsi… Klaus sagt, nein, den konnten wir bei Dunkelheit nicht sehen, und vermutlich sitzt der eh am Grund, bei 4.000 Meter Tiefe. Ist ja wohl auch besser so, wer weiß wohin die Welt hin abgelaufen wäre?! Sie gibt sich damit zufrieden. 😅
Übrigens, es fliegen nach wie vor keine Tintenfische mehr an Bord. Nur vereinzelte, ganz kleine Schwalbenfischlein fliegen des nachts hoch an Deck.

Am Spätnachmittag haben wir fast Windstille. Mit gerade einmal 2,9 Knoten dümpeln wir durchs Wasser. Ohne den kräftigen Strom mit 2,3 Knoten würden wir wohl stehen bleiben. Verhungern wir jetzt? So nennt man die Situation, wenn man vergeblich auf Wind wartet. Körperlich und umfangmäßig sicher eher nicht❗️🤣
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