He ho, wir lichten den Anker ⚓️

Scheiße nein, was kommt da denn hoch? Eine völlig vermockte Bridle samt Ankerkette kommt zum Vorschein. Puhhh, das stinkt und kann unmöglich so in den Ankerkasten wandern! Brauner Schlick und Modder, lange Algenbärte, Krebse, glitschiges Kleinstgetier und Gewächse, die wie Struwwelpeters Haare aussehen, kleben an Leine und Kette. 30 Meter Kette hatte Klaus rausgelassen, Prost Mahlzeit❕Keiner braucht glauben, dass sich dieser stinkende Dreck mal eben abschrubben lässt! Nein!! Meter für Meter knie ich vor der Kette und versuche fast vergeblich die Meeresflora abzuzupfen und abzubürsten. Klaus ist zu meiner Unterstützung mit vorgekommen und spritzt mit unserem kostbaren Süßwasser zumindest mal den Modder weg. Was für eine Drecksarbeit im wahrsten Sinne des Wortes! Meine frisch angezogenen Sachen kann ich nachher gleich wieder in den Wäschesack schmeißen, da ich über und über mit Schlick besudelt bin. Und dann werden wir noch zweimal wegen starker Regenschauer patschenass und zu Pausen verdonnert. Aber endlich ein Lichtblick. Nach etwa 10 Metern sieht die Kette besser aus. Die restlichen 20 Meter Kette lagen auf sandigem Grund und können fast so wie sie sind eingeholt werden. Ein Glück❣️Das gesamte Theater hat jetzt 1 1/2 Stunden gedauert. Um 9:00 Uhr ist der Anker oben und wir tuckern aus der von Regenwolken verhangenen Bucht.

Also, um 9:00 Uhr starten wir bei einem Tachostand von 20.354 Seemeilen. Könnte man einen perfekten, kerzengeraden Kurs fahren, lägen nun exakt 450 Seemeilen vor uns. Bei 4 geplanten Tagen, müssten wir 112,5 SM am Tag und ca. 4,8 Knoten im Durchschnitt segeln. Das müsste zu schaffen sein, auch wenn wir natürlich nicht kerzengerade segeln werden. Wir hissen das Screecher und ab geht die Post. Doch weit kommen wir nicht, da begrüßt uns der erste Squall des Tages. Schnell muss das Screecher rein und das viel kleinere und stabilere Jib raus und ab durch die Mitte. Sind Sturmböen und Platzregen durch, darf das Jib wieder rein und das Screecher raus. Kurze Zeit später kommt der zweite Squall angesaust. Das gleiche Doing wie eben, Screecher rein, Jib raus. Gerade sind wir fertig, da fetzen auch schon Wind und Regen über uns hinweg. Offiziell ist ja die Zyklonenzeit zu Ende und ab heute, dem 15. März, greift auch wieder unsere Versicherung, sollte in den Gewässern rund um die Tuamotus doch etwas passieren. Die Squalls sind es natürlich nicht, auch wenn die durchaus unangenehm werden können. Du siehst schon die dunklen Haufenwolken in der Ferne und wo sie bereits ihr stürmisches Nass von sich geben. Du kennst die Windrichtung und weißt, gleich ist das Wetter da. Dann wirst du erstmal von der Wolke grau eingehüllt, dann setzt der Regen ein und die Böen nehmen schnell an Stärke zu. Ach nee, erst die Böen, dann der Regen. Eben waren das einiges über 20 Knoten und wir taten gut daran, die Besegelung geändert zu haben. Immer wieder hören wir Geschichten von zerfetzten Leichtwindsegeln. Das sind die Situationen, wo so etwas passieren kann. Je weiter der Squall über uns hinwegzieht, desto schwächer werden Regen und Wind. Kleine blaue Himmelfetzen sind schon zu erhaschen, das Grau der Wolke lässt dich frei, und du hast es geschafft. Das war‘s, sagt Klaus dann immer, und die Segel werden wieder getauscht.
Eine Stunde später erwischt uns der nächste Squall. Allerhopp, the same procedure as always…, upsi, der Wind legt bis 27 Knoten zu! Gut, dass das Screecher wieder drinnen ist!!!
Gegen Mittag passieren wir Ua Pou quer ab.

Das ist die letzte Insel, die wir von den Marquesas noch einmal zu sehen bekommen. Und was gibt es heute zu essen? Spaghetti mit Bolognese und Honiggarnelen. Einstimmiges Urteil? Lecker! 😋
Squall Nummer 4 ist da. 😬 Gut, dass ich zwischenzeitlich gekocht und wir gegessen haben! Jetzt wäre es unmöglich, denn es geht zur Sache Schätzchen! Bis 28 Knoten peitschen die Böen aufs Boot. Diesmal haben wir es gerade noch auf die letzte Sekunde geschafft, das Screecher einzuholen. Verpasst du den Zeitpunkt, nützt auch kein noch so weites Abfallen vom Wind, du bekommst es kräftemäßig nicht mehr eingerollt, ohne Leine oder das Segel selbst zu zerreißen. Auch nicht mit der Elektrowinsch. Das Jib macht bei solchen Winden aber zuverlässig seinen Job. In der Ferne grollt noch der Donner, der Squall ist aber durch, die Segel wieder getauscht. Da eröffnet mir Klaus, dass heute Abend oder morgen Früh uns eine riesige Gewitterfront erreichen wird. Interessanter Weise aus der entgegengesetzten Richtung wie die vorherigen Squalls. Na klasse! Und dem können wir nicht entweichen! 🫣 Also, gut im Auge behalten und beobachten, ist die Devise.
Ach nein……!! ⬇️

Dieses Bedienungselement macht uns erneut Probleme. Genau dieses Teil führte vor Südafrika, am Kap der guten Hoffnung, zum totalen Systemausfall. Nichts ging mehr, kein Autopilot, kein Plotter, gar nichts. Bis Klaus damals den Stecker zog und der ganze Rest wieder hochfuhr. Dann wurde später dieses Element ausgetauscht, auf Garantie, und jetzt spinnt es schon wieder. Du drückst auf Kursveränderung, mehrfach, und nichts passiert. Später fängt es von alleine an zu piepen und macht irgendwas. Nicht gut, wenn der Kurs eigenmächtig und unkontrolliert verändert wird. Auch das müssen wir im Auge behalten und gegebenenfalls das Teil vom Netz nehmen.
In der Nacht kommt Squall Nummer 5 und zwingt uns erneut zum Segelwechsel. Zum Glück scheint der Mond helle und man kann gut was sehen und erkennen.

Blick aus seitlichem Fenster.

16. März 2025

Gerade haben wir es noch rechtzeitig geschafft das Screecher reinzubringen, denn der erste Squall des heutigen Tages zieht gerade über uns hinweg. Nun lassen wir das Jib an Ort und Stelle und nehmen das Groß auf Reff 3 dazu. Aber langsamer sind wir nun trotzdem. Schafften wir mit dem Screecher 7 bis 8 Knoten, sind es jetzt gerade mal 4 bis 5 Geschwindigkeitsknoten. Aber, wir sind für kommende Squalls auf der sicheren Seite. Nicht wissend, das nun gar kein Squall mehr kommen wird und auch die große Gewitterzelle sich in Auflösung befindet. 😝 Die Sonne geht auf und es geht in den Tag. Viel geschlafen hat keiner von uns. Der übliche Rhythmus will sich so schnell auch noch nicht wieder einstellen. Aber irgendwie sind wir zu langsam. So schaffen wir die Strecke nicht in 4 Tagen, also darf sich das Jib wieder zurückziehen und das Screecher seinen Dienst antreten. Dann repariert Klaus zum x-ten Mal unsere Handangel, die seit gestern nach Fischen fischt. Der Köder wurde WIEDER abgebissen. Jetzt montiert er einen neuen mit Drahtseil. Ich greife mal vorweg, auch damit werden wir kein Anglerglück mehr haben, doch der Köder bleibt diesmal dran. 😉
Die Uhr schlägt 9:00 Uhr, ich schaue nach den ersegelten Meilen. 156 Seemeilen haben wir geschafft, das ist ordentlich und bedeutet einen Schnitt von 6,5 SM/h. Zur Mittagszeit macht Klaus ein kleines Nickerchen, während ich die Zunahme des Windes registriere. Segelten wir eben noch zwischen 6 und 7 Knoten, düsen wir jetzt bereits mit guten 8 Knoten übers Meer. So bleibt es erstmal und ist auch ganz schön.
Wieder geht es in die Nacht, ich wache zuerst, Klaus schläft. Tatsächlich! Doch urplötzlich überraschen mich starke Böen und ich muss ihn leider wecken. Klaus…, Kläusi…, er schießt hoch… Wir fallen stark ab, bekommen das Screecher gerade noch so eingerollt, hissen das Jib und gehen wieder zurück auf Kurs. Und just nach diesem Manöver ist der Wind wieder abgeflaut und bläst wie zuvor. 🙄Wir lassen aber jetzt alles so und schuckeln durch die Nacht. Das Meer ist schwibbel schwabbelig, so, wie wir den Pazifik bisher kennengelernt haben.

17. März 2025

Am Morgen ist der Himmel bedeckt. Die aufgehende Sonne räumt aber auf und strahlt wieder vom Himmel. Um 9:00 Uhr ist es Zeit zu schauen, was wir geschafft haben. 166 Seemeilen sind es geworden, das ist ein Schnitt von ca. 7 Knoten. Das ist gut. Und so starten wir die Berechnungen, wie lange wir noch brauchen, oder brauchen sollten, bis wir vor dem Eingang des Atolls Raroia stehen. Diese Berechnung wird allerdings super kniffelig und komplex. Das lasse ich lieber mal den Wirtschaftsingenieur machen. 🤓 Also, wenn wir in das Atoll, in die Lagune reinfahren wollen, sollte es tunlichst der richtige Moment sein. Was ist der richtige Moment? Der ideale Moment ist der Zeitpunkt zwischen den Gezeiten. Also genau zwischen Ebbe und Flut, dem Umkehrpunkt sozusagen. Während der Flut strömt das Wasser durch die Passage in die Lagune hinein, da könnte man zu viel Tempo bekommen und das Boot nicht mehr sicher kontrollieren können, bei Ebbe strömt das Wasser hinaus und Strömungsgeschwindigkeiten von 4 Knoten und mehr drücken einem entgegen. Auch nicht gut und manchmal trotz Motorkraft nicht zu schaffen. Bloß wann genau ist dieser Moment??? Da gibt es jetzt die verschiedensten Modelle, die allerdings teilweise zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das aktuelle Wetter spielt natürlich auch eine tragende Rolle, und für jeden einzelnen Tag gibt es wieder neue Angaben. Klar, die Tide richtet sich ja nach unserem Mond und der hat bekanntlich ein sich stets wandelndes Gesicht. 🌕🌖🌗🌘🌑🌒🌓🌔
Eine Zeitverschiebung von 30 Minuten von den Marquesas zu den Tuamotus muss auch noch berücksichtigt werden. 🤯
So, jeder der Klaus kennt weiß, dass er alle Faktoren im Kopf hat und einen exakten Zeitpunkt für unsere Passage berechnen wird. Demnach sollten wir um 12:50 Uhr am Eingang des Atolls stehen, plus/minus 1 Stunde Puffer. Für uns bedeutet das jetzt aktuell, wir segeln bis morgen 9:00 Uhr die verbleibenden Seemeilen runter und haben dann noch ca. 4 Stunden bis zum Mittag, um pünktlich vor dem Eingang zu stehen. Das hieße, wir würden in 3 Tagen und wenigen Stunden das Ziel erreicht haben. Wenn alles gut geht und passt. Überhaupt wäre die Mittagszeit auch vom Lichteinfall her perfekt, um die unzähligen Korallenköpfe, die uns dann auch im Atoll erwarten, erkennen zu können.

So sieht das Atoll Raroia vom Weltraum aus aus. Der Pfeil deutet auf die Durchgangspassage und die vielen, vielen Pünktchen sind die gefürchteten Korallenköpfe, auch Bommies genannt. Und das sind auch nur die richtig großen Bommies, die leicht über die Wasseroberfläche spitzeln, viele weitere liegen unter der Wasseroberfläche verborgen. Das gibt dann noch eine fette Aufregung, wenn wir im Slalom da durch müssen, um zu unserem geplanten Ankerpunkt zu gelangen. 🫣
Aber jetzt werden wir gerade zu langsam, um unseren Plan auch in die Tat umsetzen zu können. Das Jib muss rein, das Screecher raus. Aber zack zack! Schwupps haben wir wieder 7 und 8 Knoten. Übrigens, noch etwas was uns antreibt schnell zu sein, ist??? Eine wilde Horde, die uns im Nacken sitzt.

Weit über 30 Boote kommen von Galapagos angerauscht und nochmal so viele nicht organisierte Boote sind hinten dran. Das wird bald richtig voll in Französisch Polynesien. Wie gut, wenn wir immer ein paar Tage Vorsprung haben! Und so segeln wir nun in den Sonnenuntergang, fast. 😉

Und dann in die Nacht. Als ich gerade tief und fest schlummere, weckt mich der Captain und braucht mich zum Groß hochziehen. Wir sind zu langsam und das Groß muss komplett hoch. Aye, aye Captain, ich komme… 🫡. Es dauert etwas bis wir das Segel so stehen haben, wie es stehen soll. Aber dann sind wir wieder gut unterwegs durchs schwibbel schwabbelige, pazifische Wasser. Morgen wird es dann so richtig spannend❕Ich habe jetzt schon vor lauter Aufregung Flitzkacke. Das kann ja was werden… 🤞.

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