Insel!
So, nun ist es passiert, es ist 4:45 Uhr, wir sind schon da und es ist stockdunkel, nur der Mond scheint ein wenig. Also Taschenlampe raus, nach vorne gehüpft und Ausschau halten. Bei all der Anspannung und Aufregung steigt uns der extrem starke und intensive Duft der Tahiti-Blumen in die Nase. Das ist wirklich betörend, darf uns aber nicht komplett ablenken! Denn tatsächlich liegt ein Boot an einer der vier Bojen. Wo sind die anderen Boote, äh Bojen? Kurz vor knapp sehe ich im Taschenlampenlicht ein weiteres BOOT. Einen Katamaran ohne AIS, ohne Ankerlicht, ohne sonstige Beleuchtung. So ein Saukerl, so ein Idiot! Wie kann man hier nur ohne jegliche Beleuchtung vor der stockdunklen Insel liegen? Reg auf… 🤯.
So, also 2 Bojen sind belegt, wir suchen weiter. Da, links vom blinkenden Eingang des Dinghy Docks, entdecke ich eine freie Boje. Puhhh, die ist aber verdammt nahe am Riff und den Überresten einer Hafenanlage. Es müsste aber vor dem kleinen Hafeneingang noch eine weitere Boje geben, doch ich finde sie ums Verrecken nicht. Wir fahren ein 2. Mal ganz langsam am Bojenfeld entlang, hin und her, die 4. Boje bleibt vor uns verborgen. Dann müssen wir eben an die eine Boje ran, auch wenn sie noch so nah an der tosenden Brandung ist. 🫣 Aber erstmal nur mit einer Leine am Heck. Die richtige Bojenbefestigung gibt’s erst bei Tageslicht, in gut einer Stunde. Zurück im Salon fallen wir erschöpft auf die Sofas. Die Anspannung zuletzt war schon sehr groß und ist auch noch nicht wirklich verflogen. Aber, wir haben es geschafft, wir müssen nicht weiter nach Tahiti segeln. 🙃
Klaus hat sich schon bei Tapu gemeldet, dem Sohn des hiesigen Bürgermeisters. Tapu bietet Inseltouren und Kletterabenteuer an, und die Empfehlung lautete, sich nach Ankunft bei Vater oder Sohn zu melden. Um 6:47 Uhr meldet er sich schon bei Klaus zurück. Er hätte heute leider keine Zeit für uns, er habe just ein Filmprojekt am Laufen. Wir könnten aber um 8:00 Uhr zum Kliff kommen, ein bisschen chillen, zuschauen und quatschen. Okidoki, da sind wir dabei! Bis später. Mittlerweile ist es hell geworden,…




Jetzt haben wir Yuti richtig an der Boje befestigt und drücken die Daumen, dass die Verankerung der Boje auch hält. ✊ Der Wind bläst jetzt und die nächsten Tage konstant auf Yuti’s Nase und hält sie so im gleichmäßigen Abstand zum Riff. Okay, wir verlassen sie jetzt und tuckern mit Schwung und Welle in den kleinen Hafen, um an Land zu kommen. Bis zum Kliff ist’s nicht weit.



Schnell treffen wir auf Tapu und sein Filmteam. Noch schneller wird dem Kameramann des Teams klar, wir sind Deutsche. Und jetzt kommt’s, das ist doch tatsächlich ein deutsches Filmteam von Pro 7, für Galileo X-Plorer, hier und jetzt auf Makatea und dreht für‘s deutsche, sonntägliche Vorabendprogramm! Das ist doch wohl der Oberhammer!!! Weiter entfernt von Deutschland kann man kaum sein und dann noch die abgelegene und dünn besiedelte Insel Makatea! Und ausgerechnet dort treffen wir auf ein Pro 7 Filmteam?! Unglaublich!!! Das da wären der Kameramann, der Regisseur und Vivienne, die Person vor der Kamera. Sie ist blutjung, irre nett und ebenso über unser Dasein überrascht, wie wir.

Wir fangen sofort an zu quasseln, Tapu spielt da im Moment gar keine Rolle mehr. Wir beschließen sie bis zu ihrer geplanten Klettertour zu begleiten. Denn vorrangig geht es ums Klettern in diesem Filmabschnitt über Makatea. Zuerst waren sie auf Tahiti, dann auf Bora Bora, danach auf Rangiroa und sind dann mit dem Speedboat über 4 Stunden nach Makatea gebracht worden. Was für eine Tortour! Die Speedboatfahrt meine ich! Wir sollen beim Filmen immer schön hinter dem Kameramann bleiben, um nicht mit aufs Filmmaterial zu kommen. Tja, ein bisschen TV-Erfahrung kann ich ja vorweisen. Allerdings vor der Kamera, bei QVC in Düsseldorf, mit meiner damaligen Show: „Andrea‘s Bastelpremieren“. 😄 Jetzt sind wir aber nur stille Beobachter.



Los geht’s zum Klettersteig.




Das ist schon eine ordentliche Steilküste! Wie kam es nochmal dazu? Jepp, durch plattentektonische Aktivitäten in grauer Vorzeit, wurde dieses ursprüngliche Atoll mal eben um 100 Meter hochgehoben. Die höchste Erhebung misst 110 Meter. In dem gesamten Tuamotus Archipel ist das nur Makatea passiert. Tapu beginnt nun, diese Besonderheit für sein Kletterbusiness zu nutzen und versucht sanften Tourismus auf die Insel zu holen. Da kommt ihm dieses deutsche Filmteam gerade recht!










Jetzt werden letzte Vorbereitungen getroffen, Kameras installiert, Anweisungen gegeben.


Mann, das dauert aber alles ganz schön lange!!








So, für uns reicht der Eindruck jetzt, wir wollen noch hoch ins Dorf und Tapu‘s Vater aufsuchen. Unser Ziel ist es, heute oder morgen zu den süßwassergefluteten Tropfsteinhöhlen zu kommen. Tapu meint, das könne vielleicht sein Vater übernehmen. Er selber ist bis Montag einschließlich, für das Filmteam geblockt. Okidoki.



Und dann die 100 Höhenmeter nuff zum Dorf.



Bei einer Gabelung stoßen wir auf einen Rostplatz. Mann kann ihn auch als rostigen Schrottplatz bezeichnen. Bevor wir die linke Gabel zum Dorf weiterlaufen, nehmen wir zuvor noch die rechte zum geschichtsträchtigen Rostplatz.
Für angehobene Atolle, ist es gar nicht so selten, dass im Gestein eingepresste Phosphatvorkommen ans Tageslicht kommen. So ist es auch hier auf Makatea. Phosphat wird in der Düngemittelherstellung benötigt und ist auf Makatea in besonders reiner und guter Qualität vorhanden. Diese Phosphatvorkommen wurden dann natürlich auch irgendwann entdeckt, und ab 1906 von einem französischen Unternehmen abgebaut. 1917 markiert das Phosphat-Zeitalter der Insel Makatea, ab da ging es industriell auf der Insel zur Sache. Sie entwickelte sich rasant. Es gab Straßen, Elektrizität, ein Krankenhaus, eine Schule, die einzige Eisenbahn in ganz Französisch Polynesien und viele, viele Arbeitsplätze. Die damaligen Polynesier waren stolz, mit Microwellenherden zu kochen, während ihre Kollegen der anderen Atolle noch mit Erdöfen hantierten. Makatea wurde ein Industriestandort und der Geldbringer gesamt Französisch Polynesiens. Die Bevölkerung explodierte geradezu von unter 100 auf 3.000 bis 4.000 Menschen. Die meisten arbeiteten im Tagebau und schaufelten das weiche Phosphat aus dem harten Kalkstein heraus. Mit Schubkarren wurde es über Holzbohlen zu Sammelplätzen gekarrt, dort in die Loren der Eisenbahn verbracht und zum Industriehafen…

gefahren.

Bis 1966 wurden über 11 Millionen Tonnen Phosphat abgebaut, mit dem Ergebnis einer völlig durchlöcherten Landschaft. Ein Drittel der Insel ist mit tausenden von Löchern zwischen 3 und 18 Metern Tiefe durchzogen.

1966 war dann von heute auf morgen Schluss mit lustig. Die Weltwirtschaft verschlechterte sich merklich, die Firma zog ab und mit ihr alle dort Beschäftigten. Es blieben gerade mal 56 Menschen zurück. Der Industriehafen wurde aus Sicherheitsgründen gesprengt und kein einziges Versorgungsschiff ließ sich von nun an noch dort blicken. Die letzten 56 „Mohikaner“ standen urplötzlich vor dem Nichts und nahmen ihr altes, einfaches Leben, von vor dem Phosphatabbau, wieder auf. All die Drehbänke, Standbohrmaschinen, Generatoren, Loren, Lokomotiven, Gleise und, und, und, blieben einfach stehen und liegen. Schnell holte sich der Urwald alles wieder zurück.


Erst vor einigen Jahren versuchten die Einwohner die Gegenstände ihrer Vergangenheit zusammenzutragen und sie einem aufkeimenden Tourismus zu präsentieren.








Auch heute wächst der rostige Schrottplatz wieder zu. Und bestimmt dauert es nicht mehr sehr viele Jahrzehnte, bis die Dinge der Vergangenheit zu rostigem Staub zerfallen sind.

Es hat schon was, sich vorzustellen, wie all diese Dinge mal unter Dampf standen und Menschen mit und an ihnen gearbeitet haben. Doch jetzt marschieren wir weiter. Wir wollen noch zum Bürgermeister.




Wo ist denn das Zuhause des Bürgermeisters? Ein jüngerer Mann auf einem Dirtbike (ein sehr kleines Motorrad) kommt uns entgegen. Er hält an, begrüßt uns freundlich, ist vielleicht etwas angeschickert und erzählt uns, er sei der Cousin vom Tapu, der Bürgermeister somit sein Onkel. Da vorne wohnt der Bruder von Tapu und da drüben der Bürgermeister. Wie das denn so sei hier einen Ehepartner zu finden, bei weit unter 100 Einwohnern, will ich wissen? Da grinst er nur. Ich glaube, die 70 bis 80 Einwohner sind bestimmt alle miteinander verwandt. 🤪
Dann stehen wir an der offenen Tür des Bürgermeisters und seiner Frau. Wir erzählen ihm vom Kennenlernen seines Sohnes, von unserem Wunsch die hiesigen Grotten zu besichtigen, und fragen, ob er sich uns annehmen könnte. Er ist sehr freundlich, bloß zieht er nicht so richtig. Vielleicht können wir ja dazu stoßen, wenn sie dem Filmteam die Grotten zeigen würden? Das findet er gut, bespricht es mit seinem Sohn und der meldet sich dann wieder bei uns. Okay. 👍 Seine Frau drückt uns noch zwei Papayas und ein Messer in die Hände, für unterwegs, dann verabschieden wir uns höflich. Vor dem nie fertig gewordenen Kirchenanbau mit Glocke,…

hocken wir uns hin und verspachteln das Obst mit Hilfe des mitgegebenen Messers. Lecker! Das war jetzt wichtig. Denn seit Verlassen des Bootes haben wir nichts mehr gegessen oder getrunken. Nun nehmen wir den Abstieg zum Hafen, satteln das Dinghy und sausen aus der welligen Ein- und Ausfahrt wieder hinaus und zurück zu Yuti, die zum Glück noch unbeschadet an der Boje hängt. Die 4. Boje hatten wir bei Helligkeit natürlich gefunden. Aber jetzt hängt schon ein weiteres Segelboot dran. Das heißt, alle 4 Bojen sind nun belegt. Wobei, stimmt ja gar nicht. Das Boot neben dem unbeleuchteten Katamaran ist fort. Wir hören noch, dass der Kat mit dem kleineren Segelboot zusammengestoßen sein soll. 🫢 Wie das? Mensch, der Kat ist ja gar nicht richtig an der Boje befestigt, der ist nur einseitig, mit einer Leine dran. Da hat er dann einen größeren Schwojenkreis, das muss es sein. Also, der Skipper muss ja wohl den A…. offen haben! 😡
Zurück auf Yuti müssen wir uns erstmal erholen, was trinken und etwas essen. Dann warten wir auf eine Nachricht von Tapu. Es kommt auch eine kurze Message, wir mögen uns gedulden, wahrscheinlich wird’s erst zum Ende des Tages noch etwas mit den Grotten. Gut, alles klar. Doch dann kommt nichts mehr………. Vielleicht ja noch morgen, am Sonntag? Wir werden sehen.
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