Die Überfahrt

🌊🌊⛵️🌊🌊🌊 zusammengefasst.
Teil 1:
Ja, wir werden immer routinierter und Abläufe wiederholen sich. Dennoch lernen wir ständig etwas dazu und werden mit immer wieder neuen Situationen konfrontiert. Eben habe ich mal in meine ersten Blogeinträge geschaut und ungläubig gestaunt, wie unbefleckt oder grün hinter den Ohren wir damals doch waren. Unsere erste Überfahrt von Vietnam nach Singapur war schon ein wirklich mutiges und riskantes Unterfangen! Eigentlich wollten wir uns damals von einem Profi Skipper begleiten lassen. Doch das funktionierte nicht und war zu unflexibel. Wir kamen mit der Vermittlerin einfach nicht zusammen, und Klaus entschied dann etwas entnervt, wir machen das jetzt alleine. Später sorgte Richard Ward, der Seawind Besitzer dafür, dass wir seinen Qualitätsmanager An mit an Bord hatten. Das war dann auch gut so! Auch, wenn Klaus zwischenzeitlich dachte, An wäre über Bord gegangen… 🫣. Dieser Schock ist übrigens tief in Klaus verankert und jagt ihm immer mal wieder durch den Kopf. Ja, damit wäre unser Abenteuer damals, vor nunmehr 3 Jahren, sofort und unwiederbringlich zu Ende gewesen, bevor es überhaupt richtig angefangen hätte. Aber An war ja dann glücklicherweise unversehrt an Bord, hatte sich bloß zum Schlafen nach draußen auf die Bank verkrümelt, wo ihn Klaus damals nicht fand. Tja, und heute starten wir schon unsere x-te Überfahrt und müssen aufpassen, dass wir unsere Wachsamkeit und Aufmerksamkeit nicht schleifen lassen. Wobei Klaus nach wie vor hochkonzentriert unsere Touren plant und während wir unterwegs sind, aus der Verantwortung heraus, kaum wirklich zum Schlafen kommt. Da ich das ja weiß, fällt es mir umso leichter den Schlaf zu finden, und ehrlich, ich muss nie lange suchen, ich kann immer und überall schlafen 😴. Schon irgendwie ungerecht…
Doch heute, am 24.06.2025 muss auch ich mein Schlafbedürfnis etwas reduzieren und schon früh meinen Dienst an Bord antreten. Um 7:39 Uhr sind die Leinen von der Boje gelöst, wir halten den Seemeilenstand auf unserem Tacho mit 21.972 NM fest und segeln mit Karacho, beiden Motoren und voller Montur (volles Groß und Jib) durch den östlichen Pass der Insel. Das ist der kürzeste Weg ins offene Meer und Richtung Samoa. Aber auch der ungemütlichste! Hohe Wellen stürzen sich geradezu über uns. Die Festmacherleinen für die Boje liegen noch vorne auf den Trampolinen, nur jeweils an einem Ende an der jeweiligen Klampe befestigt. Aber ich sehe die Leinenhaufen gar nicht mehr. Sie werden von den vielen Wellen hin und hergerissen. Ich habe Schiss, dass sie durchs Trampolin durchrutschen und mit ihren 14 Metern Länge bis zu den Propellern reichen und sich dort verheddern könnten. Mögliche Propellerschäden inbegriffen. 😧 Doch ändern kann ich jetzt absolut nichts. Eine Salzdusche nach der anderen geht übers Boot hinweg, und Yuti muss richtig kämpfen. Warum haben wir bloß schon alle Segel draußen? Tja, wir wollten das Hissen noch in der ruhigen Lagune erledigen, da draußen ein starker Wellengang auf uns wartete. Dass wir den auch schon in der Passage haben würden, damit hatte auch Klaus nicht gerechnet. Jetzt läuft mir der Angstschweiß über den Rücken, und ich bete, dass nichts Schlimmes passiert. Durch den Pass sind wir schon mal. Der Wind ist wieder viel, viel stärker als vorhergesagt und erst nach circa 3 weiteren Seemeilen kann Klaus den Kurs etwas ändern. Dann sind wir weit genug draußen, um die Inseln mit ihrem Riff gut umfahren zu können. Nun kommen die Wellen nicht mehr so von vorne, sondern eher seitlich und leicht schräg von hinten. Jetzt kann ich mich endlich nach vorne wagen. Und tatsächlich, beide Leinen sind geradewegs durchs Trampolin gerutscht und gehen komplett unterm Boot durch. Schnell ziehe ich beide aus dem Wasser, kann aber keinen Schaden an den Leinen entdecken, heißt, sie hatten wohl keinen Propellerkontakt. Oh Mann, was haben wir wieder einmal für ein Glück gehabt! 🐷🍀
Je weiter wir vorankommen, die Inseln passieren, desto besser können wir auch vom Wind abfallen und das Segeln angenehmer gestalten. Um 12:51 Uhr passieren wir Bora Bora quer ab.

Für Raiatea waren wir ja ein Stück zurückgefahren, um dort unter anderem einfacher ausklarieren zu können. Nun haben wir das Stückchen des Weges wieder im Sack. Jetzt geht’s weiter nach Samoa.
Das Abfallen vom Wind beschert uns eine bedeutend angenehmere Fahrt. Die Wellen kommen jetzt von hinten, was auch bei starkem Wellengang viel besser zu segeln ist.

25.06.2025

Immer um 8:00 Uhr werde ich jetzt den Meilenstand protokollieren. Von gestern auf heute haben wir 165 Seemeilen zurückgelegt.
Die See ist sehr viel ruhiger geworden, auch der Wind hat abgenommen. Beides steht in Korrelation zueinander.
Klaus spritzt das Boot etwas ab, da durch das gestrige Hindurchbolzen alles an Deck salzig und glitschig geworden ist. Ansonsten verläuft der Segeltag bis in die Nacht hinein unverändert. Der Wind kommt mehr oder weniger von hinten und mit durchschnittlich 5 Knoten über Grund kommen wir voran. Eine Strömung von vorn mit 0,8 bis 1,1 Knoten nervt ein wenig.

26.06.2025

166 Seemeilen sind geschafft. Na, da pendeln wir uns wohl wieder um unseren 166er Wert ein. 😄 Kann ja eigentlich bei einem 5er Schnitt nicht wirklich sein, oder? 5 Knoten mal 24 Stunden ergibt 120 Seemeilen, etwas komisch das Ganze! Ein großer Schwell von knapp 3 Metern von hinten, lässt uns Fahrstuhl fahren. Nach wie vor lassen wir uns nur vom Jib ziehen. Ach ja, das Groß haben wir gestern schon runtergelassen, da es bei dieser Windrichtung nicht wirklich hilfreich ist und zusätzlich Gefahr läuft umzuschlagen. Also weg damit.
Klaus sieht jetzt eher die Gefahr, dass uns mal eine besonders hohe Welle hinten ins Boot schlagen könnte… 🌊⛵️. Nein, also heute kommt uns nichts hinten rein. Gut!
Eigentlich ändert sich über den Tag bis in die Nacht nicht wirklich etwas. Nur, der Wind wird weiter schwächer. Wir nähern uns einem Flautengebiet.
Dann entdeckt Klaus riesige Treibnetze und Schwimmbojen, mit von der Partie sind chinesische Hochseefischer.

Was für Ausmaße die haben! Über 50 Seemeilen erstrecken sie sich! Fürchterlich!! Damit wird dann wieder ALLES aus dem Meer gefangen, bis es leer ist. Große Sauerei!!!
Im Süden toben die Wellen, im Norden die Treibnetze und Flaute. Und wir? Wir sind dazwischen, wie ein Burger zwischen 2 Brötchenhälften.

27.06.2025

161 Seemeilen sollen wir geschafft haben. Okay.✅
Die Situation ist nahezu unverändert. Auf dem Plotter können wir beobachten, wie die monströsen Treibnetze eingeholt und wieder ausgelegt werden.

Meine Güte, was für Massen. Die weißen Boote und Kreise stehen für Schwimmbojen, die orangen Boote sind die chinesischen Fischer. Unten, mittig, segeln wir. Noch weiter unten toben die Wellen. Diesem Gewusel wollen wir natürlich nicht zu nahe kommen! Zu blöd, dass in freien Gewässern jedem alles erlaubt ist.
Der Wind lässt weiter nach, und wir liebäugeln mit dem Oxley, klimper, klimper.
9:42 Uhr, das Oxley steht. 🥳

Wow, ist das plötzlich wieder eine sanfte, angenehme Fahrt❣️Die Wellen sind zwar nach wie vor da, werden aber von diesem besonderen Segel besser  „verarbeitet”. Es segelt sich viel weicher, irgendwie abgerundeter. 😊 Mittlerweile hat sich der wahre Wind auf circa 11 Knoten abgeschwächt, was im Segel ankommt ist jedoch nochmal weniger, da der eigene Fahrtwind abgezogen werden muss. Trotzdem segeln wir durchschnittlich 6 Knoten. Mit keinem anderen Segel wäre das möglich. Und so segeln wir weiter, auch in die Nacht und wechseln das Segel nicht, auch wenn das etwas riskant ist.

28.06.2025

Schlag Mitternacht wechselt die Windrichtung. Das Oxley muss auf die andere Seite bugsiert werden. Doch noch haben wir nicht das 4-Leinensystem in Verwendung. Also alle Deckslichter an und los. Meistens sitze ich vorne und halte die Hose samt Segel fest, damit Klaus die Leinen entsprechend verändern kann. Es klappt, und das Segel gleitet zur anderen Seite hinaus.
Um 8:00 Uhr folgt der Tachoblick.
157 Seemeilen sind im Sack.
Ein sehr schöner Segeltag lässt sich an. Das Meer ist ruhiger geworden, der Schwell langgestreckter, die Sonne scheint. Weiter geht es mit durchschnittlich 6 Knoten voran.
Plötzlich erscheint ein Squall auf dem Radar und auch in Wirklichkeit. Was machen wir? Wir überlegen hin und überlegen her, da ist der Squall schon fast da und das Segel ist unten.

Das Segel sichernd, bleibt Klaus so lange in dieser Position liegen, bis alles wieder vorbeigezogen ist. Und es zieht tatsächlich vorbei, kein Tropfen fällt. Gut für Klaus. 😅 Dann darf das Oxley wieder raus, und es geht weiter im Text. Wir segeln in den Sonnenuntergang.

Nachtaktion: Klaus schläft, 2 Squalls riskiere ich und hoffe, dass sie vorbeiziehen. Ich wecke Klaus nicht, und sie ziehen vorbei. 😛

29.06.2025

Um 1:00 Uhr aber, zieht ein richtig fetter Squall auf uns zu, der sich diesmal anders verhält als die vorherigen. Doch auch jetzt lassen wir das Oxley draußen. Klaus habe ich nun aber doch geweckt und beide hocken wir im Salon und harren der Dinge, die da kommen beziehungsweise schon da sind. Es schüttet wie aus Eimern, der Wind geht zum Glück aber nur kurz auf 21 Knoten hoch, dann fällt er urplötzlich fast auf Null zurück. Hatte unser Oxley zuvor alles gut überstanden, fällt es jetzt zusammen, und die Hose rutscht schon von alleine ein gutes Stück runter. Nun, dann muss es jetzt ganz runter. Wieder sitzt und liegt Klaus vorne und hält alles fest, bis sich auch noch ein weiteres Wolkenband verkrümelt hat. Dann wird der ganze Kladderadatsch wieder hochgezogen. Mittlerweile ist es weit nach 2:00 Uhr und ich gehe nun endlich schlafen.
8:00 Uhr, Tachovergleich. 160 Seemeilen kommen auf unser Meilenkonto dazu. Klaus erzählt mir noch, dass während seiner Wache gaaanz viele Minisqualls auf dem Radar erschienen. Das Bild sah aus wie ein Streuselkuchen. Jetzt, um 8:00 Uhr, scheint die Sonne und alles ist bestens. Wir müssen Strecke machen, denn in spätestens 4 Tagen kommt das unangenehme Wellenband zu uns hoch. Wellen bis 4 Meter sind vorhergesagt. Doch der Wind ist über den gesamten Tag zu schwach mit seinen 8 bis 10 Knoten, und so erreichen wir den sicheren Hafen auf Samoa wohl nicht rechtzeitig. Doch daran können wir nun wirklich nichts ändern, das beste Segel für diese Leichtwindperiode ist draußen, mehr geht nicht.

30.06.2025

Es ist 4:37 Uhr am frühen, dunklen Morgen. Wir müssen das Oxley wieder zurück auf die andere Seite bringen. Zum Glück hatten wir beim letzten Runterholen die beiden zusätzlichen Leinen angebracht und können nun das Segel Stück für Stück rüberziehen, ohne es wieder runterlassen zu müssen. Aber es fällt schon auf, die meisten Aktionen machen wir bei Dunkelheit. Daher ist der Rat, das Leichtwindsegel über Nacht zu bergen, schon sinnvoll. Doch wir haben es ja eilig!
Um 6:30 Uhr verlässt uns der Wind dann völlig, das Oxley muss runter, ganz runter und liegt nun mit Leinen gesichert auf den Trampolinen. Ein Motor wird gestartet und gleichzeitig auch der Wassermacher.
8:00 Uhr, 150 Seemeilen kann ich notieren ✍️.
9:40 Uhr, das Oxley ist wieder draußen.
12:26 Uhr, das Oxley ist wieder unten.
Der Beiname „stiller“ Ozean macht diesem unruhigen Meer zum ersten Mal alle Ehre.
16:34 Uhr ein erneuter Oxley Versuch scheitert kläglich. Der Windhauch ist schon wieder weg, bevor das Segel ganz draußen ist. Aus die Maus 🐭. Wir motoren weiter.
17:30 Uhr, das Segel ist wieder draußen. Diesmal klappt es, der notwendige Wind bleibt. Wir segeln in die Nacht. Ein Squall zieht auf. Was der dann mit meinem Popo zutun haben wird? Das berichte ich dann im 2. Teil der Überfahrt. ✌️




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