Sevusevu, jetzt aber wirklich❕

Wir machen uns fein, naja, ich ziehe mein Kleid aus Samoa an, wir schnappen uns eine unserer Kavatüten, Rucksäcke und Geld und tuckern mal mit dem Dinghy los. So ganz genau wissen wir nicht, wo der Weg zum Dorf losgeht. Aber Klaus weiß, wo wir mit dem Dinghy anlanden sollten. Das ist ja schon mal was.

Nur bei Ebbe soll der Zugang zum Dorf möglich sein. Wieweit wir da mit dem Dinghy kommen, ist abzuwarten.

Nicht gar so weit,…
bei den Steinen ist mal Schluss. Es geht zu Fuß weiter, ich muss den Rock raffen.

Dann hört der schlickige Strand abrupt auf, und es geht ins Unterholz. Ein Trampelpfad ist nur zu erahnen.

Jetzt geht es über spitzes Lavagestein, na wenn das mal stimmt??

Da soll es hochgehen…

Aha?! So sieht es also dahinter aus…

Und jetzt??

Jetzt muss auch Klaus kurz überlegen.

🤔
Was sind das denn für Sandhäufchen?
Hi hihi…
Durch den Wald da drüben? Jepp!
Wird das etwa lustig?
Upsi, die Mangroven rufen und strecken ihre Fühler nach uns aus.
Es wird enger…
und enger…
und rutschig dazu. Bloß nicht ausrutschen und reinfliegen in diese Matsche! Das ist zur Zeit mein Problem! Mit dem Handy in der Hand könnte ich noch filmen, wie mich die Wurzeln verschlingen…

Plötzlich stehen wir wieder vor einem Lavahügel, den wir überwinden müssen.

Tja, da müssen wir wohl noch rüber…

Und tatsächlich, hinter diesem Hügel liegt das Dorf.

Es dauert nicht lang, da kommt eine junge Frau auf uns zu und nimmt uns mehr oder weniger spontan in Empfang. Ihr Name ist Sarah, sie spricht gut Englisch und möchte uns zum Dorfladen führen, um Sevusevu zu machen. Alles klar, wir folgen ihr unauffällig. 😁

Sie ist sehr nett, fragt uns Verschiedenes und dient der Ladenbesitzerin als Übersetzerin. Diese sitzt im gewohnten Schneidersitz am Boden, lediglich eine Kokosmatte dient ihr als Unterlage. Vor sich hat sie so etwas wie eine Art Kasse. Doch der Laden ist fast leer. Wir überreichen ihr unser Kavabündel, nachdem wir uns mit Namen und Herkunftsland vorgestellt haben. Sarah nimmt es uns ab und legt es in ein offenes Regal, wo schon ein etwas kümmerliches Bündel liegt. Das war’s…. Kein Gesang, kein Aufschreiben unserer Daten, nothing. Tja, der alte Chef ist ja auch tot und der neue noch nicht eingesetzt. Ob wir was einkaufen dürften, ist unsere Frage. Ja, ja, können wir, meint sie erfreut. Aber was nur?

So sieht es hier und heute nämlich ganz und gar nicht aus! Fast alle Regale sind leer, sie warten auf das Versorgungsschiff, das einmal im Monat kommt. Nur diese orangen und roten Tang-Abreißbeutel hängen tatsächlich dort. Was das ist? Keine Ahnung! Brausepulver?? Wir entdecken noch eine haltbare Milch, eine Pflaumenmarmelade, zur großen Freude von Klaus und Kokos- sowie Erdnusskekse. Ich runde den Betrag auf 25,- Fidschidollar auf, die Ladenbesitzerin freut sich und lobt mein hübsches Kleid. 👗 Na also. Morthey, morthey… Sie möchte nicht morthey sagen, lieber sota tale, was soviel heißt wie auf Wiedersehen. Wir sollen also wiederkommen, nett. Na, dann sagen wir mal auf Wiedersehen…. Sie wiederholt und spricht es tadellos aus. 👍👋
Und jetzt? Jetzt führt uns Sarah durch ihr Dorf. Sie zeigt uns die Entwässerungskanäle,…

die bei Flut das immer höher steigende Meerwasser aufnehmen sollen. Strom und fließend Wasser gibt’s nicht. Strom kommt nur aus kleinen Solarpanelen und Trinkwasser nur von oben. Das, was die Natur ihnen gibt, steht ihnen zur Verfügung. Sie fangen es in Zisternen auf. Sie spricht mit vielen Frauen, die aus ihren Hütten schauen, Bula, Bula erklingt es allenthalben. Wir werden neugierig aber freundlich beäugt. Gerade mal 60 Menschen leben hier. Hütten gibt es aber deutlich mehr. Nicht wenige stehen leer und sind verbarrikadiert. Aber sie haben einen Kindergarten, der Leiterin begegnen wir sogar und eine Grundschule für die ersten 8 Schuljahre. Danach müsste man in die Hauptstadt übersiedeln, nach Suva. Das ist weit, aber viele Familienmitglieder leben verstreut. So leben ihre Eltern in Suva und arbeiten dort. Sarah‘s Tochter, 9 Jahre, könnte dann zu ihren Großeltern übersiedeln, wenn es mal soweit ist. Jetzt führt uns Sarah zu einem kleinen Anbaufeld. Sie hatte mitbekommen, dass wir gerne etwas Frisches gekauft hätten und bietet uns Bananen an. Ja, gerne❣️

Vom Bauern ist keine Spur, ich runde für eine halbe Staude auf 20,- Fidschidollar auf, sie wird es ihm später geben. Dann möchte sie wissen, ob wir schon mal Kokoskrabben gesehen hätten? Nee, haben wir ja leider noch nicht und gegessen schon gar nicht. Ach, wir sollen mit in ihr Haus kommen, sie zeigt uns eine. Au ja, prima. Sie bewohnt zusammen mit ihrem Mann das einzige Steinhaus. Als ich hineingehe, erschreckt mich die extreme Einfachheit. Verstohlen mache ich schnell 2 Fotos.

Ist ja alles so schön bunt hier.

Analyse: Die Einrichtung ist spartanisch und abgenutzt. Es gibt einen Fernseher und ein Handy wird geladen, mit dem Strom, den ihnen die Sonne ermöglicht. Klaus entdeckt noch eine dicke Batterie, die als Speicher dient. Internet haben sie aber nur in der Schule. Das müssen sie dann auch bezahlen. Zwei Fidschidollar für einen Tag und sieben für eine ganze Woche. Rick, ihr Mann, begrüßt uns. Er ist etwas irritiert, was uns betrifft. Schnell erfahren wir von Sarah, dass sie gestern 16 Segler im Haus hatten und alle verköstigt wurden. Mensch, und dann kommen heute auch noch wir. 🤪 Ein Nachbar ist noch mit im Raum, alle sitzen wir im Schneidersitz auf dem Teppich. Zwei Jungs, im Alter von circa 11 Jahren, kommen noch dazu, nicht ihre Kinder. Sie haben ja die 9-jährige Tochter. Wo ist die denn überhaupt? In der Schule. Aha. Die Schule geht bis 15:00 Uhr. Hmmm…., und die 2 Jungs??? Tja, sagt Sarah, die haben Montagsfieber, grins. Ach nee, gibt’s das hier also auch?! Die zwei Schlingel haben montags einfach keine Lust. Der eine, meint Sarah, sei ein ganz Frecher… Wie ist denn hier überhaupt so ein Wochenablauf, frage ich Rick. Na ja, meint er…. Montags hat’s halt das Montagsfieber, grins, Dienstag findet das Dorftreffen statt, wo Dorfangelegenheiten besprochen werden, Mittwoch ist Frauentag, die Männer haben frei, Donnerstag und Freitag macht jeder was er will, Samstag wird das große Essen für Sonntag gesammelt, gefischt und geerntet und vorbereitet, und Sonntag geht’s in die Kirche und dann zum großen, gemeinsamen Essen. Apropos Essen, Sarah geht nun in die Küchenhütte und holt die Kokoskrabbe. Was für ein Tier‼️

Es wird auch als Palmendieb bezeichnet.

Sie überlässt sie ihrem Mann, er soll sie für den Kochtopf verschnüren. Ach herrje…

Rick, 37 Jahre, sein Nachbar 51 Jahre. Sarah ist das Küken, mit gerade mal 29 Jahren. Zuerst wollten sie natürlich unser Alter wissen.

Er knotet und knotet und weist uns auf die Stärke der Greifzange hin. Einen Finger durchtrennt die Krabbe wie Butter. Klar, sie knackt ja auch Kokosnüsse. Dann liegt die Krabbe verknotet auf dem Teppich. Hmmm… 🤔, wann wird sie denn jetzt gekocht? Wir unterhalten uns weiter. Wie ist das hier denn so mit dem Eigentum an Haus und Grund? Ja, dieses Haus gehöre schon ihnen, das Küchenhaus seinen Eltern, das andere Haus auch seinen Eltern. Das dritte dem Nachbarn. Verkaufen dürften sie aber von Staatsseite nicht. Deshalb stehen auch so manche Häuser leer, sie dürfen nicht weitergegeben werden. Also Besitz an Grund und Boden haben sie somit nicht. Sie rauchen immer wieder lange, ganz dünne, selbstgedrehte Zigaretten. Dafür wird ein Stück getrockneter Tabak aus Suva, der Hauptstadt, kleingezupft und in dünnes Papier eingedreht. Sarah’s Gebiss sieht erschreckend aus. Sie ist erst 29 Jahre alt! Ein Schneidezahn fehlt gänzlich, die restlichen Zähne sind gelb, das Zahnfleisch ist deutlich zurückgegangen und entzündet. Ein Kind, ein Zahn? Wie ist das eigentlich mit der ärztlichen Versorgung hier? Eine Krankenstation ist auf einer der nächsten Inseln, ein Krankenhaus erst in Suva, der Hauptstadt. Eine Verbindung nach Suva ist nur einmal im Monat mit dem Versorger möglich. Zwei Tage ist man dann aber mindestens unterwegs. Deshalb bleibt man bei einer Schwangerschaft auch nur bis zum 6. Monat auf der Insel, dann fährt man für die restlichen 3 Monate mit dem Versorgungsschiff nach Suva. Puhh, kompliziert und kostspielig, denke ich mir. Wie kommen sie hier bloß zu Geld? Nur durch uns Touristen? Bekommen sie irgendeine staatliche Unterstützung? Ich glaube, ohne familiäre Kontakte in Suva, ist das hier nicht möglich. Aber ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wie das jetzt mit der Krabbe weitergehen soll??? Wir sollten aber mal langsam wieder aufbrechen. Ja, wir sollen die Krabbe mitnehmen. Waaas??? Ja, und selber kochen… Neiiin!!! Ich dachte, sie kocht sie hier, mit uns zusammen. Ich habe gar keinen ausreichend großen Topf und überhaupt… Sie lacht herzlichst und bietet an, die Krabbe nun doch bei sich zu kochen. Ja, das war dann wohl ein Missverständnis zwischen uns… 😜. Also, die Krabbe wird nochmal neu umwickelt, diesmal mit einer dünneren Schnur, dann gehen wir alle rüber ins „Küchenhaus.“

Das ist die Kochecke.
Ein einziger Gasbrenner steht zur Verfügung.
Da lebt sie noch. Nur ganz wenig Wasser ist im Topf.

Sie wird durch den heißen Wasserdampf sterben, denn Wasser ist kostbar! Nein, sie schreit währenddessen nicht, auch, wenn das Prozedere mir recht brutal erscheint. Wir sitzen stattdessen auf dem Boden und bekommen Tee, Kekse und Erdnusscreme.

Der Topf dampft, der Tee schmeckt prima, die Erdnusscreme, zusammen mit den Keksen ist echt lecker. Dann ist die Krabbe fertig.
Die schillernden Blau- und Brauntöne, sind einem Rot gewichen.
So wird‘s gemacht.

Und was ist im dicken Hinterteil? Bestimmt das größte Stück Fleisch?! Von wegen! Da ist was drinnen, das aussieht wie Durchfall. 🫢 Grün-bräunliche Plörre kommt da rausgeschossen… Sarah meint, das sei das Allerbeste! Okay….

Appetitlich?
Krabbenfleisch mit Durchfall…

So, dann wollen wir mal kosten.

Also, das Krabbenfleisch schmeckt wirklich gut, wobei ja nicht viel dran ist, an so einer Krabbe, und die Plörre ist gewöhnungsbedürftig. Aber nun wissen wir, wie so ein Tier schmeckt. Ehrlich? Ich muss es nicht noch einmal essen. Die Krabben werden immer seltener, es ist nicht viel Fleisch, was da zusammenkommt, und seit ich weiß, dass diese Tiere bis zu 70 Jahre alt werden können, mag ich sie nicht mehr verspeisen. Während wir da nun so hocken, möchte ich noch wissen, wie sich Sarah und Rick kennengelernt haben? Wie man bei nur 60 Einwohnern einen Partner findet? Ja, also, der junge Mann auf Freiersfüßen verlässt seine Insel, sagt niemandem Bescheid und begibt sich heimlich auf die bewohnte Nachbarinsel. Dort hält er dann Ausschau, wobei die jungen, heiratsfähigen Frauen über Familienkontakte und Freunde, dem Suchenden schon bekannt sind. Auch ist es hilfreich, wenn der Mann schon ein Haus zu bieten hat. In der Regel folgt die junge Frau ihrem Mann dann auf seine Insel und lebt fortan in dessen Familie integriert weiter. Also doch alles arrangiert? Wahrscheinlich schon….
Nun wird es aber höchste Zeit zu gehen. Wir bedanken uns sehr für die Gastfreundschaft und die Zeit, die sie sich für uns genommen haben. Das war jetzt richtig toll und interessant für uns. Wir bedanken uns mit 100,- Fidschidollar und werden daraufhin von Sarah noch bis zu unserem Dinghy begleitet. Sie zeigt uns einen besseren Weg zurück, zeigt uns noch die Insel, auf der sie die Kokoskrabben fangen und die, wo sie ihre Toten beisetzen. Um die letztere darf 100 Tage lang nicht gefischt werden, wenn ein Leichnam beerdigt wurde. Vor 2 Monaten verstarb der Chef des Dorfes, also gilt das Fischereiverbot um die Toteninsel noch circa 40 Tage. Interessant! Sie sind übrigens alle Methodisten, die vorherrschende Religion auf den Lau-Inseln. Zu guter Letzt zeigt sie uns noch Seetrauben im seichten, salzigen Wasser.

Wie kleine, grüne Kaviarkügelchen kommen sie daher, sind essbar und schmecken salzig-pfefferig. Wieder was gelernt. Überhaupt haben wir heute ganz, ganz viel gelernt und verabschieden uns nun sehr herzlich, mit einer festen Umarmung. Wir könnten gerne am Sonntag, zum großen Essen und Kochen im Erdofen wiederkommen, meint sie noch. Das ist lieb, wobei wir bis dahin höchstwahrscheinlich schon zur Nachbarinsel weitergesegelt sein werden. Zur Nachbarinsel, wo sie hergekommen ist. Danke Sarah ❣️Wir ziehen unser Dinghy wieder etwas weiter ins Wasser hinein und fahren zu Yuti zurück. Das war nun ein wirklich toller Tag, und wir lassen alles noch einmal Revue passieren. Vielleicht träumen wir dann von Montagsfieber, Palmendieben und Seetrauben, wer weiß???

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