Die Überfahrt

Ein Stück in mehreren Akten.
Mitwirkende:
Kapitän Klaus, 1. Offizierin und Smutje in Personalunion, Andrea, Segelkatamaran Yuti
In den Nebenrollen, allerdings mit Hauptrollencharakter:
3 Hochdruckgebiete und ein massiges Tief aus der Tasmanischen See

1. Akt: wilder Start

Es ist Montag, der 29. September 2025. Wir sind ausklariert, halten alle wichtigen Papiere in Händen und tuckern mit dem Dinghy zurück an Bord. Nun wird noch das Beiboot hochgezogen und mit mehreren Leinen fest verzurrt. Die letzten Dinge werden weggeräumt, so dass uns bei schwererem Seegang nichts vor die Füße fliegt und nichts über Bord geht. Um 10:50 Uhr werden beide Maschinen gestartet, bei einem Tachostand von 25.577 NM. Ich löse uns von Boje Nummer 1, und Kapitän Klaus manövriert uns ein letztes Mal aus der Marina heraus.

Das Denarau-Marina-Türmchen, mit rotem Dach.
Auch früh ist hier schon was los.
Der Eingang in die Mangroven, für alle die hierbleiben und sich vor Zyklonen schützen müssen.
Tschau, tschau, Bojenfeld.
Schnell schmeiße ich noch die letzten Münzen ins Wasser. Wie beim Trevibrunnen in Rom, um auch ja wiederzukommen.

Um 11:38 Uhr sind Jib und das Groß auf Reff 2 gesetzt. Noch segeln wir innerhalb des Riffes, und es ist ein angenehmes Vorankommen. Aber wehe, wenn wir erst den Schutz verlassen haben! Kapitän Klaus warnt mich schon vor ruppigen Verhältnissen, mindestens.
14:45 Uhr, wir haben das offene Meer erreicht.

Und wie „versprochen“, es geht sofort zur Sache! Der Wind pustet erst mit 20, dann mit 25 Knoten …

und schiebt uns mit 7 bis 8 Knoten durchs Wasser.

Ursprünglich wollten wir langsam bis Neukaledonien segeln, um dort nicht allzu lange abwarten zu müssen. Aber mit langsam ist hier schon mal nichts. Je weiter wir uns von der Inselkette entfernen, desto doller wird‘s.
Was für ein Ritt! Gut 2 Meter haben die Wellen bestimmt, und manchmal fallen wir richtig in eins der Wellentäler hinein. Heißa hopsassa ….
Es ist wie Achterbahn fahren, bloß ohne Ende, oder Notaus. Mir wird übel 🤢.
Der Autopilot verliert immer wieder den Kontakt zu den Rudern, es gibt mehrfach Ruderalarm. Gar nicht gut!!! Dass uns bloß der Autopilot nicht im Stich lässt!!!! Da könnten wir gleich wieder zurückfahren. Vielleicht liegt es am starken und wilden Geschaukel. Yuti saust schon mit 9 Knoten über Grund. Wie war das nochmal mit dem Stillen Ozean??? 🥴

Wir peitschen durchs Wasser

Dienstag, 30. September 2025, 00:15 Uhr. Wellen schlagen übers Boot und in den Steuerstand hinein. Alles ist wieder salzig. Yuti in Salzkruste. Wir nickern abwechselnd im Salon. Mal Klaus ein halbes Stündchen, mal ich 2 Stündchen, grins. Der Wind hat etwas nachgelassen, pustet aber immer noch kräftig mit 18 Knoten und mit ihm die Wellen. Am Morgen begrüßt uns die Sonne. Das ist immer wieder beglückend und hebt die Stimmung. Ich trage übrigens zum ersten Mal, nach langer, laaanger Zeit wieder Socken. Mir wurde es in der Nacht einfach zu kalt.

Hübsch, gell 🤭?!

Auch einen Pullover musste ich mir herauskramen. Da wird mir erst so richtig bewusst, wir verlassen nun die warme Äquatorregion und fahren in den kühlen Frühling Neuseelands. Lüfte von 11 bis 20 Grad und Wassertemperaturen von um die 16 Grad, werden unsere neuen Realitäten, schnatter. 🥶 Gut, dass wir uns für Peru und in Peru, damals wärmere Sachen zugelegt haben. Die müssen wir jetzt nach oben packen und Kleidchen und dünne T-Shirts nach unten.
Wir sind ganz schön schnell, zu schnell, wenn das so weitergeht. Keine 4 Tage wären es dann bis Neukaledonien. Was machen wir dort dann so lange, um das Höllentief abzuwarten? Drei oder mehr Tage müssten wir irgendwie abhängen. Ohne Einklarierung kein Landgang. Abwarten und Tee trinken…
11:00 Uhr, das erste Mal nach Start lese ich den Tacho ab. 159 Seemeilen haben wir in den letzten 24 Stunden zurückgelegt.
Eben bekommt Klaus die Rückmeldung von Bio Security Neuseeland, auf die zugesendeten Formulare und Bootsfotos. Unser ausgearbeitetes Material reicht für eine positive Beurteilung des Bootes nicht aus. Bääh! Sie, die neuseeländische Mitarbeiterin der Bio Security, möchte genaue und datierte Fotos haben, haben wir doch 🧐, von allen Bootsausgängen, allen Nischen und jedem einzelnen Propellerblatt, haben wir nicht ☹️. Und unser letztes Haul Out könnten wir nicht nachweisen. Können wir doch, mit Foto und Datum. Nun ja, sie dankt uns für unseren Mitwirkungswillen, will sich aber vor Ort mit Tauchern einen eigenen Eindruck verschaffen. Sprich, wir werden wohl mit einem sogenannten Not-Haul-Out rechnen müssen. Zusätzlich zu unserem geplanten Haul Out im November.
Ich spüre, wie Groll in mir hochsteigt. 😤 Aber gut, es ist ihr Land, es sind ihre erst kürzlich verschärften Regeln, wir haben uns daran zu halten. Punkt. Hoffentlich will sie nicht auch noch unsere persönlichen Ausgänge kontrollieren! Igitt 😝. Erstmal müssen wir Neuseeland ja auch überhaupt erreichen❗️Da liegt noch viel Ungewissheit zwischen uns. Gewiss ist nur, dass wir zum Mittagessen Kartoffel-Blumenkohlschnitze in Kokosmilch mit Thunfischklöpschen essen werden. Letztere wollen bloß keine Klöpschen werden, zerfallen und werden eher zu Thunfischgehacktem. Tut dem Geschmack aber keinen Abbruch. ☺️.
Drei Minuten vor Mitternacht holen wir Groß und Jib ein und wickeln das Screecher aus. Der Wind hat sich deutlich abgeschwächt und kommt mehr und mehr von hinten. Deshalb gehen wir auf Windsteuerung, um Ruhe ins Segel zu bekommen. Das klappt auch. Beim Einholen des Großsegels, muss ich für das letzte Stück vom Segel immer aufs Dach klettern. Der letzte Rest will nie von alleine runterrutschen, war von Anfang an so. Und so stehe ich da oben im Wind und zerre den Rest per Hand runter. Das ist dann immer auch ein Balanceakt und erinnert mich an die Zeit meines Voltigierens. Übung: Freies Stehen auf galoppierendem Pferd. 😅.
So, das war der erste Akt, der zweite folgt sogleich. ✌️

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