Der Hexenkessel brodelt

und er brodelt gewaltig!

Tag 23

Jepp, die Nacht war sehr unruhig, und so geht es auch in den Tag. Der Wind pendelt zwischen 16 und 20 Knoten, die Strömung drückt uns mit 2,7 Knoten nach Nordwesten. Da müssen wir jetzt auf jeden Fall gegenhalten. Folglich kommen die Wellenwalzen wieder mehrheitlich von der Seite und heben und senken uns ordentlich. Das setzt nicht nur uns zu, sondern auch Yuti. Sie stöhnt und ächzt, manchmal muss sie sich übergeben (akustisch 😉). Die Wanten beobachten wir mit etwas Furcht im Blick, und immer mehr Drahtseile lösen sich sichtbar. Der äußere Mantel besteht aus 12 Seilen, der innere aus 7. Nur 7 😬… Wir denken, die äußeren 12 sind alle geknackt und 6 von ihnen sind rausgefluppt und dröseln sich auf. Da hängen wir wohl nur noch an 7 seidenen Fäden… 😵. Die linke Want ist optisch noch unverändert aufgewölbt, mit 2 gerissenen, aber nicht abstehenden Drähten. Tja, und die schlimmste Herausforderung kommt jetzt. Morgen und Übermorgen erwarten uns die besagten 3 Meter Wellen und Wind bis 25 Knoten. Entwischen können wir dem Ganzen nicht! Alles ist zigfach durchüberlegt und geprüft! Unwohl ist mir schon. Vielleicht auch etwas mehr…?Ahhh was… 🙈🙉🙊.
Den ganzen Tag warten wir jetzt schon angespannt auf die Zunahme von Wind und Welle. Doch bis zum frühen Abend bleibt alles noch erträglich. Da gibt es Zeit, eben schnell etwas zu kochen. Es gibt Bratkartoffeln mit Käse überbacken, dazu den restlichen Rote-Beete-Salat. Sehr schmackhaft. 😋
Das Morgenporridge mit viel Schokolade gab es mit Libbyfrüchten. Süß, warm, schmatzig. 😋
Bald beginnt auch schon wieder meine Nachtwache. Ich bin gespannt, ob alles gut gehen wird!
19:30 Uhr, Wind: 15 bis 17 Knoten, Strom: 2,7 Knoten, SOG: 5 bis 6 Knoten, Welle: die höheren 1,5 bis 2 Meter.
Ich mache mal eine Videoaufnahme vom Mast und Umgebung.

Die völlig zerfetzte Panama-Flagge hängt immer noch an der sich auflösenden Want und schleudert im Wind. Die kleine Überwachungskamera dödelt an der Saling, der Segelsack flattert, wird löchrig und schlägt unaufhörlich an eine Want, dong, dong, dong…. Jetzt fehlt nur noch ein am Steuer festgebundener Kapitän, und das Bild in meinem Kopf ist perfekt. 😵‍💫
Wie versprochen nehmen die Naturgewalten zu, und meine Nachtwache beginnt. Es ist 21:00 Uhr, aber Klaus kommt nicht zur Ruhe. Unruhig wirft er sich von einer Seite auf die andere und findet nicht in den Schlaf. Kein Wunder, ist es doch mittlerweile sehr unangenehm geworden. Der Wind pustet weit über 20 Knoten und wird noch auf 26 Knoten Maximum anwachsen. Die Wellenberge sind bestimmt schon 2,5 Meter und kleine Schwibbel-Schwabbelwellen, was auch als Kreuzsee bezeichnet wird, kommen noch dazu. Yuti kämpft sich tapfer, die mit erbarmungsloser Regelmäßigkeit wiederkehrenden Wellenkämme hoch und wieder hinunter in die teils tiefen Wellentäler. Manchmal, wenn die Welle sehr steil ist und sozusagen bricht, rutscht Yuti regelrecht ab. Das ist dann fast schon wie Achterbahn fahren, aber eine Achterbahn, die man nicht mag. Dann, wenn Yuti so abkippt, liegt Klaus ganz unten auf seinem Sofa und ich sitze oben auf meiner Seite. Das erinnert mich schon sehr an die Krängung eines Monohulls, eines Einrümpfers. Wir sind aber keiner, wir sind ein Katamaran, der so etwas eigentlich nicht zu sehr tun sollte… Oben drauf schlagen die Wellen wieder mit großer Wucht unters Boot. Es knallt, „Bomben“ explodieren, es knirscht, knackt und knatscht, ein wahrer Hexenkessel! Und was machen die Wanten??? Ich schaue lieber gar nicht mehr hin und verziehe mich in meine Koje. Was? Klaus kann n i c h t schlafen, vielleicht gelingt es ja mir? Obwohl das jetzt so gar nicht meine Zeit ist, und die Schläge und auch der Lärmpegel dem Schlaf nicht gerade dienlich sind. Aber ich versuch‘s halt mal…. Ich krabble hoch in meine Koje, höre einen Podcast nach dem anderen, und tatsächlich schlafe ich irgendwann ein, denn dann weckt mich mein Handywecker. Es ist 2:00 Uhr. Schichtwechsel.

Tag 24

Schwankend komme ich hoch in den Salon und treffe nun auf einen richtig müden Klaus. Sofort kringelt er sich ein und ist im Nullkommanix eingeschlafen. Die Gegebenheiten sind unverändert. Immer wieder erzittert Yuti unter den Wellen und der Wind pfeift hörbar. Klaus war noch 5 Grad abgefallen, um die Situation ein klein wenig zu entschärfen. Schon im Halbschlaf murmelt er, dann fahren wir halt nach Australien. 🤭 Ich kann das Abfallen auf dem Plotter gar nicht als Spurveränderung erkennen. Ja, die Strömung schiebt uns plötzlich auch nach Süden, mit 3,6 Knoten. Halleluja! Das neutralisiert die Kursveränderung, das Abfallen vom Wind, nahezu. Wir wollten doch langsamer werden und unbedingt bis Sonntag warten, um dann erst stramm nach Süden einzuschlagen. Es funktioniert nicht, wir sind einfach zu schnell, wir sausen bald mit 8 bis 9 Knoten am Ziel vorbeieieieiei… Wohlgemerkt, wir segeln ausschließlich mit unserem kleinen Jib! Und was sagen die Wanten zu all dem Spektakel? Zum Glück nicht viel. Want links ist unverändert, Want rechts zeigt nach wie vor ihre 6 abgespreizten Strippen, nur die 7. Strippe ist auf ihrem Weg nach draußen. Hmmm….
Jetzt kommen wir mal zu den wesentlichen Daten und Fakten. Es ist 9:00 Uhr, ich befrage den Tacho. Er nennt mir 18.614 NM, was wieder einen Wert, mit schlafwandlerischer Sicherheit, von 169 ersegelten Meilen ergibt. Ha,ha, ha, ha…
Puhhhh, eben zog es mir aber durch Mark und Bein! Wir fielen gerade regelrecht in einen Wellenkrater hinein. Auweia!!! Klaus meint nur, das wird noch mehr. Mehr Wind und mehr Welle. Oh je. Auch der Strom wird immer schneller. Wir sehen Werte von bis zu 3,9 Knoten! Wieso nur? Vorhergesagt ist das nicht! Doch dann, gegen Mittag nimmt alles spürbar ab. 😮‍💨 Puhhhh, nur noch vereinzelte Wellenbrecher heben und senken uns in Schräglage auf und nieder. Damit können wir leben!
Und jetzt, noch ein paar Stunden später, es ist fast nicht zu glauben, strahlt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel herunter, das Meer glitzert zauberhaft, und wir schaukeln gemütlich, bei toller Musik, durch den Pazifik. 😳

Tzzzz, ich fasse es nicht. Was sind das nur für Kontraste innerhalb kürzester Zeit. Aber es ist die pure Erholung für Körper und Geist❣️
Nachmittags verspachteln wir einen süßen Pfannkuchen mit fruchtigem Apfelkompott. 😋 Lecker.
Zum Abend ist leider wieder Schluss mit lustig. Alles nimmt erneut Fahrt auf, und wir kommen langsam in eine richtige Zwickmühle. Da wir so schnell unterwegs sind, müssen wir jetzt schon gen Süden steuern. Vielleicht nicht so stark wie gewünscht, aber doch Grad für Grad, ganz vorsichtig. Es scheint zu funktionieren. Meine Nachtwache beginnt, es ist 21:30 Uhr und immer noch nicht ganz dunkel.
Übrigens, ich fragte mich doch die Tage, wann es wohl wieder wärmer werden würde. Jepp, jetzt! Oder sagen wir mal, die letzten 2, 3 Tage brauchte ich abends und nachts gar keinen Pullover mehr. Und Klaus deckt sich nicht mehr zu, hört einen Podcast und ist weg…. 😴.



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